[420] Vorige. Frauen von links, in die Kirche gehend. Der Rector mit Schulknaben die paarweise vor ihm hergehen.
WÜRGES.
Paßt auf, Franz Arndt, den Schwarzen angl' ich mir.
Herr Rector!
Zipfel thut, als höre er nicht.
Rector Zipfulus!
ZIPFEL stehen bleibend.
Ich bitte,
Ich schreibe mich Zipfelius. Ihr sollt
Mir meinen Namen nicht barbarisiren.
WÜRGES.
Ha, ha! Fällt mir nicht ein, Euch zu barbieren.
Ich wollt' nur fragen, ob die alten Heiden
Auch Sonntags in die Kirche gingen.
ZIPFEL.
Wie?
Die Heiden? Sonntags? Das ist baarer Nonsens
WÜRGES.
Ich weiß nicht, was das für ein Ding ist, Herr,
Das aber weiß ich, daß Ihr so ein Ding seid.
Denn seid Ihr nicht ein alter Heid' und geht
Doch Sonntags in die Kirche? He? Wird etwa
Von Euren alten Götzen drin gepredigt?
Hehe!
Zu Arndt.
Paßt auf, wie er jetzt anbeißt!
ZIPFEL.
Herr,
Ihr wollt mich schrauben. Eurer Ignoranz[420]
Verzeih' ich Manches hinterm Glase Bier;
Doch öffentlich, coram discipulis –
WÜRGES.
Ich coramir' Euch nicht, Herr Zipulis.
Zipfel will antworten, zuckt aber nur die Achseln und wendet sich zum Gehn.
WÜRGES.
Geht nur! Man weiß, warum Ihr's eilig habt
Mit Eurem frischgebacknen Christenthum.
ZIPFEL bleibt stehen.
Was soll das, Herr? Was meint Ihr?
WÜRGES zu Arndt.
Nämlich, Nachbar,
Der Gneisenau hat vom Feind sich ausbedungen,
Daß er am Sonntag beim Bombardement
Nicht auf die Kirche zielt. Da hat der Pastor
Nun mächtig Zulauf, stets die Kirche voll.
Selbst alte Heiden können's kaum erwarten,
Daß hier geläutet wird. Ich kenne Manchen,
Der sonst nicht viel vom Katechismus hielt;
Dem ward sein Glaube plötzlich bombenfest!
ARNDT.
Haha! Spaßvogel!
ZIPFEL.
Herr, was geht's Euch an,
Was ich glaub' oder nicht?
WÜRGES.
Mich? ganz und gar nichts.
Ich hab' den Glauben meines Königs: Jeder
Kann selig werden ganz nach eigener
Façon. Wünsch' gute Andacht.
ZIPFEL würdevoll.
Mit Gesinnung
Zu prahlen, lieb' ich nicht. Zur rechten Stunde
Wird es an mir nicht fehlen.
Geht langsam in die Kirche.
WÜRGES.
Bücherwurm!
Schweinslederseele![421]
ARNDT.
Sonst ein wackrer Herr.
WÜRGES.
Ja sonsten, wo er im Rathskeller uns
Vorschwadronirte, daß uns grün und blau wards.
Jetzt ist er still geworden. Denn jetzt fragt man:
Bist du ein Mann? – nicht: weißt du, wie ein Mann
Auf griechisch heißt? – Doch seht, die Offiziere!
Der Kriegsrath ist zu Ende.
Ausgewählte Ausgaben von
Colberg
|
Buchempfehlung
Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro