|
[596] Gegrüßt in deinem Scheine,
Du Abendsonne reine,
Du alter Lilienzweig!
Der du noch hast getragen
In deinen grauen Tagen
So mildes Blütenreich!
Je mehr es sich entfaltet,
Zum Ehrenkranz gestaltet,
Der deine Stirn umlaubt:
Je mehr hast du geneiget,
In Ehrfurcht ganz gebeuget
Dein gnadenschweres Haupt.
Wie ist zu meinem Frommen
Dein freundlich Fest gekommen
In diese ernste Zeit?
Ich war fast wie begraben:
Da kömmst du mich zu laben
Mit seltner Freudigkeit.
Zu dir will ich mich flüchten,
Mein scheues Leben richten,
O Josef, milder Hauch!
Du hast gekannt die Fehle
In deiner starken Seele,
Und die Vergebung auch!
[596]
Was hast du nicht geduldet,
Da in geheim verschuldet
Maria dir erschien?
Und konntest ihr nicht trauen,
Worauf die Himmel bauen,
Und hast ihr doch verziehn!
Und da du mußtest scheiden
Mit deinen lieben beiden:
Wie groß war deine Not!
Die Wüste schien dir lange;
Doch war vom Untergange
Dein liebes Kind bedroht.
Und da er glanzumkrönet:
Wie bist du nicht gehöhnet
Um seine Gotteskraft!
Wie mag, den Groll zu laben,
Dich nicht gelästert haben
Die arge Priesterschaft!
Und gar, wenn gottdurchdrungen
Dich grüßten fromme Zungen
Und priesen laut und weit:
Wie hast du nicht in Zagen
An deine Brust geschlagen
In deiner Sündlichkeit!
So hast du viel getragen,
Unendlich viele Plagen,
Mit freundlicher Geduld,
Und ist in all den Jahren
Manch Seufzer dir entfahren
Und manche kleine Schuld.
Du frommer Held! im Glauben,
Den schrecklich dir zu rauben[597]
Sich alle Welt verband:
Hast können nicht erhalten
Ein unbeflecktes Walten
An deines Jesu Hand.
Was soll ich denn nicht hoffen,
Da noch der Himmel offen,
Und meine Seele still?
Will sich die Gnade nahen:
Ich kann sie wohl empfahen,
So Gott mir helfen will.
Zerrissen in den Gründen
Bin ich um meine Sünden,
Und meine Reu' ist groß.
O hätt' ich nur Vertrauen,
Die Hütte mein zu bauen
In meines Jesu Schoß!
Buchempfehlung
Die vorliegende Übersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen über die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro