Sechste Scene.


[374] Nettelbeck. Rose.


NETTELBECK immer noch für sich.

So machen wir's!

ROSE.

Was habt Ihr vor?

NETTELBECK.

Wir schreiben an den König.

ROSE.

Wir?

NETTELBECK.

Das heißt, ich. Du aber mußt mir helfen,

Denn du bist fixer mit dem Schriftlichen.

ROSE.

Sagt nur, was wollt Ihr schreiben?

NETTELBECK.

Unser König

Soll einen andern Commandanten schicken.

Denn wenn er wüßte, wie 's um Colberg steht –

ROSE läuft an den Secretär, legt Schreibgeräth zurecht.

O das – das gab der Himmel selbst Euch ein!

Da, setzt Euch, Pathe!

NETTELBECK.

Ich? nein, lieber du;

Denn mir wird ohnehin ganz schlimm und schwül,

Sobald ich eine Feder –[374]

ROSE.

Nein, Ihr selbst.

Ihr sagt's ihm besser, sagt's eindringlicher,

Als irgend wer. Was braucht es schöner Worte,

Wo unsre Noth so laut zum Himmel schreit?

NETTELBECK hat sich von ihr zum Sessel hinführen lassen.

Nun denn, so will ich drangehn

ROSE.

Unter all

Den braven Feldherrn wird doch Einer sein,

Der uns ein Retter werden kann. Ist nicht

Der Gen'ral Blücher –

NETTELBECK schreibend.

Der sitzt in Stralsund.

ROSE.

Doch Major Scharnhorst –

NETTELBECK.

Den gebraucht der König.

Zerbrich dir nicht den Kopf; der König wird

Schon wissen, Wen, wenn er nur unsern Alten

Uns erst vom Halse schafft. Doch stör mich nicht.

ROSE für sich.

O wenn ich denke: unser hoher Herr

Und die geliebte schöne Königin

Zurückgedrängt an ihres Reiches Grenze,

Und nun die Hiobsposten Schlag auf Schlag,

Die Stadt gefallen, jene ausgeliefert,

Hier Kleinmuth, dort Verrath, die Bundsgenossen

Uneins und feige, und das Schreckgespenst

Von dieses Kaisers Unbesiegbarkeit –

NETTELBECK schreibt. – – »und aller gute Wille einer getreuen Bürgerschaft kommt zu kurz, sintemal unsere wohlgemeinten Anerbietungen immer damit abgefertiget werden, – man brauche die Bürger nicht, und sie hätten nichts dreinzureden« – –[375]

ROSE ein Buch von ihrem Nähtisch nehmend.

Glückselige Jungfrau von Orleans

Dich riefen deine Stimmen in den Krieg,

Und gläubig folgtest du! Dein Vaterland

Und deinen König durftest du befreien,

Dein Leben opfern für die große Sache.

Und ich, wenn ich mein Herzblut geben wollte –

Was nützt' es wohl? Wer nähm' das Opfer an?

NETTELBECK schreibend.

– »ersuchen deßhalb inständigst unsern allergnädigsten König,

daß er uns einen tapfern und erfahrenen Offizier senden wolle,

an Stelle dieses alten« –


Stockt.


Sag mal, Rose,

Schickt sich das wol, den alten Degenknopf

So gradewegs ein altes Weib zu nennen?

ROSE lächelnd.

Der Amtsstil freilich scheint es nicht zu sein.

NETTELBECK.

Hast Recht. Und da ich nicht als Schiffscaptän,

Vielmehr als Bürgervorstand, so zu sagen

Im Namen Colberg's – aber weiß der Henker,

's wird einem sauer, so das rechte Wort,

Das aus der Feder will, zurückzuschieben.

Was setz' ich nur dafür? Hilf mir doch, Kind!

Studirst doch deinen Schiller nicht umsonst.

ROSE.

Der läßt mich hier im Stich.

NETTELBECK.

Na meinetwegen!


Schreibt.


– »statt dieser alten Schlafmütz!« So! nun hab' ich

Mich diplomatisch ausgedrückt. Nur noch

Die Unterschrift:


Schreibt.


»Ersterb' in tiefster Ehrfurcht« –


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1872–1910, S. 374-376.
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