Gehörig hören übt das Ohr,
Erfahrung fördert weisen Witz,
Gewitzigt sieht man wohl den Sinn,
Gesehner Sinn erholt uns Heil.
[313] 142
An öden Orten, einsam abgeschieden
Sei Hang und Haften rüstig ausgerodet;
Und ist Erfüllung also unerfindbar:
Mit Brüdern weile, selber Bruder, sinnig.
Wer hart und heftig Menschen quält,
Gar vielgestaltig ungestüm
Mit manchem Mittel, mancher Tat,
Mit rauhem Worte, rohem Werk,
Der sät für sich den Samen aus:
Denn keine Tat kann untergehn.
Und was der Mensch auch wirken mag,
Verdammte Taten, edles Werk:
Der Erbe ist er überall,
Der Erbe aller eignen Tat.
145
Es fliehn die Tage flüchtig hin,
Das Leben läuft gar eilig ab:
Ersterbend stockt es, sickert ein,
Gleichwie das Rinnsal rasch versiegt.
146
Und Übel übend, arge Tat
Vergeht sich gern der Tor, betört:
Doch bitter muß er büßen dann,
Genießen reif die Sündensaat.
147
Gleichwie man scheitert auf der See,
Nach morschem Holze hascht, versinkt,
Versinkt ein Frommer kläglich oft,
An faulen Freund sich klammernd fest:
Und also wehr' ihm, weis' ihn ab,
Den schwachen Freund, den schwanken Freund!
148
Mit Weltentwundnen weltentwirkt,
In Schauung selig selbstversenkt,
Beständig standhaft, herrlich hehr,
Mit lichten Helden lebe hell.
Der Mensch gesellt sich Menschen zu,
Der Mensch, er will mit Menschen sein,
Der Mensch, er stößt am Menschen an,
Gestoßen stößt sich Mensch an Mensch.
Was muß denn einer Menschen sehn,
Was braucht er Menschen, Menschenbrut?
Den Menschen lasse, lasse Leid
Und stoß' die Menge mächtig ab!
Ein braunes Mädel, üppig, elsterähnlich,
Gemach die Schenkel schaukelnd, wohlgefällig,
Die Arme offen, brünstig ausgebreitet,
Die Zähne zeigend, voll geformte Brüste,
Am Lager liegt es, wartet auf Gewährung.
[315] 152
Wer ungewitzigt angewurzelt haftet
Erleidet lässig immer wieder Elend:
Entwurzelt will ich weise nimmer haften,
Das Haupt nicht lau verlieren, hoch erheben.
Gar manche Feinde regt er auf,
Der kahle Mönch im Kuttenrock,
Der Trank und Speise leicht erlangt
Und Pilgerobdach, Pilgerwams.
154
Wer also argen Kummer ahnt,
Im lauten Lobe viel Gefahr:
Als Pilger soll er, unversucht,
Gebührlich betteln karge Kost.
Im Osthain, wo der Bambus blüht,
Verweilen Sakyersöhne sanft,
Verzichten gern auf zeitlich Gut,
Mit Bettelresten billig reich.
In ernstem Eifer, zäher Zucht,
Beständig standhaft, unverzagt,
Entzückt sie Wahrheit wonnevoll,
Von Weltenwonnen abgewandt.
In eitel Dünkel, eitel Tand
Verlebt' ich lustig Tag um Tag,
In starrem Stolze, nie gestillt,
Genarrt von wilder Wunschbegier.
[316] 158
Der kundig manches Mittel kennt,
Der Siegesherr, der Sonnenheld,
Er hat mich heilig aufgeklärt:
Die Lebensklammer ist gelöst.
Man lobt und preist ihn da und dort,
Im Innern wütet Willenswahn:
Man lobt und preist ein leeres Wort,
Im Innern wütet Willenswahn.
160
Man schimpft und schilt ihn da und dort,
Im Innern waltet Willensruh:
Man schimpft und schilt ein leeres Wort,
Im Innern waltet Willensruh.
Buchempfehlung
Im Kampf um die Macht in Rom ist jedes Mittel recht: Intrige, Betrug und Inzest. Schließlich läßt Nero seine Mutter Agrippina erschlagen und ihren zuckenden Körper mit Messern durchbohren. Neben Epicharis ist Agrippina das zweite Nero-Drama Daniel Casper von Lohensteins.
142 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro