111

[631] Unsre Eitelkeit ist gerade dann am schwersten zu verletzen, wenn eben unser Stolz verletzt wurde.


112

Wer sich zum Schauen und nicht zum Glauben vorherbestimmt fühlt, dem sind alle Gläubigen zu lärmend und zudringlich: er erwehrt sich ihrer.
[631]


113

»Du willst ihn für dich einnehmen? So stelle dich vor ihm verlegen –«


114

Die ungeheure Erwartung in betreff der Geschlechtsliebe und die Scham in dieser Erwartung, verdirbt den Frauen von vornherein alle Perspektiven.


115

Wo nicht Liebe oder Haß mitspielt, spielt das Weib mittelmäßig.


116

Die großen Epochen unsres Lebens liegen dort, wo wir den Mut gewinnen, unser Böses als unser Bestes umzutaufen.


117

Der Wille, einen Affekt zu überwinden, ist zuletzt doch nur der Wille eines andern oder mehrerer andrer Affekte.


118

Es gibt eine Unschuld der Bewunderung: der hat sie, dem es noch nicht in den Sinn gekommen ist, auch er könne einmal bewundert werden.


119

Der Ekel vor dem Schmutze kann so groß sein, daß er uns hindert, uns zu reinigen – uns zu »rechtfertigen«.


120

Die Sinnlichkeit übereilt oft das Wachstum der Liebe, so daß die Wurzel schwach bleibt und leicht auszureißen ist.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 631-632.
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