[214] Da, wo der Strom der Schotten,
Der Tay vom Felsen springt,
Wo's noch in Schlucht und Grotten
Von Bruce und Wallace klingt,
Am Tay, wo blut'ge Siege
Jedweden Fleck geweiht,
Dort stand auch deine Wiege,
Feldmarschall Jakob Keith.
Es sang die Hochlandsamme
Mit Schlachten dich in Ruh',
Aus ihrem Clan und Stamme
Pries sie die Helden dazu;
Drum, ehe der Bart am Kinne
Dir sproßte noch hervor,
Standst du, voll Mannessinne,
Schon mit bei Sherifmoor.[214]
Du standest bei den Schwachen,
Die Stuarts mußten fliehn,
Es trug auch dich ein Nachen
Gen Frankreichs Küste hin;
Ein Kunst- und Wanderleben
Hob an, von Land zu Land:
Gastrollen tätst du geben,
Den Degen in der Hand.
Du spieltest alle Rollen,
Den Höfling selbst, mit Glück,
Doch schöpfen aus dem vollen
Ließ dich das Ritterstück;
Das war dein Fach, das Kühne,
Der Mut bis in den Tod,
Und mancher schlechten Bühne
Halfst du aus arger Not. –
Es gab nur eine Truppe
Damals von gutem Ruf,
Das war die glänzende Gruppe,
Die Friedrich um sich schuf;
Es suchte sein Theater
Talente weit und breit,
Und siehe, gewinnen tat er
Auch dich auf Lebenszeit.
Nur immer Musterdramen
Gab's da, mal hier, mal dort:
Vor lauter Handlung kamen
Die Spieler kaum zu Wort;
Abwechselnd zu Fuß und zu Rosse
Gab's Lust- und Trauerspiel,
Bei Roßbach, jene Posse
Vor allen wohlgefiel.
Da kam, voll Tod und Wetter,
Von Hochkirch jene Nacht,[215]
Du mußtest auf die Bretter,
O Keith, eh' du's gedacht,
Das gab kein sichres Spielen,
Nur Wirrwarr und Geschrei,
Und wenn Stichworte fielen,
War's vollends erst vorbei.
Der Vorhang sollte fallen,
Du aber, rings bedroht,
Riefst: »Bestes Stück von allen
Bleibt ehrenvoller Tod!«
Und so, im Kugelregen,
Tratst du vom Schauplatz ab –
Laß auf dein Grab mich legen
Dies Lied zum Feldherrnstab.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1898)
|
Buchempfehlung
»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro