Lied eines Mädchens an die Unschuld

[307] Laß immer, Unschuld, meinen Sinn,

Dir immer heilig sein!

Du weihtest mich zur Priesterin

An deinem Altar ein.

Dein falsches Licht

Verdunkle nicht,

O Göttin, mir dein Angesicht!


Wie hab' ich dich so manchesmal

Im Innersten gefühlt,

Wenn ich im stillen Lindenthal

Mit deinem Lamm gespielt!

Da schicktest du

Mir Himmelsruh'

Und deine lieben Täubchen zu!


Laß immer frische Blumen mir

Auf meinem Pfade blühn!

Ich hänge sie in Kränzen dir

An deinem Altar hin.

Mit Saitenklang

Und Lobgesang

Bring' ich dir immer Herzensdank.


Wenn langsamer, dem Grabe zu

Sich meine Schritte nahn;

Dann, Göttin, unterstütze du

Mich auf der letzten Bahn!

Lach Frieden mir!

Ich dank' es dir,

Und folg' in deinem Himmel dir!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 307-308.
Lizenz:
Kategorien: