Preußische Mythologie

[565] Preußische Mythologie. Die Nachrichten über das Heidenthum der alten Preußen, welches mit dem der Lithauer verwandt war, sind ziemlich unsicher, da die Chronisten, aus welchen sie geschöpft sind, der Bischof Christian u. S. Grunau, sie zum Theil erdichtet haben. Nach dem Chronisten Peter von Dusburg sollen die alten Preußen erst Sonne, Mond u. Sterne, nachher aber die Elemente, Kräfte u. Erscheinungen der Natur verehrt haben; nach Grunau hatten sie drei Hauptgötter: Perkunos, Gott des Donners; Pikollos, Gott alles Schreckens u. des Todes; u. Potrimpos, Gott des Glücks, der Freude u. des Friedens; als Emanationen aus Potrimpos wird dann eine zweite Trias angegeben, bestehend aus: Curche (Curchos), Wurskait u. Schwibrat (Ischwambrat), von denen namentlich der erstere als Geber der Nahrungsmittel allgemein hoch verehrt wurde. Als eine dritte Ordnung gelten Okopirn, Schwaixtix, Ausschweyt, Antrimpos, Potrimpos, Perdoyt, Pergubrios, Pelwit, Perkunos, Pikollos, Potollos, Puschkayt; da in dieser Reihe auch die drei Hauptgötter wieder vorkommen, so glaubt man, daß sie früher Stammgötter waren u. nachher allgemeine Götter des ganzen Volkes wurde. Als Göttinnen wurden verehrt Jawine, Melletele, Laima, Giltine u.a. Eine Art Mittelwesen zwischen Göttern u. Menschen, Hausgeister, waren die zwergartigen Barstükke u. Markovete, deren Oberhaupt der Erdgott Puschkayt war. Die Preußen glaubten an eine Fortdauer nach dem Tode; der Zustand dort richtete sich nach der Religiosität im Leben; die, welche die Götter gefürchtet u. dem Oberpriester gehorcht hatten, lebten in Freude u. Luft; die andern dagegen in Mangel u. Elend. Die heiligen Haine hießen Romowe, der angesehenste war der in Samland od. Nadraunen; in denselben wohnte der Oberpriester Griwe (Criwe, Grivaito), u. sie durften von Laien nicht betreten werden. Der Griwe war der oberste Verweser von allem, was Götterdienst betraf, unterhielt den drei Obergöttern ein ewiges Feuer bei der heiligen Eiche, versammelte hier das Volk, that demselben die Beschlüsse der Götter kund u. sprach Recht. Seine Würde war lebenslänglich, aber nicht erblich; er wurde von den Priestern gewählt, erhielt von aller Beute den dritten Theil u. lebte ehelos. Die Unterpriester (Waidelotten, Waidels, d. i. Wissende, Seher) waren einzelnen Gottheiten zugetheilt; sie lebten ehelos; die drei vornehmsten waren: die Griwaiten, mit welchen der Griwe die Gerichtsbarkeit übte; die Siggonen od. Siggonoten, d. i. Segensspender, welche um die Romowe's wohnten, u. die Wurskaiten; ferner: die Ligassonen od. Tulissonen, welche die Festlichkeiten zu Ehren der Todten veranstalteten u. deren Lob verkündigten; Puttonen, welche aus dem Schaum des Wassers weissagten; Pustonen, welche Wunden u. Ausschläge durch ihren Hauch heilten; Burtonen, Saitonen, Swakonen etc. Es gab auch Priesterinnen. Der gewöhnliche Gottesdienst bestand in der Unterhaltung des ewigen Feuers für Perkunos; dem Potrimpos wurde eine Schlange geweiht u. gepflegt. Die Feste der Preußen waren meist Naturfeste; das erste war das Frühlingsfest am 22. März, dem Pergubrios geweihet, an welchem dieser Gott um Segen für das Gedeihen der Früchte angerufen wurde, dabei trank man Bier u. tanzte. Bei Anfang der Ernte wurde noch das Fest Zazinck gefeiert, wobei die Männer Bier, die Weiber Brod opferten; nach derselben wurde das Fest Ozinek gefeiert, wobei das mit Ähren geschmückte Bild des Curche auf einer Stange umhergetragen wurde. Die Bockheiligung nach der Ernte geschah unter Auflegung der Hände der Priester u. unter Anrufung der Götter; dann wurde das Blut des geschlachteten Bockes umhergesprengt; es wurde bes. von den Sudauern gefeiert u. war ein Sühnfest; nach dem. Opfer wurde geschmaust u. gezecht u. zuletzt die Überreste des Opfers begraben; bei der Schweinsweihe wurde eben so verfahren. Bei den Todtenfeierlichkeiten wurde eine Mahlzeit gehalten, wobei ohne zu reden gegessen u. ein Theil der Speisen, mit Getränk übergossen, auf die Erde geworfen wurde. Die Opfer bestanden in Früchten u. Thieren, bes. Pferden, dem Pikollos opferte man neben Thieren auch Menschen, z.B. vor dem Kriege, wo man einen Feind zu fangen suchte, welchen der Griwe erstach u. aus dem Blutlauf den glücklichen od. unglücklichen Ausgang des Kriegs weissagte. Dem Potrimpos opferte man Kinder, Getreide u. Weihrauch; dem Curche die Erstlinge von Früchten u. Fischen; dem Perdoyt in Samland Fische, den Barstükke setzte man allerlei Speisen u. andere Dinge vor, um Segen für das Haus zu erhalten. Vgl. Mone, Geschichte des nordischen Heidenthums I., S. 79 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 565.
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