Minne

[195] Minne (vom altdeutschen minnôn d.h. liebend gedenken, lieben), treues Gedenken an die Götter, verstorbene od. abwesende Personen, bei den heidnischen Deutschen sich dadurch offenbarend, daß sie bei ihren Opfern und Zechgelagen M. tranken d.h. den Göttern, Verstorbenen u. abwesenden Freunden den ersten Becher weihten. Im Mittelalter war die Erklärung des Wesens der M. ein ebenso unerschöpflicher Gegenstand der Dichter, wie noch heute das Wesen der Liebe. Am besten ließe sich M. mit: heilige, ideale Liebe übersetzen, da in der schönsten Zeit des Mittelalters die Marienverehrung der Frauenliebe überhaupt himmlischen Schwung und Zauber verlieh, die Dichter von der M. als einer von Begehrlichkeit u. Selbstsucht freien, ehrfurchtsvoll zu dem Glanz u. der Reinheit der Geliebten emporschauenden Neigung reden, der heil. Jungfrau selber viele M.lieder gesungen wurden und noch die spätern Mystiker und Prediger z.B. Berthold von Regensburg, Suso, das Verhältniß der Menschenseele zu Gott durchaus als »minnigliches« auffassen. Wie wenig übrigens die Liebe zu irdischen Frauen geeignet sei, sich mit dem stillen Sehnen u. himmlischer Reinheit der M. zu begnügen, läßt sich an manchem Gesange Walthers von der Vogelweide bereits stark verspüren. Wie rasch der Gottesdienst der M.sänger vom Frauen- und Herrendienst sich löste und die Frauen-M. in Abgötterei und Narrheit ausartete, dafür lieferte schon Ulrich von Lichtenstein (s. d.) in seinem »Frauendienst« ein auffallendes Zeugniß. M. wurde gleichbedeutend mit geschlechtlicher Liebe, sowohl der edleren als gemeinen. – M.höfe, cours dʼamour, s. Liebeshöfe. – M.sold, Lohn der Liebe.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 195.
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