Das erste

[282] Auff den Nahmen der Gottliebenden/ Edlen/Ehrn-und Aller-tugendreichsten Jungfrawen Catharinæ Ottersen Deroselben zu Ehren/ und freundlichem gefallen


gestellt und geschrieben den 23 Febr. Anno 1624. Zu Horstrowey in Testredey/


von F.A.O.H.

1

Das Erste

Christe Gotts einger Sohn du bist/

Ein wesen das voll Keuscheit ist/

Gebohren ein Kindlein kleine/

In heiligkeit

Zu rechter zeit/

Von einer Jungfrawn reine.


2

Auff Erd nichts liebers dir gefellt/

Dann ein Mensch so sich Züchtig helt/

Vnd in der keuscheit lebet/

Bey tag und nacht

Stets bett und wacht/

Vnd heilig händ' auffhebet.
[282]

3

Trauter Jesu/ drumb komb auch ich

Dein dienerin und bitte dich/

Du wollst in mir zerstören

All eitelkeit

Vnd Weltlich frewd

So mein hertz möcht bethören.


4

Halt mich bey deinem wort allein/

Daß es mein högste frewd mög seyn/

Regier all meine glieder/

Das davon nicht

Was werd verricht/

So dir mag seyn zu wieder.


5

Augen und fleisches lust abwend/

Machs mit der hoffart auch ein end/

Dann dadurch/ wie man spühret/

Mit rew und schmertz

Manchs frommes hertz

Wird jämmerlich verführet.


6

Richte mein hertz/ sinn und gemüth

Durch deine Väterliche güt/

Daß ich mich nicht ergebe

Der wollust frewd/

Sondern allzeit

In reiner keuscheit lebe.


7

Im wort des Herrn ich g' schrieben sind/

Selig sind die reins hertzens sind/

Sie werden Gott anschawen

Mit grosser frewd

In ewigkeit/

Diß mercket ihr Jungfrawen.
[283]

8

Nach wollust folget rew und schmertz/

Diß bedenck wohl o frommes hertz/

Laß dich Gotts Geist regieren/

Nach Christi wort

Wollst immerfort

Den engen weg passieren.


9

Auff Gottes weg in deinem lauff

Steh nimmer still/ hör auch nicht auff

Mit fleisch und blut zu kämpffen/

Streit mit gewalt/

So wirstu bald

Das fewr der unzucht dempffen.


10

Ohn streit man keinen feind erlegt/

Auch kein Stadt zu gewinnen pflegt/

Man muß drumb erstlich fechten/

Also ein Christ

Muß sein gerüst

Zur lincken und zur rechten.


11

Tapffer und mannlich ohn verdruß

Er sich zum kampff stets schicken muß/

Willig ohn wiederstreben

Im Christenthumb/

So wird er ruhm/

Haben in jenem leben.


12

Trewlich bey Christo halten steth/

Vnd was er in der tauff geredt

Mit allem fleiß nachkommen/

Auff solch arbeit

Die ewig frewd

Gibt Gott zu lohn den frommen.
[284]

13

Es muß doch hie gestritten seyn/

Darumb o Christ gib dich darein/

Schick dich zum überwinden/

In Gotts wort such/

Drinn wirst genug

Beyd wehr und waffen finden.


14

Ringet darnach/ sagt Christi wort/

Daß ihr mögt durch die enge pfort

Zum himmelreich eingehen/

Dann viel ich sag/

Streben darnach/

Bleiben doch draussen stehen.


15

So dann viel nicht kommen drein/

Die darnach strebn/ wie wils dann seyn/

Mit denen/ die verachten

Des Herren lehr/

Vnd nimmermehr

Ihr Seelen heyl betrachten.


16

Einm jeden sey hiemit gesagt/

Sein sach zu nehm'n in guter acht/

Vnd in keuscheit zu leben/

So er ohn klag

An jenem tag

In ewigr frewd wil schweben.


17

Nun wil ich Jesu lieber Herr

Befehlen dir mein zucht und ehr/

Durch deinen heilgen nahmen

Erhalte mich

Beständiglich

In wahrer keuscheit/ Amen.

Quelle:
Anna Ovena Hoyers: Geistliche und Weltliche Poemata, Amsteldam[!] 1650, S. 282-285.
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