Unterthanenverstand

* Er hat (es ist) nur beschränkten(r) Unterthanenverstand.

Diese sprichwörtliche Redensart, welche meist nur ironisch gegenüber einer ihre Regierungseinsicht überschätzenden Amtsweisheit zur Anwendung kommt, verdankt ihren Ursprung einem Schreiben des preussischen Ministers von Rochow an Jakob van Riesen in Elbing, der in einem Briefe an denselben seine und seiner Mitbürger Theilnahme für die sieben, wegen ihrer Verfassungstreue entlassenen göttinger Professoren ausgesprochen hatte. (Vgl. Polit. Todtenschau, Kiel 1859, S. 60.) Es ist jedoch zu bemerken, dass das Wort in der Form, wie es jetzt sprichwörtlich besteht, von dem genannten Minister nicht ausgesprochen, sondern erst vom Volke in diese Form gebracht worden ist. Die Sache verhält sich so: Als im Jahre 1837 der König von Hannover die Verfassung aufhob, erhielten die sieben Professoren aus ganz Deutschland Zustimmungserklärungen. Da einer derselben, Prof. Albrecht, gebürtig aus Elbing war, so ward eine solche Adresse auch von Einwohnern Elbings an ihren Landsmann, den Prof. Albrecht, gerichtet, die von Prince Smith verfasst war. Jakob van Riesen sandte dem Minister von Rochow eine Abschrift davon und erhielt eine Antwort, deren Original sich in der elbinger Stadtbibliothek befindet und die bei Büchmann (8. Aufl., 271 fg.) vollständig abgedruckt ist. In derselben heisst es: »Es ziemt dem Unterthanen, seinem König und Landesherrn schuldigen Gehorsam zu leisten; aber es ziemt ihm nicht, die Handlungen des Staatsoberhaupts an den Massstab seiner beschränkten Einsicht anzulegen und sich in dünkelhaftem Uebermuthe ein öffentliches Urtheil über die Rechtmässigkeit derselben anzumassen.« Aus diesem letztern Satze hat der Volkswitz, der die Kürze liebt, die sprichwörtliche Redensart gebildet.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 1484.
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