Zweiter Teil

Mahācundo

[313] 141

Gehörig hören übt das Ohr,

Erfahrung fördert weisen Witz,

Gewitzigt sieht man wohl den Sinn,

Gesehner Sinn erholt uns Heil.


[313] 142

An öden Orten, einsam abgeschieden

Sei Hang und Haften rüstig ausgerodet;

Und ist Erfüllung also unerfindbar:

Mit Brüdern weile, selber Bruder, sinnig.


Jotipālo

143

Wer hart und heftig Menschen quält,

Gar vielgestaltig ungestüm

Mit manchem Mittel, mancher Tat,

Mit rauhem Worte, rohem Werk,

Der sät für sich den Samen aus:

Denn keine Tat kann untergehn.


144

Und was der Mensch auch wirken mag,

Verdammte Taten, edles Werk:

Der Erbe ist er überall,

Der Erbe aller eignen Tat.


Heraññakāni

145

Es fliehn die Tage flüchtig hin,

Das Leben läuft gar eilig ab:

Ersterbend stockt es, sickert ein,

Gleichwie das Rinnsal rasch versiegt.


146

Und Übel übend, arge Tat

Vergeht sich gern der Tor, betört:

Doch bitter muß er büßen dann,

Genießen reif die Sündensaat.


[314]

Somamitto

147

Gleichwie man scheitert auf der See,

Nach morschem Holze hascht, versinkt,

Versinkt ein Frommer kläglich oft,

An faulen Freund sich klammernd fest:

Und also wehr' ihm, weis' ihn ab,

Den schwachen Freund, den schwanken Freund!


148

Mit Weltentwundnen weltentwirkt,

In Schauung selig selbstversenkt,

Beständig standhaft, herrlich hehr,

Mit lichten Helden lebe hell.


Sabbamitto

149

Der Mensch gesellt sich Menschen zu,

Der Mensch, er will mit Menschen sein,

Der Mensch, er stößt am Menschen an,

Gestoßen stößt sich Mensch an Mensch.


150

Was muß denn einer Menschen sehn,

Was braucht er Menschen, Menschenbrut?

Den Menschen lasse, lasse Leid

Und stoß' die Menge mächtig ab!


Kāḷo

151

Ein braunes Mädel, üppig, elsterähnlich,

Gemach die Schenkel schaukelnd, wohlgefällig,

Die Arme offen, brünstig ausgebreitet,

Die Zähne zeigend, voll geformte Brüste,

Am Lager liegt es, wartet auf Gewährung.


[315] 152

Wer ungewitzigt angewurzelt haftet

Erleidet lässig immer wieder Elend:

Entwurzelt will ich weise nimmer haften,

Das Haupt nicht lau verlieren, hoch erheben.


Tisso (III)

153

Gar manche Feinde regt er auf,

Der kahle Mönch im Kuttenrock,

Der Trank und Speise leicht erlangt

Und Pilgerobdach, Pilgerwams.


154

Wer also argen Kummer ahnt,

Im lauten Lobe viel Gefahr:

Als Pilger soll er, unversucht,

Gebührlich betteln karge Kost.


Kimbilo (II)

155

Im Osthain, wo der Bambus blüht,

Verweilen Sakyersöhne sanft,

Verzichten gern auf zeitlich Gut,

Mit Bettelresten billig reich.


156

In ernstem Eifer, zäher Zucht,

Beständig standhaft, unverzagt,

Entzückt sie Wahrheit wonnevoll,

Von Weltenwonnen abgewandt.


Nando

157

In eitel Dünkel, eitel Tand

Verlebt' ich lustig Tag um Tag,

In starrem Stolze, nie gestillt,

Genarrt von wilder Wunschbegier.


[316] 158

Der kundig manches Mittel kennt,

Der Siegesherr, der Sonnenheld,

Er hat mich heilig aufgeklärt:

Die Lebensklammer ist gelöst.


Sirimā

159

Man lobt und preist ihn da und dort,

Im Innern wütet Willenswahn:

Man lobt und preist ein leeres Wort,

Im Innern wütet Willenswahn.


160

Man schimpft und schilt ihn da und dort,

Im Innern waltet Willensruh:

Man schimpft und schilt ein leeres Wort,

Im Innern waltet Willensruh.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 313-317.
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