Erster Aufzug.

[389] Teutschland / Wolraht / darnach komt Wahremund /und nach deme sich diese drey mit einander unterredet haben / öfnet sich der innere Schauplatz /wo selbst zu sehen der Römische Kaiser in der Mitten / zu dessen Linken der König in Frankreich /und zur Rechten die Königin in Schweden / hinter ihnen stehet der Friede von welchem sie bekräntzet werden / vor ihnen stehen die drey Engel oder singende Knaben.
[389]

TEUTSCHLAND. Was dünket dich wol / mein lieber getreuer Wolraht / ist nicht unsere Tochter die Prinzessin Batavia nunmehr auff den allerhöhesten Trohn dieser zeitlichen Wolfahrt unnd Weltlichen Glükseligkeit erhoben?

WOLRAHT. Jch kan nicht läugnen / großmächtigste Königin / Batavia ist mehr denn glükselig / in deme sie dasjenige hat erhalten / wornach sie eine so geraume Zeit / ja fast gantzer achtzig Jahre mit unglaublicher Mühe / unaußsprechlicher Gefahr und den allerschweresten Kosten / von einer fast übermenschlichen Tapferkeit begleitet / hat gestrebet und gerungen.

TEUTSCHLAND. Ja / Wolraht / wer hätte es immermehr gegläubet / daß sie / als ein zartes unvermügliches Weibesbild / einen so mächtigen Monarchen / als der König Jberus ist / so lange Zeit die Wage solte gehalten / und vermittelst Göttlichen Beystandes und Segens / in sothane vollenkommene Freyheit sich gesetzet haben?

WOLRAHT. Gewißlich / Durchläuchtigste Königin / ich halte dieses für ein sonderbahres Werk Gottes / Menschliche Vernunfft unnd Rahtschläge haben der Prinzessinnen Batavien den Frieden nicht wider gebracht / sondern der Friede ist ihr von oben herab geschenket.

TEUTSCHLAND. Daran zweifele ich im wenigsten / aber / aber / wenn wird der Herr vom Himmel auch mir gnädig seyn? Ach / Ach / wenn wird er auch den allersüssesten Frieden zu[390] mir kommen lassen? Ach Friede / Friede wie so lange! Wahremund gehet auf.

WOLRAHT. Eure Majestät betrübe sich nicht auf das neue / sie ist ja in ihrem Hertzen und Gewissen genugsam versichert / daß / nach deme sie jhr Unrecht von gantzer Seelen hat bereuet / den vielgütigen Gott üm seine Gnade unnd Barmhertzigkeit demühtiglich angeruffen / und ihme alle mügliche Besserung ihres Lebens und Wandels hat versprochen / daß sie den vielbegehrten Friede nun bald mit Freuden wider erlangen und bey sich haben werde.

WAHREMUND. Glük und Friede wünschet euer Königliche Majestät auß dem innersten Grund seines Hertzen / deroselben unterthänigster Diener Wahremund.

TEUTSCHLAND. Ja Wahremund / eben der Friede ists / den ich gleich itzt / wie ich schon viel liebe Jahre für diesem gethan / ebenmässig in dem innersten Grunde meines Hertzen wünsche unnd verlange.

WAHREMUND. Großmächtigste Königin / Eure Majestät glauben sicherlich / daß die unermäßliche Barmhertzigkeit Gottes deroselben Wunsch viel ehender wird erfüllen / als sie selber mag gedenken oder gläuben.

WOLRAHT. Eben das / Ehrwürdiger Herr Bruder / habe ich ihrer Majestät kurtz zuvor unterthänigst zuverstehende gegeben.

TEUTSCHLAND. Es ist wahr / ihr meine liebe getreue / man hat mich schon etliche Jahre auff die Widerkunft deß abgewichenen[391] Friedens mit vielen scheinbaren Worten vertröstet / je länger aber ich darauff hoffe / je schwerer wird der Glaube in meinem Hertzen / jedoch will ich den Muht nicht gar verloren geben / der Gott deß Friedens wird seine wehrte Tochter zu mir / seiner elenden unnd verlassenen Magd widrüm kommen lassen / dessen will ich mich gäntzlich versichert halten.

WAHREMUND. Durchleuchtigste Königin / daß Gott unser liebreichster Vatter sey / der die Hoffnung seiner Gläubigen nimmermehr lasset zu Schanden werden / daran wollen wir gantz und gar nicht zweiffelen / dieser Tag wird solcher eurer Majestät kund und offenbar machen / dieser Tag wird die Gütigkeit deß Höhesten verkündigen / ja dieser Tag wird eben derjenige seyn / nach welchem so viel hundert tausend Seelen ängstiglich geseuffzet und daran sie die Wiederkunft deß alleredelsten Friedens so hertzgründlich verlanget haben.

TEUTSCHLAND. Was sagst du / Wahremund / solte dieser der langerwünschete Tag seyn / daran Teutschland auffs neue gleichsam geboren und in seine süsse Ruhe wiedrum solte gesetzet werden?

