Die zween Füchse

[29] Zween Füchse brachen einem Pächter

Zur Nachtzeit in sein Hühnerhaus,

Und übten Mord und Todtschlag aus.

Ein stolzer Hahn, des Hofes Wächter,

Der Hennen Abgott, fiel im Straus

Als Held für seine Sultaninnen,

Und kurz, es konnte nichts entrinnen,

Was Federn auf dem Leibe trug.

Den Dieben frommt kein langes Weilen,

Sie sagten: laßt den Raub uns theilen,

Raps war schon alt und folglich klug.

Er sprach zum jüngern Spießgesellen:

Mein Sohn, ich weiß aus tausend Fällen,

Wie nöthig man zu sparen hat;

Ist heut mein Magen noch so satt,

So will er morgen doch was haben.

Auch ist der Winter vor der Thür,

Darum, Herr Neffe, glaube mir,

Laß uns den reichen Schatz vergraben,

Um lang uns noch damit zu laben.

Der junge Rips, ein lockrer Wicht,

Versetzte mit ersticktem Lachen:[30]

Ich danke für den Unterricht

Und will ihn mir zu Nutze machen.

Hier fiel er auf den Proviant

Und schob ein Hühnchen in den Rachen.

Ein zweytes ward ihm nachgesandt

Und mit dem Spiele fortgefahren,

Bis alle, trotz der Homilie

Des Oheims, rein verzehret waren.

Nun suchte Rips mit saurer Müh

Sich von der Tafel zu erheben.

Allein auf einmal wird ihm schwach;

Sein Athem stockt, die Kniee beben:

Er wälzt sich, seufzet Weh und Ach,

Und sucht den Fraß zurück zu geben.

Der Oheim fuhr dem armen Gauch

Mit einer Feder in die Kehle.

Allein umsonst, der volle Bauch

Zerbarst. Zevs helfe seiner Seele;

Sprach Raps und schickte sich nun auch

Zum Siegesmahl. Er nagt die Flügel

Des Hahns in kleinen Bissen ab,

Hölt für den Rest des Raubs ein Grab

Und überdeckt mit Moos den Hügel.

Nun schlendert er in kurzem Trab

Nach Haus, und überschlägt im Gehen,[31]

Wie weit der Vorrath reichen mag.

Er rastet nicht, kaum graut der Tag,

So eilt er nach dem Schatz zu sehen.

Allein der Pächter, ein Pandur,

Der nur zu früh den Raub erfuhr,

Ließ heimlich auf den Gaudieb lauren;

Auch war er kaum dem Hügel nah,

So stand ein Regiment von Bauren

Mit ungeheuren Prügeln da,

Und um den Ausgang kurz zu sagen,

Raps ward auf seinem Schatz erschlagen.


Kein Alter ist von Lastern frey.

Der Jüngling fröhnt der Schwelgerey,

Der Greis ist seiner Thaler Sklave,

Und beyde sind sich selbst zur Strafe.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 29-32.
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