Ich weiß, daß mein Erlöser lebt

[375] 1.

Ich weiß, daß mein Erlöser lebt,

Das soll mir niemand nehmen!

Er lebt, und was ihm widerstrebt,

Das muß sich endlich schämen.

Er lebt fürwahr, der starke Held,

Sein Arm, der alle Feinde fällt,

Hat auch den Tod bezwungen.


2.

Des bin ich herzlich hoch erfreut

Und habe gar kein Scheuen

Vor dem, der alles Fleisch zerstreut

Gleich wie der Wind die Spreuen.

Nimmt er gleich mich und mein Gebein

Und scharrt uns in die Gruft hinein,

Was kann er damit schaden!


3.

Mein Heiland lebt! Ob ich nun werd

Ins Todes Staub mich strecken,

So wird er mich doch aus der Erd

Hernachmals auferwecken;

Er wird mich reißen aus dem Grab

Und aus dem Lager, da ich hab

Ein kleines ausgeschlafen.


4.

Da werd ich eben diese Haut

Und eben diese Glieder,[375]

Die jeder jetzo an mir schaut,

Auch was sich hin und wieder

Von Adern und Gelenken findt

Und meinen Leib zusammenbindt,

Ganz richtig wieder haben.


5.

Zwar alles, was der Mensche trägt,

Das Fleisch und seine Knochen,

Wird, wenn er sich hin sterben legt,

Zermalmet und zerbrochen

Von Maden, Motten und was mehr

Gehöret zu der Würmer Heer;

Doch solls nicht stets so bleiben.


6.

Es soll doch alles wieder stehn

In seinem vorgen Wesen,

Was niederlag, wird Gott erhöhn,

Was umkam, wird genesen.

Was die Verfaulung hat verheert

Und die Verwesung hat gezehrt,

Wird alles wiederkommen.


7.

Das hab ich je und je gegläubt

Und fass ein fest Vertrauen.

Ich werde den, der ewig bleibt,

In meinem Fleische schauen;

Ja, in dem Fleische, das hier stirbt

Und in dem Stank und Kot verdirbt,

Da werd ich Gott inn sehen.


8.

Ich selber werd in seinem Licht

Ihn sehn und mich erquicken,

Mein Auge wird sein Angesicht

Mit großer Lust erblicken.

Ich werd ihn mir sehn, mir zur Freud,[376]

Und werd ihm dienen ohne Zeit,

Ich selber und kein Fremder.


9.

Trotz sei nun allem, was mir will

Mein Herze blöde machen!

Wärs noch so mächtig groß und viel,

Kann ich doch fröhlich lachen.

Man treib und spanne noch so hoch

Sarg, Grab und Tod, so bleibet doch

Gott, mein Erlöser, leben.

Quelle:
Paul Gerhardt: Dichtungen und Schriften, München 1957, S. 375-377.
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