§. 5.

[6] Das bedaurlichste ist, daß unsere heutigen Instrumentmacher sich bey Verfertigung ihrer Arbeit so gar wenig Mühe geben.3 Ja was noch mehr? Daß ein ieder nach seinem Kopfe und Gutgedünken so hin arbeitet, ohne einen gewissen Grund in einem oder dem andern Stücke zu haben. Zum Beyspiel: Der Geigenmacher hat etwa durch die Erfahrung zu seiner Regel angenommen, daß bey einem niedern Zarge das Dach höher gewölbt seyn müsse; daß hingegen, wenn der Zarge hoch ist, das Dach etwas weniger gewölbt und erhöhet seyn könne: und dieß wegen der Fortpflanzung des Klanges; damit nämlich der Klang durch das Niedere des Zarges oder des Daches nicht zu sehr unterdrücket werde. Er weis ferner, daß der Boden im Holze stärker als das Dach[6] seyn müsse; daß sowohl das Dach als der Boden in der Mitte mehr Holz als auf den Seiten haben sollen; daß übrigens eine gewisse Gleichheit in der sich verlierenden oder allmählig wieder anwachsenden Holzdicke zu beobachten sey, und er weis solche durch den Greifcirkel zu untersuchen, u.s.f. Woher kömmt es denn, daß die Violinen so ungleich sind? Woher kömmt es, daß eine laut, die andere still klinget? Warum hat diese einen, so zu sagen, spitzigen; jene einen recht hölzernen; diese einen rauhen, schreienden; jene einen traurigen und betäubten Ton? Man darf nicht viel fragen. Alles dieses rühret von der Verschiedenheit der Arbeit her. Ein ieder bestimmet die Höhe, die Dicke, u.s.w. nach seinem Augenmaaß, ohne sich auf einen zureichenden Grund fussen zu können: folglich geräth es einem gut, dem andern schlecht. Dieß ist ein Uebel, welches der Musik wirklich viel von ihrer Schönheit entziehet.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 6-7.
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