4. Der Wirth und die Gäste

[4] Wirth.


Nehmt den Wein, den ich euch reiche,

Meines guten Willens Zeuge;

Freunde, nehmet freundlich hin.

Wie ihn Gott und Reben gaben,

Lieben Freunde, geb' ich ihn.


Gäste.


Du, der Lust und Freud' entzündet,

Mit der Rebe Herzen bindet,

Evan, schütz' diß teutsche Blut.

Mehr ihm immer Durst und Freude,

Fröhlichkeit und jungen Muth.

Seht, der fromme Rebenzecher,

Theilt mit uns den vollen Becher,

Welch ein ehrlich teutsches Blut!

Mehr ihm immer Durst und Freude,

Fröhlichkeit und jungen Muth.


Erster Gast.


Sey du seines Weinbergs Hüther!

Gieße deine Schale nieder,

Daß ihm alle Ranken blühn;

Daß er tausend Fässer fülle,

Segne, Vater Evan, ihn.


Zweyter Gast.


Schrecke mit des Panthers Brüllen,

Ferne von ihm Gram und Grillen,[5]

Alles, was das Herze sticht.

Mehr ihm sein Jugend-Kräfte,

Und verschönre sein Gesicht.


Dritter Gast.


Leit' ihn einst in Charons Nachen,

Unter Scherzen, unter Lachen;

Ohne Krankheit, ohne Pein,

Leite seinen sanften Schatten

In den goldnen Rebenhayn.


Vierter Gast.


Dort, wo auf bethauten Matten,

Jene heilig frohe Schatten,

Hagedorn und Kleist nun gehn:

Wo die Denkmal' frommer Trinker

Ewig hell und glänzend stehn!


Alle.


Du, der Lust und Freud' entzündet,

Mit der Rebe Herzen bindet,

Evan, schütze teutsches Blut.

Mehr uns allen Durst und Freude,

Fröhlichkeit und jungen Muth!


Wirth.


Dank euch! fromme Rebenzecher!

Greifet nun zu eurem Becher,

Jeder stoße, leere rein.

Zwanzig volle Humpen warten;

Bachus heißt uns fleißig seyn!

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 4-6.
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