Hochzeit-Karmen

Glücklich bist du junger Mann,

Der ein Weib gefunden,

Die kein andrer leiden kann,[32]

Du bist fest verbunden;

Ohne Argwohn bleibt dein Herz

Bei der Jungfrau Kranze,

Lachend weicht der leere Scherz

Von dem Hochzeittanze.


Du nur kennest ihren Reitz,

Andern scheint sie häßlich,

Doch sie bringet deinem Geitz

Reichthum unermeßlich;

Geld zu zählen ist dein Glück,

Liebe stört dich nimmer,

Und du siehst im schielen Blick

Nur des Gelds Geflimmer.


Hat Rubinen im Gesicht

Satan ihr gedroschen,

Ist die eitle Lust doch nicht

In dem Weib erloschen;

Täglich tüncht sie weiß und roth

Ihre falben Wangen,

Und in Kleidern überbot

Alle, die hier prangen.


Eine Brille must du heut,

Dir zur Hochzeit kaufen,

Deren Gläser allezeit

Russig angelaufen;

Wie zur Sonnenfinsterniß

Kannst du so sie schauen,

Und kein blendend Hinderniß

Macht dir vor ihr Grauen.


Zweye machen stets ein Paar,

Schlafe fest und lange,

Eifersucht krümmt dir kein Haar,

Sei davor nicht bange;

Weil es der Gewohnheit List

Kriegst du bald auch Kinder,[33]

Töchter, wie die Mutter ist,

Häßlich auch nicht minder.


Schlag nur alle Spiegel ein,

Eh es morgen helle,

Doppelt wär sonst deine Pein

Armer Schlafgeselle;

Leite ab den glatten Bach,

Laß kein Silber putzen,

Daß bei ihrem Bild kein Ach

Kann der Liebe trutzen.


Zieh mit ihr ins Morgenland,

Wo das Weib den Schleier

Für die Häßlichkeit erfand,

Naht der schöne Freier:

Zieh in jedem Fall von hier

Mit dem lieben Weibe,

Denn beim Stix, ich schwöre dir,

Daß ich sonst nicht bleibe.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 25-26,32-34.
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