28.

[406] Von der andern Seite zeugt jedoch auch das Verhalten der Regierungen gegen treue[406] Staatsdiener nicht immer von Erkenntlichkeit. Man nützt die Leute, bey geringer Besoldung, so lange sie noch Kräfte haben, wozu sie taugen; wenn sie aber alt und stumpf werden und ihr Vermögen zugesetzt haben, findet man nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich in Ruhe setzen wollen und wirft ihnen dann jährlich einen Gnadenbrocken hin, wobey sie des Lebens nicht froh werden. Nichts verleitet aber so sehr zur Nachlässigkeit im Dienste, als eine solche Aussicht in die Zukunft und überhaupt jede undankbare Behandlung von Seiten der Obern. Wie schwer ist es nicht, immer mit gleichem Eifer fortzuarbeiten, wenn man sieht, daß es nicht erkannt wird, und daß niedrige Schmeichler, Augendiener, Windbeutel und Menschen ohne Geschick und Talent, zu ehrenvollen, wichtigen und einträglichen Geschäften gebraucht werden, indeß man immer wie ein Tagelöhner und[407] Handlanger fortarbeiten und Kleinigkeiten treiben muß!

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 406-408.
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