Tarantel

[321] Tarantel (Tarantula Walck.). Gattung der Webspinnen aus der Familie der Zweilungigen (Dipneumones), Wolfsspinnen, deren vordere Kopffläche steil abfällt und oben auf einer Querschwiele die vier vordersten, kleinen Augen trägt; je zwei große Augen stehen in den beiden hintern Reihen, und eine mehrzähnige, stark entwickelte Klaue bewehrt die weiblichen Taster. Sie erjagen meist nur nachts ihre Beute im Laufe. Die apulische T. (T. Apuliae Walck., Lycosa tarantula L., s. Tafel »Spinnentiere II«, Fig. 3), 3,5 cm lang, rehfarben, auf dem Hinterleib mit schwarzen, rötlichweiß eingefaßten Querstrichen, am Bauch mit schwarzer Mittelbinde, auf dem Vorderleibe schwarz, rötlich gezeichnet, lebt in Spanien und Süditalien, baut einen etwa 30 cm langen Gang in die Erde, tapeziert diesen mit Gespinst und überwintert darin, nachdem sie ihn mit versponnenen Blättern etc. verschlossen hat. Im Sommer jagt sie auf Heuschrecken und andre Insekten. Den weißen Eiersack, der 600 bis 700 Eier enthält, schleppt sie mit sich herum, die im Hochsommer ausgeschlüpften Jungen bleiben in der Nähe der Mutter, bis sie selbständiger geworden sind. Man hat früher und bis in die neueste Zeit geglaubt, der Biß der T. erzeuge im S. und in der heißesten Jahreszeit Schmerz, Entzündung, Ermattung, Unbehagen, Zuckungen, große Reizbarkeit, Melancholie und Tobsucht und gab an, daß die Kranken den Anblick gewisser Farben nicht ertragen könnten, daß der Zustand durch musikalische Dissonanzen verschlimmert werde. Als bestes Heilmittel galt ein wilder Tanz (Tarantella), der nach zwei alten Melodien getanzt wurde. Gerieten die Tanzenden dabei in starken Schweiß, und verfielen sie dann in tiefen Schlaf, so waren sie geheilt. Man weiß jetzt, daß der Biß der T. gewöhnlich keine schweren Erscheinungen nach sich zieht, und daß die ältern Angaben auf Aberglauben und Übertreibungen zurückzuführen sind. Im Mittelalter trat dann in Apulien und andern Teilen Italiens eine Tanzseuche (Tarantismus) auf, die aber mit der Spinne gar nichts zu tun hatte, sondern auf einer Art psychischer Ansteckung beruhte. Vgl. Bergsöe, Über die italienische T. und den Tarantismus (dän., Kopenh. 1865); Kobert, Beiträge zur Kenntnis der Giftspinnen (Stuttg. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 321.
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