Neunzehnter Auftritt

[103] Romantisch schöne Gartengegend. Im Hintergrunde führt eine Blumenbrücke über das Wasser. Am Ende der Brücke ist ein kleiner chinesischer Turm mit einer Glocke. – Sämtliche Anverwandte des Storchischen Hauses treten ein – Genien mit Rosengirlanden tanzen vor ihnen her und formieren verschiedene Gruppierungen.


CHOR.

Bald wird der Schleier schwinden

Und wieder die sich finden,

Die sich getrennt geglaubt.

Durch redliches Bemühen

Wird nun der Argwohn fliehen

Und Ruh bekränz ihr Haupt.[103]

SCHWARZ. Ich hoffe, meine Freunde, redlich zu Herrn Storchs Besserung beigetragen zu haben. Wir werden unser ländliches Fest auf Herrn Storchs Gut mit ruhigem Herzen feiern. Er hat viel erduldet, aber mit ganz andern Gesinnungen erscheint er nun in unserer Mitte. Der Schleier, der seine Sinne umgab, schwindet – er sieht in diesem Augenblicke ein, daß er fünfmal in unglücklicher Ehe lebte und nur er als Mann daran schuld war. Ich bin überzeugt, daß er nun ganz anders von dem schönen Geschlechte denken wird.


Schwarz winkt – die Genien entfernen sich auf beiden Seiten, die Musik währt fort – Storch und Lisette werden von den Genien herausgeführt und sinken sich in die Arme.


STORCH. Liebes Weiberl, du bist wieder mein und sollst es auch bleiben.

ALLE. Viktoria!

STORCH. Herr Schwarz, Sie haben mich verdammt herumgehetzt, es hat mir aber nicht geschadet. Ich habe einsehen gelernt, daß bei einer unglücklichen Ehe meistens der Mann schuld ist. Aber eins möchte ich halt doch noch wissen. Wie's denn mit der weiblichen Treue aussieht – ob denn mein Liserl auch so treu ist wie wir. Wenn Sie mir nur da noch Aufschluß geben könnten.

SCHWARZ. Sie verlangen viel, doch auch dies sei Ihnen gewährt. Wer dort über jene Brücke geht, solange im Turme das Zauberglöckchen läutet, und keine Untreue begangen hat, der wird ohne Gefahr hinüberkommen. Wer aber nicht rein geblieben ist, fällt in den Bach. Nun meine Damen – jenseits der Brücke ist die Tafel serviert, ist's gefällig?

STORCH. Allons, Weiber, geht's hinüber.

LISETTE. Wir haben keine Proben nötig, wir sind so brav.

DIE WEIBER. Wir sind so brav.

STORCH. Aha, fürcht's euch schon, und wir wollen's, es muß sein.

DIE MÄNNER. Jaja!

LISETTE. Nun so überzeugt euch denn, ihr ungläubige Thomasse. Kommt, wir wollen die weibliche Ehre retten.


Musik, währenddem läutet das Zauberglöckchen. Die Weiber gehen unter der Musik über die. Brücke, Lisette zuletzt.


STORCH. Ah, das ist ein Wunder! Kommt, Männer, wir[104] müssen unsere Weiber umarmen. Liserl, wart, ich muß dir ein Busserl geben.

DIE MÄNNER. Ah, das ist ein Freud!


Storch eilt zuerst über die Brücke und plumpst ins Wasser, noch einige fallen hinab.


STORCH. Halt, halt! Bleibt zurück, wir purzeln alle hinunter. Es ist ein Spektakel, kein Mann ist, wie er sein soll. Er wird herausgezogen.

LISETTE. So bestehst du also auf der Probe? Und mich hast du verstoßen wollen? Wer ist denn jetzt braver, die Männer oder die Weiber?

STORCH. Nein, weißt, ich bin nur aus Spaß hineingefallen – ich hab dir wollen eine heimliche Freud machen.

LISETTE. Ich laß mich scheiden.

DIE WEIBER. Wir lassen uns scheiden.

STORCH. Ist der Vetter auch hineingefallen. Ich bitt euch Männer, kniet's euch nieder, wir sein alle nichts nutz, wir müssen uns aufs Bitten verlegen. Die Männer knien nieder. Wir werden's in unserm Leben nicht mehr tun.

LISETTE. Nun, so steh auf, dasmal wollen wir noch verzeihen; aber das ist das letztemal.

FRAU MARTHE zu ihrem Mann. Du freust dich, du kriegst es schon zu Haus.

STORCH. Und jetzt ruft's mit mir: Vivat! Es leben alle braven Frauen!

ALLE. Vivat!


Schlußchor.


Vivat die Frauen!

Flechten und weben

Himmlische Rosen ins irdische Leben.

Hat man ein Weibchen,

Ist man geborgen,

Küßt man das Täubchen,

Fliehen die Sorgen.

Vivat die Frauen! usw.


Allgemeine Gruppe.
[105]

Fußnoten

1 das Land Oberösterreich, die Heimat der fliegenden Händler


2 Charaktername für einen sentimentalen Liebhaber, nach dem Roman ›Herfort und Klärchen‹ von Ch. B. Naubert (1770).


3 Anspielung auf M. Millers ›Siegwart Eine Klostergeschichte (1777).


4 Margarete Maultasch, Gräfin von Tirol (1318-69) wohl nach G.H. Heinses ›Margarete mit dem großen Maul‹ (1797)


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960.
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