7.

[355] Und dennoch, bey so vielfachen innern und äußern Bewegungsgründen, welche uns die Heiligkeit dieser Pflicht empfehlen, hört man über kein Laster so allgemein klagen, als über den Undank. Zwar sind diese Klagen auch je zuweilen eben so übertrieben,[355] wie die Forderungen derer, die auf Dank Anspruch machen und die oft auf unbedeutende Wohlthaten, an welchen mehr die Eitelkeit, oder irgend eine andre Leidenschaft, als wahre Menschenliebe Antheil hat, einen so hohen, drückenden Preis setzen. Zwar wird die Betrachtung, daß man für edle Handlungen nicht immer die verdiente Erkenntlichkeit einerndtet, den wahrhaftig großmüthigen Mann nicht abhalten, Andern Gutes zu thun; aber doch bleibt es traurig und niederschlagend, daß die Menschen, in ihrer Verblendung, auch diese natürliche Tugend verleugnen, und daß nicht selten die treueste, uneigennützigste Aufopferung und Hingebung mit dem schwärzesten Undanke, ja! mit Feindschaft und Verfolgung belohnt werden. Indessen lasset uns zu unsrer Beruhigung nicht vergessen, daß diese, so wie alle andre moralische Unvollkommenheiten, nicht in einer angebohrnen Verderbtheit der[356] menschlichen Natur, sondern in Schwäche, in unrichtiger Beurtheilung des eignen wahren Vortheils ihren Grund hat.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 355-357.
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