Röhrle

* Das schwäbische Röhrle.

»Korporal Röhrle« ist der schwäbische Münchhausen. Dieser gab übrigens dem norddeutschen nichts nach. Karl Vogt gibt in der Frankfurter Zeitung (1872) unter der Ueberschrift »Münchhausen in Süddeutschland« folgende Probe: »Röhrle diente als Korporal im Heere Napoleon's I. Einmal hielt dieser bei Boulogne eine Heerschau ab. Das Heer stand in einer sechs Stunden langen Linie, an einem Flügel war Röhrle Flügelmann; am entgegengesetzten sechs Stunden entfernten Flügel sah er zwei leuchtende Punkte. Es waren die Augen des Kaisers, der sie auf Röhrle gerichtet hatte. So flog, nach Röhrle's Münchhausiade, Napoleon dahin; er beachtete nicht, wie die Truppen Gewehr präsentirten, die Offiziere salutirten, die Fahnen grüssten, er sah mit den leuchtenden Augen nur auf einen einzigen Mann, auf den letzten Flügelmann, den Korporal Röhrle. Und als er bei diesem angekommen war, parirte er den Schimmel, der plötzlich stand wie eine Mauer und rief mit Donnerstimme, dass die ganze Armee es hörte: ›Röhrle vor!‹ Röhrle trat vor und präsentirte. ›Hat sich wieder einmal ausgezeichnet‹, sagte der Kaiser. ›Bitte er sich eine Gnade aus!‹ ›Brauche keine Gnade, Majestät.‹ – ›Röhrle, Röhrle‹, winkte der Kaiser mit dem Zeigefinger, ›Er ist ein Tausendsakermenter‹, und sprengte wieder an der Front zurück.«


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
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