WAHREMUND. Eure Majestät glaube es nur festiglich / daß eben an diesem Tage / der theure Friede den allerunüberwindlichsten Römischen Käiser / mit den beyden großmächtigsten Kronen / Frankreich und Schweden / dergestalt hat vereiniget / das Teutschland nunmehr GOtt seinem Erlöser von Grund deß Hertzen danken / desselbigen unaußsprechliche Güte rühmen / und sich von gantzer Seele darüber mag erfreuen.


[392] Hie wird der innere Schauplatz geöffnet / da stehet der Römische Kaiser in grosser Pracht und Herrlichkeit / zu seiner Linken / der junge König in Frankreich / zu seiner Rechten / die Königin von Schweden / für einen jedwederen stehet ein Knabe /oder ein schöner kleiner Engel / gantz weiß bekleidet und Oelzweige in den Händen tragend /hinter den dreyen Potentaten stehet der Friede auff einem etwas erhabenen Stul / der setzet ihnen Lorbeer-Kräntze auff / hierbey müssen gar viel Fakkeln oder Liechter brennen / daß alles sehr helleuchtend anzusehen sey. Jn deme nun der Friede also beschäfftig ist / allerhöchst und höchstgedachte Potentaten (die sich untereinander gar freundlich ansehen /) zu bekräntzen / muß nachfolgendes Lied freudigst gesungen werden.


Freuden-Lied


Welches bey Widerbringung des längsterwünscheten Friedens gar anmutig wird gespielet und gesungen.
[393]

1.

Lachet ihr Himmel / und tantzet ihr Sterne /

Seufftzen und Klagen und weinen sey ferne /

Springet ihr Wälder unnd Felder für Freuden /

Einigkeit lebet /

Einigkeit schwebet.

Zanken unnd Kriegen unnd Morden muß scheiden.


2.

Teutschland erhebe von neuen die Sinnen /

Mavors und Wühterich eilen von hinnen /

Schaue den Frieden mit Freuden ankommen /

Welcher drey Kronen

Jetzt wil belohnen /

Weil sie von Einigkeit sind eingenommen.


3.

Ferdinand / Ferdinand hat sich ergeben

Künfftig in lieblicher Ruhe zu leben /

Ludewig hat sich zum Friede gelenket /

Sehet die kühne

Heldin Christine /

Wie sie den Friede mit Kräntzen beschenket.


4.

Himmel und Wasser / und Flammen und Erde

Zeigen der Teutschen viel Freuden Geberde /

Weil nun drey Kronen sind gütlich entschieden /

Jauchtzet und singet /

Spielet und springet /

Preiset GOTT ewiglich / Teutschland hat Frieden /


[395] Hierauf ruffet der Knabe / der für dem Römischen Käiser stehet / seinen Oelzweig in die Höhe hebend /mit lauter Stimme also.


Daß du befriedigt wirst / O Teutsches Vatterland /

Das danke GOTT allein und Kaiser Ferdinand.


Der andere Knabe für dem Könige in Frankreich stehend / ruffet also.


Der tapffre Ludowig und sein gewaltigs Reich /

O Teutschland / wünschen dir viel Ehr und Gut zugleich.


Der dritte Knab für der Königin in Schweden stehend / rufft also.


Großmütigste Christin / du hast den Krieges-Orden

Quitiret / und bist nun die Pallas selber worden.


Hierauf gibt der Friede dem Römischen Kaiser /dem Könige aus Frankreich / unnd der Königin in Schweden einen jedweden einen güldenen Pokal in die Hand / welches bedeuten soll den Becher der Vergessenheit / und in deme sie selbige also halten /singen die drey Engel folgende drey Sätze.


Lied der drey Engel /


Welches gantz freudig wird gesungen / wenn die drey gewaltige Potentaten den Becher der Vergessenheit außtrinken.
[396]

1.

Njm grosser Ferdinand

Diß neue Friedenspfand /

Das hebet auff den langen Streit /

Ey trink / O theuer Held /

Hie wird dir zugestellt

Der Becher der Vergessenheit.


2.

Nim tapfrer Ludowig /

Was dir jetzt auff den Krieg

Der wunderschöne Fried' anbeut /

Hin ist der Krieges Strauß /

Trink jetzt mit Freuden auß

Den Becher der Vergessenheit.


3.

Nim muhtigste Christin'

Auf diesen KriegsTermin

Was dir jetzt bringt die FriedensZeit

Versicherung der Ruh /

Heldinne / trink im Nuh

Den Becher der Vergessenheit.


Hierauf setzen alle drey Potentaten zugleich an /und indeme sie trinken / wird unversehens mit Trompeten stark geblasen / und mit Pauken darein geschlagen / immittelst kommen die drey Engel auf den eussersten Spielplatz / machen eine tieffe Reverentz / unnd führen unter dem frölichen blasen und Paukenschlagen Teutschland mit Wahremund und Wolraht hinein / worauf der Spielplatz alsobald sich schliesset / und die Spielleute aufhören zu blasen.
[398]


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 389-399.
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