Organisation der Gesamtausgabe

[16] Die vorliegende erste Gesamtausgabe, die sich nicht nur auf die Briefe Mozarts, sondern auch auf die Briefe der Familie ausdehnt und das Geburts- und das Todesjahr des Meisters als Zeitgrenzen annimmtzieht in erster Linie die Originalquellen heran und stützt sich nur dann ausnahmsweise zur Erzielung möglichster Vollständigkeit mit Vorsicht [16] auf Nissen und Nachfolger sowie auf Abschriften, wenn jene versiegten. Diejenigen Briefe, denen nicht die Autographen oder nur Teile derselben zugrunde gelegt werden konnten, sind dadurch kenntlich gemacht, daß sie vor ihren Nummern Sternchen * erhielten.

Die benutzten zahlreichen Autographen wurden fast durchweg zum ersten Male diplomatisch getreu und vollständig wiedergegeben. Stil, Darstellung und Interpunktion, auch die Orthographie blieben völlig unberührt, wie in den einzelnen Schriftstücken auch bei Wortwiederholungen und dergleichen keine Änderungen erfolgten. Nur die stereotypen Adressen auf den Umschlägen oder Außenseiten der Briefe wurden geopfert, und von den »Bäslebriefen« einige wenige, nebensächliche Worte, die als eine Wiederholung oder eine zu kräftige Steigerung vorhergehender derber Äußerungen erschienen, lediglich aus ästhetischen Rücksichten unterdrückt. Die Vornahme von weiteren Streichungen in diesen und anderen Briefen hätte den Charakter der einzelnen Vorlagen zerstört und der Wahrheit nicht gedient. Die Briefe, die Mozart mit der Familie wechselte, liefen zwischen der jeweiligen Reisestation, der Salzburger Heimat sowie Wien, und trugen auf den Adressen die entsprechenden Ortsbezeichnungen. Diese wurden, soweit sich Ausnahmen ergaben oder ferner stehende Personen in Betracht kamen, den Briefnummern beigefügt. Der Beginn neuer Schriftseiten und -zeilen der Autographen wurde nur dann eigens bemerkt, wenn sich hierdurch für Form oder Inhalt charakteristische Merkmale ergaben.

Die Orthographie, deren Beibehaltung hier zur Wahrung des Kolorits von Ort und Zeit beiträgt, führte hinsichtlich der Schreibweise großer und kleiner Buchstaben und dergleichen freilich öfters zu Schwierigkeiten, die wohl nur durch eine vollständige Faksimilierung der Schriftstücke hätten ganz behoben werden können. Wo Drucke und Abschriften Verwendung fanden, wurde deren Schreibweise angenommen.

Nach reiflicher Überlegung fiel dann aus einer Reihe von gewichtigen Gründen die Entscheidung zugunsten einer Trennung der Briefe des Schreibers und der Empfänger. Das Bild Mozarts hätte [17] bei einer Einreihung seiner Briefe unter die häufig recht ausgedehnten Schriftstücke der Familie an Geschlossenheit eingebüßt und wäre in der Fülle des Materials untergegangen, wie auch umgekehrt die Familienbriefe darunter empfindlich gelitten hätten. Anordnung und Anlage des Druckes wie die einzelnen Hinweise dürften auch in dieser Fassung unschwer die Lektüre der zusammengehörigen Briefe und die Herstellung jeglicher Zusammenhänge ermöglichen.

Einer besonderen Begründung für die Aufnahme der Briefe der Familie bedarf es wohl heute nicht mehr. In den Briefen des Vaters wurden mit Rücksicht auf eine leichtere Verständlichkeit die häufig durch Schnörkel ersetzten End- und Mittelsilben ausgedruckt, und Schnörkel und Punkte nur dort festgehalten, wo sie als wirkliche Abkürzungen auftraten. Von den Briefen der Familie erfolgte aus Raumersparnis dann eine Ausscheidung oder eine fragmentarische Wiedergabe, wenn sie mit Mozart in keiner näheren Beziehung standen, weder an ihn oder an Familienmitglieder gerichtet waren, noch über ihn handelten. So blieb die Geschäftskorrespondenz des Vaters mit Lotter in Augsburg und Breitkopf in Leipzig fast ganz unberücksichtigt, von Briefen des Vaters an Hagenauers in Salzburg und an die verheiratete Tochter in St. Gilgen fanden nur wichtige, sich auf Mozart beziehende Stellen Aufnahme. Die Briefe der Mutter von der Mannheimer und Pariser Reise wurden voll ständig wiedergegeben, da die bisher bekannt gewordenen wenigen Stücke keinen rechten Einblick in ihr Wesen zulassen. Einzelne allgemeine Dokumente, welche sich mit den Mitteilungen der Briefe berühren und teilweise noch nicht im genauen Wortlaut gedruckt sind, mußten ebenso wie ein Teil der aufschlußreichen Briefe, die Constanze wegen des Mozartschen Nachlasses an André in Offenbach a.M. richtete, auf eine Veröffentlichung an anderer Stelle aufgespart werden.

Die von Mozart und der Familie verwendeten Chiffren wurden beibehalten. Ihre Beseitigung hätte die Lektüre einzelner Briefstellen zwar etwas erleichtert, aber auch das Bild der Originale zerstört. Kurze Anmerkungen und die Dechiffrierungen wurden gleich den einzelnen Briefen beigesetzt, speziellen Bemerkungen und Nachweisen [18] dienen die Erläuterungen am Schlusse der einzelnen Briefbände. Auf eine Erklärung süddeutscher Dialektwörter, die sich noch heute im Sprachgebrauch erhalten haben, durfte wohl verzichtet werden.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. XVI16-XIX19.
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