An Themiren

[49] Travestiert nach dem Horaz


Ach, würden falsche Schwüre

Durch Zeichen an dir kund!

Verfärbte sich, Themire,

Dein frevelhafter Mund!
[49]

O, daß ein Zahn sich schwärzte.

Meineidige! daß nur

Ein Fingerchen dir schmerzte,

Das sich erhob zum Schwur!


So glaubt' ich, Götter hielten

Noch was auf Treu' und Pflicht,

Und falsche Mädchen spielten

Mit teuern Eiden nicht. –


Doch deinen Reiz erheben

Verbrechen nur noch mehr;

Und immer dichter schweben

Verehrer um dich her.


Frau Venus und ihr Völkchen

Läßt fünf gerade sein.

Von Unmut nicht ein Wölkchen

Hüllt ihre Stirnen ein.


Per Dio! Was noch schlimmer,

Dein Flattersinn ergötzt

Den Schadenfroh, der immer

An heißen Pfeilen wetzt.


Daher in allen Schulen

Befiedert täglich sich

Ein Heer von jungen Buhlen,

Und insgesammt für dich.


Die kommen dann, und zollen

Dir Huldigung und Pflicht.

Die Alten aber trollen

Deswegen sich noch nicht.


Und Alt und Jung umschwärmet

Nun, wie behext, dein Haus.

Man baxet sich, man lärmet – – –

Ach! wo will das hinaus? –


Dich scheut, des Söhnchens wegen,

Die zärtliche Mama;

Und, seines Beutels wegen,

Der geizige Papa.
[50]

Du ängstigst junge Frauen:

Es möchte deinen Wert

Ein Tröpfchen Gunst betauen,

Das ihnen zugehört.


Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 49-51.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1789)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte: Ausgabe 1789

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon