Vierter Auftritt


[511] Adrast. Johann.


JOHANN. Nun? haben Sie den Araspe gefunden?

ADRAST. Ja. Noch bitter.

JOHANN. Gehts gut?

ADRAST. Vortrefflich.

JOHANN. Ich hätte es ihm auch raten wollen, daß er die geringste Schwierigkeit gemacht hätte! – – – Und er hat doch schon wieder seinen Abschied genommen?

ADRAST. Verzieh nur: er wird uns gleich den unsrigen bringen.

JOHANN. Er den unsrigen? – Wo ist Araspe? –

ADRAST. Beim Lisidor.

JOHANN. Araspe beim Lisidor? Araspe?

ADRAST. Ja, Theophans Vetter.

JOHANN. Was frage ich nach des Narren Vetter? Ich meine Araspen. – –

ADRAST. Den meine ich auch.

JOHANN. Aber – –

ADRAST. Aber siehst du denn nicht, daß ich rasend werden möchte? Was plagst du mich noch? du hörst ja, daß Theophan und Araspe Vettern sind.

JOHANN. Zum erstenmal in meinem Leben. – – Vettern? Ei! desto besser; unsere Wechsel bleiben also in der Freundschaft,[511] und Ihr neuer Herr Schwager wird dem alten Herrn Vetter schon zureden – –

ADRAST. Du Dummkopf! – Ja, er wird ihm zureden, mich ohne Nachsicht unglücklich zu machen. – Bist du denn so albern, es für einen Zufall anzusehen, daß Araspe hier ist? Siehst du denn nicht, daß es Theophan muß erfahren haben, wie ich mit seinem Vetter stehe? daß er ihm Nachricht von meinen Umständen gegeben hat? daß er ihn gezwungen hat, über Hals über Kopf eine so weite Reise zu tun; um die Gelegenheit ja nicht zu versäumen, meinen Ruin an den Tag zu bringen, und mir dadurch die letzte Zuflucht, die Gunst des Lisidors, zu vernichten?

JOHANN. Verdammt! wie gehen mir die Augen auf! Sie haben Recht. Kann ich Esel denn, wenn von einem Geistlichen die Rede ist, nicht gleich auf das Allerboshafteste fallen? – Ha! wenn ich doch die Schwarzröcke auf einmal zu Pulver stampfen und in die Luft schießen könnte! Was für Streiche haben sie uns nicht schon gespielt! Der eine hat uns um manches Tausend Taler gebracht: das war der ehrwürdige Gemahl Ihrer lieben Schwester. Der andere – –

ADRAST. O! fange nicht an, mir meine Unfälle vorzuzählen. Ich will sie bald geendigt sehen. Alsdann will ich es doch abwarten, was mir das Glück noch nehmen kann, wann ich nichts mehr habe.

JOHANN. Was es Ihnen noch nehmen kann, wann Sie nichts mehr haben? Das will ich Ihnen gleich sagen: Mich wird es Ihnen alsdann noch nehmen.

ADRAST. Ich verstehe dich, Holunke! –

JOHANN. Verschwenden Sie Ihren Zorn nicht an mir. Hier kömmt der, an welchem Sie ihn besser anwenden können.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 511-512.
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