Reyen


[74] Reyen der Verlibten


Welche in dem Gesang-Spiel auffgezogen / und Reyen der Bauren / die in dem untergemischten Schertz-Spil erschienen.


1. REYEN.

Ko i Hymen, Hymen ko i / das grosse Sonnen-Licht

Weicht deiner Fackeln Glantz.

Diane selbst verdeckt ihr schamhaft Angesicht

Mit einem Lilien-Krantz.

2. REYEN DER BAUREN.

Ko i / Braut-Gott! ko i zu uns / las grosser Häuser Pracht.

Bey einer dunckeln Glutt

Schertzt sichs nicht minder wol / man libt / man ruft / man lacht

Mit unverfälschtem Mutt!

1. REYEN.

Komm Hymen! und erfrew was sich dir einig gibt /

Weih unser Eh-Bett ein.

Du bists durch den man recht und ewig standhaft libt /

Du trotzest Tod und Pein.

2. REYEN.

Komm Braut-Gott / komm zu uns die wir ohn alle List /

Vnd weit-gesuchte Lust /

Dir opffern wormit du leicht zu versöhnen bist;

Das innerst unsrer Brust.[74]

1. REYEN.

Ko i Hymen, sonder dich bricht Zepter / Stab / und Thron /

Du stützest Reich und Land.

Du schenckst der Fürsten Haupt die herzlichst Ehren-Kron:

Der Ewigkeiten Pfand.

2. REYEN.

Was Zepter / Flegel / Karst / und Gabel / Eeg' und Pflug /

Sind Braut-Gott dir vertraut.

Wo sich kein Libes-Paar durch deine Gunst vertrug;

Ward auch kein Land gebaut.

1. REYEN.

Wie würde sonder dich die Welt so einsam stehn /

Es würde Statt und Kunst /

Vnd was man schätzt in nichts und erste Nacht vergehn /

Als Schatten / Wind und Dunst.

2. REYEN.

Wie würde sonder dich das Feld voll Hecken stehn /

Ja unser Feld-Baw-Kunst

Die würd (und stracks mit ihr die Welt) in nichts vergehn /

Als Nebel / Taw und Dunst.

BEYDE REYEN ZUSAMMEN.

Komm Braut-Gott komm / du must uns all erquicken /

Komm Braut- Gott komm / du must uns beyd' anblicken.

Weil nichts was hoch ohn nidrige kan stehn

Weil nidrig ohn die hohen doch vergehn:

So komm und schütt auff beyder Hütt und Hauß

Dein edle Krafft und reichen Segen aus.

HYMEN vmbgeben mit vier liben. Welche Brautfackeln tragen.

O Selig / wer durch keusches Liben

Jn unverfälschter Trew entglimmt /

Ob schon die Wolcken sich betrüben /

Ob schon der Wetter Zorn ergrimmt;

Doch darff kein Sturm sich an ihn machen /

Er kan der Zeiten Trotz verlachen.
[75]

O Selig die durch mich verbunden

Weit von der schnöden Wollust flihn.

Die in dem Garten sich befunden:

Jn dem die Tugenden auffblühn /

Sie / (wenn gleich andre zagen werden)

Sind in dem Himmel auff der Erden.


Glück zu / du Licht der Pfaltz / du Sonne

Die du Piastus Stamm auffgehst /

Vnd nun sich Phœbus neigt / mit Wonne

Den hochgewüntschten Lauff erhöhst /

Wie raw und lang hat es gewittert

Wie ward der Briger Hauß erschittert.


Doch nun du komst / O Ruhm der Zeiten /

Zeucht Ruh' und Wollust mit dir ein

Holdinnen stehn umb deine Seiten:

Vnd Segen wil Geferte seyn.

Jch bin bemüht den Weg zu zihren

Vnd dich ins Braut-Bett einzuführen.


Georg eröffne Hertz und Schlösser /

Fürst / ob dem Zeit und Nach-Welt starrt.

Schaw Fürst / der Himmel meynt es besser /

Du hast nach Angst / den Trost erhart.

Gepaarte Götter dieser Erden /

Wer kan euch vorgezogen werden.


Lebt ewig / lebt und wachst und blühet /

Piastus Stamm-Baum sproß und grün':

Biß sich die Ewigkeit bemühet /

Den Lauff der Zeiten einzuzihn.

Vnd euch auff höhern Thron erhebe

Piastus Hauß blüh / wachs und lebe.

BEYDE REYEN ZUSAMMEN.

Charlotte leb / O leb /

Der milde Himmel geb /

Was Eur Geschlecht erheb.

Vnd kröne die Verlibten Sorgen /

Mit viel Charlotten und Georgen.



Ende.
[76]

Quelle:
Andreas Gryphius: Verliebtes Gespenst, Die geliebte Dornrose. Berlin 1963, S. 74-77.
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