Eifersucht

[46] Vorzustellen: Michael Jaroschin –

Untertänigst – ist mein Name.

Wohlgeboren, Hochgeboren

Auf dem Berge Gaurisankar.[46]

Sah von oben stets nach unten,

Von den Gletschern in die Täler,

Von den Wolken auf die Wipfel,

Von der Sonne auf die Erde.


Und so sah ich eines Tages –

Vorzustellen: Michael Jaroschin,

Sonnengott von Profession –

Sah ich eines Tages nachts

(Jaroschin scheint auch des Nachts),

Sah ich durch ein unverhangnes

Fenster... die geliebte Frau.


Sah die liebliche, die liebe,

Sah die Liebste, die Geliebte – – –

In den Armen eines andern –

Eines höheren Beamten,

Eines niederen Charakters.


Da erbleichte selbst die Sonne,

Vorzustellen: Michael Jaroschin,

Hob den goldnen Sonnendolch und

Stieß ihn strahlend durch das Fenster,

Stieß dem Mann ihn in den Nacken,

Fuhr der Dolch da durch den Nacken

Und dem Weibe in die Brust noch:

Also lagen auf dem Diwan

Beide hingestreckt, durchbohrt

Von dem Dolch des Sonnengottes,

Vorzustellen: Michael Jaroschin.


Hütet euch, ihr ungetreuen

Weiber vor dem Sonnengotte!

Ihn betrog die Sonnenfrau,

Und sie mußte darum sterben.

Vorzustellen: Michael Jaroschin

Hält die Wacht im Irrenhause

Als ein Rächer seiner Ehre,

Rächer jeder Mannesehre.

In ihm glüht die edle Flamme,

Heilige Flamme: Eifersucht.

Quelle:
Klabund: Die Harfenjule. Berlin [1927], S. 46-47.
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