Nubien

[310] Nubien ist der gemeinschaftliche Name mehrer Gebiete im S. von Ägypten und zu beiden Seiten des Nils, welche durchgängig gebirgig sind, nach S. zu immer höher und bis gegen 3000 F. Meereshöhe ansteigen, zwischen 12–15,000 ! M. umfassen und nördl. von Ägypten, westl. von Nigritien, südl. von Abyssinien, östl. vom arab. Meerbusen begrenzt werden. Das tief eingeschnittene Thal des Nils, der im südl. Landestheile, in Sennaar, aus der Vereinigung des Bahr el Azrek und Bahr el Abiad (s. Nil) gebildet wird, und weiter nördl. den Takazze aufnimmt, ist durch die auch hin und wieder durch Kanäle beförderten Überschwemmungen dieses Stromes sehr fruchtbar. Das Land wird besonders östl. vom Nilthale von felsigen, von tiefen Thälern durchschnittenen Bergreihen durchzogen, die sich stellenweise zu steinigen und unfruchtbaren Hochflächen, den berüchtigten nubischen Wüsten, ausbreiten, die westl. ohne bestimmte Grenze in die libysche Wüste übergehen. Der Nil bildet auf seinem Laufe merkwürdige Wasserfälle, größere und kleinere fruchtbare Inseln und mit dem Takazze eine Halbinsel, das alte Meroe, welche im frühern Alterthum der Sitz eines berühmten Priesterstaates war. Das Klima N.'s ist sehr heiß, der Regen im Nilthale äußerst selten, Sennaar jedoch genießt noch der regelmäßigen Regenzeit der Tropenländer. Dennoch ist das Land gesund, die Pest dringt nicht bis hierher und nur die Blattern richten zuweilen Verheerung unter den nicht zahlreichen Bewohnern an, welche aus eigentlichen Nubiern, in ihrer Sprache Barabras genannt und durch Körperbildung, braune Hautfarbe und Sprache von allen umwohnenden Völkern gänzlich verschieden, aus Negern, ansässigen und wandernden Arabern, Schilluks, Türken, auch Juden bestehen. Die herrschende Religion ist die mohammedanische; in einigen Gegenden leben koptische Christen, viele Einw. aber sind auch noch Heiden. Die ansässige Bevölkerung lebt meist in kleinen Ortschaften, deren Häuser Erdwände haben und mit Schilf und Stroh gedeckt sind; von den Nomaden sind viele zugleich Räuber. Landeserzeugnisse sind: berühmte Pferde, Kameele, Rindvieh und ähnliche Hausthiere; Löwen, Hyänen, im S. Elefanten und überhaupt die Thierwelt des mittlern und südl. Afrika (s.d.). Palmen, Sennapflanzen und einige Gesträuche sind im N. fast Alles, was das Pflanzenreich von selbst darbietet; angebaut werden: Weizen, Reis, Gerste, Bohnen, Linsen, Taback, Baumwolle, etwas Wein u.s.w. Freigebiger ist die Natur im S., wo große Waldungen vorkommen und der Baobab oder Affenbrotbaum (s.d.) seine Riesenzweige ausbreitet; Steinsalz kommt an mehren Orten vor, Gold wird aus Flußsand und durch Bergbau, sowie Silber gewonnen und die auf Kosten des Pascha von Ägypten, Mohammed Ali, dessen Oberherrschaft die kleinen Fürsten und Häuptlinge des Landes seit 1821 anerkennen, neuerdings von östr. Bergbauverständigen in Sennaar vorgenommenen Untersuchungen sollen die ansehnlichste Erhöhung der bisherigen Ausbeute versprechen.

Das auch vorzugsweise Nubien genannte Gebiet von der ägypt. Grenze bis in die Nähe der Vereinigung des Takazze mit dem Nil, hat wenig urbaren Boden, der wegen der hohen Lage nur mittels Schöpfräder bewässert werden kann. Hauptorte sind: Neu-Dongola am westl. Nilufer; Ambukol mit einem festen Schlosse; Derri; Edabbe, wo die nach Kordofan und Sennaar gehenden Karavanen sich trennen. Unweit des Zusammenflusses des Nil und Takazze liegt die Stadt Damer, welche einen kleinen Staat unter Herrschaft eines mohammedanischen Oberpriesters, Fakir el Kebir, bildet, dessen Würde in seiner Familie erblich ist und wo sich berühmte Schulen befinden. Südlicher folgt zwischen dem Nil, Takazze und Abyssinien das Gebiet Shendy mit der gleichnamigen Hauptstadt, wo viele Handelskaravanen aus S. und N. zusammentreffen. Auch geht von da die Handelsstraße nach Suakim, welches 3000 Einw. hat, an einer tiefen Bai des rothen Meeres liegt und der Haupthafen von Nubien ist. In beiden Gebieten findet man an den Nilufern zahlreiche Ruinen alter Städte, Felsentempel und Gräber mit den merkwürdigsten Überresten von Kunstdenkmalen wie in Ägypten. Westlich vom Bahr el Abiad liegt die. Provinz Kordofan, eine im S. waldige und bergige, ziemlich gut bewässerte Hochebene, früher eine Menge kleiner Negerstaaten, welche von dem benachbarten Darfur abhängig waren. Zwischen dem Bahr el Azrek und Bahr el Abiad und östl. vom ersten, liegt Sennaar südl. [310] an Abyssinien und unbekannte Gegenden grenzend, die von Negern bewohnt werden, welche sich Fungi, d.h. Sieger, nennen, wovon auch das Land Dar Fungi heißt. Sie gründeten hier im 16. Jahrh. den Negerstaat Sennaar, dessen Könige aber jetzt ägypt. Vasallen sind. Es wird von hier aus ein lebhafter Handel nach N. betrieben und die Hauptstadt Sennaar am westl. Ufer des Bahr el Azrek auf einer Höhe gelegen, soll 10,000 Einw. haben. Andere Orte sind: Dernira, Gheni, Harbagi, Halfaia am Zusammenflusse der zwei Hauptquellflüsse des Nils.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 310-311.
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