Sieden

1. Auch im Sieden der Eier ist Vernunft.

Als Boswell einst den Redner Burke fragte, wie er wol den Menschen definiren würde, erwiderte dieser: »Der Mensch ist ein kochendes Thier.« »Die Definition ist gut«, sagte Boswell, »und jetzt verstehe ich erst das alte Sprichwort: Auch im Sieden der Eier ist Vernunft.« (Vgl. Magazin für die Literatur des Auslandes, 1835, S. 42.)


2. Die viel sieden und braten, kommen um Aecker, Wiesen und Matten.

Lat.: Festa Martini saepius iterata consumunt anseres et prata. (Seybold, 180.)


[556] 3. Halb sieden und halb braten, sagte der auracher Rathsherr, als er erwachte.

Das Sprichwort hat folgenden Ursprung. Der Rath zu Aurach liess ein volksfestliches Fischen abhalten. Nach demselben musste eines besondern Vorfalls wegen, bevor man zur Tafel ging, eine Sitzung des Stadtraths abgehalten werden. Einer von den Rathsherren war während der Berathung eingeschlafen und war im Traume noch mit dem eben beendigten Tagesfischzug beschäftigt. »Da man ihn um sein gut Bedünken auch fragte und er gählingen aus dem Schlaf erwacht war, sagte er: Man sollte sie halb sieden und halb braten. Hätt vermeint, man redet von den Fischen. Welche Antwort nachmals weit und breit ist ausgespreitet worden.« (Scheible, Schaltjahr, II, 45.)


4. Lang gesotten, schlecht gebraten.

Mhd.: Je lenger gesotten, ie wirs gebrâten. (Diutisca.) (Zingerle, 139.)


*5. Den mögt ihr sieden oder braten.Simrock, 9523; Eiselein, 568.

In Ulm: Jetzt kannst's siede oder braute.

Frz.: Vous en ferez des choux ou des raves.


*6. Er will sie sieden und braten; aber kommt es zu Thaten, beisst er wie eine Gans.

Von leeren Drohungen.


*7. Es (er) ist weder zu sieden noch zu braten und auch nicht gut roh zu essen.Sailer, 302; Eiselein, 568; Lehmann, 834, 3; Braun, I, 4098.

Er ist in keiner Form zu gebrauchen. »Er dienet weder zu sieden noch zu braten.« (Mathesy, 26b.)

Frz.: Cet homme n'est bon à rien, n'est bon ni à rôtir ni à bouillir, n'est bon à aucune sauce. (Kritzinger, 624a.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 556-557.
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