Sechster Auftritt


[79] Baculus. Gretchen.


GRETCHEN vorauslaufend. Und nun laß Er mich in Ruhe! Er ist und bleibt ein eifersüchtiger Narr!

BACULUS. Ein Narr war ich, so lange ich den Gedanken trug, dich zur Frau nehmen zu wollen; aber mit der Eifersucht, da ist's Matthäi am letzten.[79]

GRETCHEN. Nun, Gott sei Dank!

BACULUS. Du hast für weiter nichts zu danken, als daß ich dir nicht auf der Stelle den Hals umgedreht habe.

GRETCHEN. Wer Ihn so reden hörte, sollte glauben, es wäre was Entsetzliches geschehen.

BACULUS. Es ist auch was Entsetzliches geschehen, du Kreuzspinne, du!

GRETCHEN. Das ist nicht wahr, nichts ist geschehen, aber er macht gar zu gern Lärmen um nichts.

BACULUS. Nun höre ein Mensch diesen Tugendspiegel. Ich komme bei stockfinsterer Nacht nach Hause, denke: der Herr Stubenbursch wird wohl noch über den Schreibbüchern sitzen, aber prosit die Mahlzeit! Er ist im ganzen Hause nicht zu finden. Ist das nichts?

GRETCHEN. Das war gewiß nichts.

BACULUS. Ich denke, du mußt doch deinem Gretchen eine gute Nacht wünschen, gehe hinüber, trete in ihre Stube; wer sitzt mit ihr auf dem alten ledernen Diwan, im trauten Gespräche begriffen?

GRETCHEN. Das war wieder nichts.

BACULUS. Der Teufel auch, war das Nichts? Das waren zwei mir sehr fatale Etwasse. Sind das deine Grundsätze? Ist das die Treue, mit der du noch gestern prahltest?

GRETCHEN. Meine Treue ist unverletzt, ich kann's beschwören – weinend Er aber bringt mich ins Geschrei um nichts und wieder nichts, wegen eines Menschen, der noch ein pures Kind ist.

BACULUS. Das pure Kind trug, als ich es visitierte, lauter Mordinstrumente bei sich, Scheren, Nähnadeln, Nadelbüchsen; wer weiß, was der im Schilde führt, die Ortsbehörde wird ihn schon abfassen.

GRETCHEN. Sei Er froh, wenn sie Ihn nicht faßt.

BACULUS. Schweig, angehende Potiphar! In einen Sack würde ich dich stecken und in den Mühlbach werfen, wenn nicht zum Glück der Herr Stallmeister so ein Narr wäre, dich heiraten zu wollen. Gretchen sehr verwundert. Der Herr Stallmeister will mich heiraten?[80]

BACULAS. Ja, du Eidechse! Rede mir nicht ein Wort dagegen oder du spazierst in den Mühlgraben.

GRETCHEN. Ach, ich bin's schon zufrieden, wenn ich Ihn nur loswerde, mein alter Schatz.

BACULUS. Was ist das? Beim Antigonus, nun ist's aus mit uns!

GRETCHEN. Aber ich kann noch gar nicht begreifen –

BACULUS. Kann ich's denn begreifen? Wie es scheint, ist der Herr Stallmeister noch vernagelter als ich.

GRETCHEN. Das will viel sagen.

BACULUS. Er zahlt mir fünftausend Taler, daß ich ihm meine Ansprüche auf dich abtrete.

GRETCHEN. Ach, der liebe Herr!

BACULUS. Wie sich der Basilisk freut, daß er mich los wird. Auf den Pavillon deutend. Da tritt hinein! Ich muß erst meinen Handel ins reine bringen, ehe er dich sieht.

GRETCHEN. So lebe Er wohl, Herr Sebastian!

BACULUS. Fahr hin, Gomorrha-Seele!

GRETCHEN schluchzend. Ich danke Ihm für alle Liebe, die Er mir erwiesen; verzeih Er mir, wenn ich Ihn jemals betrübt habe, und sei Er versichert, daß ich noch in späten Jahren dem Himmel dafür danken werde, Plötzlich heiter. daß er mir von Ihm geholfen hat, Er alter, grauköpfiger Abc-Schütz! Ab in den Pavillon.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 79-81.
Lizenz:
Kategorien: