Gail, Sophie

[291] Gail, Sophie, geborne Garre, die Tochter eines Wundarztes und seit 1794 Gattin des Professors Gail, von dem sie sich jedoch nach wenigen Jahren trennte, zeigte schon als Kind ein außerordentliches [291] Talent für die Musik, und war noch nicht 12 Jahre alt, als ein Heft Romanzen von ihrer Composition die Aufmerksamkeit aller Freunde der Tonkunst auf sich zog. Nach ihrer Trennung von ihrem Gatten kehrte sie mit verdoppelter Liebe zur Kunst zurück, und versäumte keine Gelegenheit, sich in derselben auszubilden. Sie unternahm zu diesem Endzwecke eine Reise nach Spanien und fand daselbst die reichste Ernte, indem sie die klangreichen Volkslieder sammelte, deren düsterer Charakter die Spuren morgenländischen Ursprungs und das originelle Gepräge der Schicksale des Landes trägt, dem sie angehören. Nach ihrer Rückkehr und nachdem sie noch einige Jahre dem anhaltendsten Studium der Musik sich gewidmet hatte, trat sie mit ihrer ersten Oper auf. »Les deux jaloux« wurden mit ungewöhnlichem Beifall aufgenommen; derselbe Empfang ward ihrem zweiten Werke »Demoiselle de Launay dans la bastille« zu Theil, und das letzte Produkt ihrer Feder »la Sérénade« flocht der geistreichen Frau den schönsten Lorbeer in den Kranz, den ihr der seltene Fleiß, mit dem sie während eines ganzen Lebens an der Entwickelung der glänzendsten Anlagen für die Kunst, in deren Ausübung sie starb, gearbeitet, längst gewunden hatte. Madame Gail starb, erst 43 Jahre alt, an einer abzehrenden Krankheit, beweint von ihren Freunden, denn sie war auch in ihrem Privatleben von Allen geschätzt und geliebt, betrauert von der Kunst, deren eifrigste Jüngerin sie gewesen.

X.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 291-292.
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