Vierzehnte Szene

[56] Sülzheimer – Josepha – Ottilie.


JOSEPHA zu Ottilie. Ach, da ist es wunderschön droben auf der Alm, da gehen wir nächstens hinauf.[56]

SÜLZHEIMER Josepha und Ottilie erblickend. Da kommen ja zwei Bauernmädel, vielleicht können die mir Bescheid geben? Kommt doch einmal her, Kinder!

OTTILIE. Wie?

JOSEPHA. Reden's mit uns?

SÜLZHEIMER. Natürlich! Sollst mal herkommen, Mizi!

JOSEPHA. Mizi?

SÜLZHEIMER. Oder Pepi –? Dann heißt eben deine Freundin Mizi! Das geht hier doch immer die Reihe herum.

JOSEPHA zu Ottilie. Jesses, der hält uns für ein paar Bauernmadel.

OTTILIE zu Josepha. Das ist ja reizend.

SÜLZHEIMER. Was habt Ihr denn da zu tuscheln?

JOSEPHA zu Ottilie. Lassen wir ihn dabei, – das gibt a Hetz! Zu Sülzheimer. Was wollen denn der gnädige Herr?

SÜLZHEIMER zu Ottilie. Du, Dirndl, willst dir ein paar Kreuzer verdienen?

OTTILIE. Du?

SÜLZHEIMER. Na ja, ich denke, hier im Gebirge sagt man immer »Du« – das weiß ich doch von den Schlierseern.

JOSEPHA. Alsdann gut! Wenn du willst, sagen wir »Du«!

SÜLZHEIMER. Kinder, was seid Ihr aber für ein paar hübsche Mädels – so drall!

JOSEPHA ihn gegen die Schulter stoßend. Aber geh'!

SÜLZHEIMER. Und so frisch. Kneift Ottilie in die Wange.

OTTILIE schlägt ihn auf die Hand.

SÜLZHEIMER seine Hand betrachtend. Und so kräftig! Und die hübschen Kleider, die Ihr habt ... so angenehm fußfrei!

JOSEPHA. Aber was wollen's denn eigentlich?

SÜLZHEIMER. Ihr sollt mich in ein anderes Hotel führen.

JOSEPHA. Ja, wohnen's denn net im Rößl?

SÜLZHEIMER. Nein, das scheint mir überhaupt ein nettes Hotel zu sein!

JOSEPHA. Na, sein's so gut.

SÜLZHEIMER. Einen würdigen alten Gelehrten haben sie oben unter das Dach gelegt, und mir haben sie überhaupt kein Zimmer gegeben.

JOSEPHA. Es wird halt keins mehr da sein.

SÜLZHEIMER. Den Schwindel kenn' ich schon. Wenn ein einzelner Herr kommt und hat keinen Koffer wie ein Haus, der wird nicht angenommen – der kann ja nicht genügend geschröpft werden.[57]

JOSEPHA. Und Sie glauben, daß das die Leute hier tun?

SÜLZHEIMER. Sie werden sich genieren! Aber ich werde dem Herrn Rößlwirt schon meine Meinung sagen.

JOSEPHA. Sie, in dem Haus gibt's kanen Wirt. Da gibt's nur 'ne Wirtin.

SÜLZHEIMER. Ach, daher kommt auch die Wirtschaft. Und da kann man nicht einmal grob werden. Das kenne ich schon – so eine Hotelwirtin lächelt einen immer freundlich an, und nachher bei der Abreise findet man das Lächeln auf der Rechnung.

JOSEPHA. Was Sie sagen! Geärgert. Na, da können's ja froh sein, daß Sie net im Rößl wohnen.

SÜLZHEIMER. Bin ich auch. Aber leider erwartet mich hier ein Herr aus Berlin, ein gewisser Herr Giesecke.

OTTILIE belustigt. Wer? Der Herr Giesecke?

SÜLZHEIMER. Du kennst ihn vielleicht?

OTTILIE lachend. O ja!

SÜLZHEIMER. Was ist denn da zu lachen? Zu Josepha. Die Kleine scheint mir ein bißchen blöd zu sein! Soll übrigens ein netter Herr sein, der Herr Giesecke!

JOSEPHA. So?

SÜLZHEIMER. Mein Vater hat mir gesagt, er wäre der richtige Streithammel!

OTTILIE. Was Sie sagen?

SÜLZHEIMER. Ist er denn wenigstens allein hier?

JOSEPHA. Nein, mit seiner Tochter!

SÜLZHEIMER. Die Tochter ist auch hier? – Na, das hat mir gefehlt!

OTTILIE. Ja, was haben Sie denn gegen de Tochter?

SÜLZHEIMER. Ach, so die Berliner Mädchen, mit der feinen Erziehung, – kann mir schon denken! Reden drei Sprachen und wissen in keiner was Gescheites zu sagen. Die Sorte kenne ich, und Fräulein Giesecke wird wohl auch nicht anders sein!

OTTILIE. Glauben Sie?

SÜLZHEIMER. Da möchte ich darauf schwören! So die richtige »höhere Tochter« – na, wie nennt Ihr denn das hier zu Lande?

JOSEPHA. Sie meinen eine fade Nocken?

SÜLZHEIMER. Fade Nocken! Ganz richtig! Das wird sie wohl sein, das Fräulein!

OTTILIE. Ja, das wird sie wohl sein! Lacht hell auf.

JOSEPHA. Das ist aber auch ... Lacht laut auf.

SÜLZHEIMER. Jetzt lacht die auch! Mädels, Ihr seid zu dumm! Stimmt in das Lachen mit ein. Alle drei lachen. Nun kommt aber endlich und zeigt mir den Weg![58]

JOSEPHA ironisch. Soll ich Euer Gnaden vielleicht auch die Taschen tragen?

SÜLZHEIMER. Nicht nötig, das kann ja der machen! Zum eintretenden Giesecke. Sie, Alter, nehmen Sie mal mein Gepäck!


Quelle:
Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg: Im weißen Rössl. Berlin 16[o.J.], S. 56-59.
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