Vierdter Auffzug.

[421] Teutschland / Wahremund / Wolraht / Degenwehrt.

Teutschland gehet auff gar prächtig / und viel anders als vormals bekleidet / träget eine köstliche Kron / und Scepter / ihr folgen Wahremund /Wolrath / Degenwehrt / alle drey gantz herrlich angethan / indeme sie aufftreten / wird mit Pauken und Trompeten dazu gespielet und gejauchtzet.


TEUTSCHLAND setzet sich auff einen schönen gezierten Königlichen Thron / und spricht. Glükselig sey das Jahr / glükseliger sey der Tag / am allerglükseligsten aber sey die Stunde / in welcher der / von so viel hundert tausend hochbetrübten Seelen längstgewünschter Friedensschluß ist getroffen / und die allergrösseste Monarchen von gantz Europa so freundlich / lieblich und brüderlich miteinander sind vereinigt worden.

WAHREMUND. Ja freilich / allergnädigste Königin / ist eben diese Stunde von dem gütigen Himmel selber gesegnet / in welcher das Seufftzen der Armen und Elenden von der Göttlichen Barmhertzigkeit ist erhöret / und der grausame Mars bezwungen / ja gar in Ketten geschlossen. O möchten doch alle Haare unseres Haupts Zungen seyn / daß wir die unaußsprechliche Güte GOttes zur Gnüge loben / und seine unvergleichliche Freundlichkeit schuldigster massen rühmen und preisen könten!

WOLRAHT. Nicht zweiffele ich / großmächtigste Königin / Eure Majestät werden für diese hohe und unverdiente Gutthaten[421] nicht nur / was ihre Person betrifft / GOtt dem himmlischen Friedens-Vater Lob und Dank opffern / sondern auch ihre sämtliche Unterthanen mit allem Ernst / fürnemlich aber durch ihr erbaulichs Exempel dahin halten / daß sie von gantzem Hertzen / von gantzem Gemühte / und von allen Kräfften / den grossen GOtt vom Himmel preisen / der ihnen den theuresten Schatz von allen irrdischen Dingen / den güldenen Friede / gantz unverhoffter weise hat wieder gegeben.

TEUTSCHLAND. Gar recht / ihr meine liebe Getreue / gar recht / erinnert ihr uns unserer Schuldigkeit. Aber / wie können wir doch den HErren vergelten alle Güte und Treue / die er uns Unwürdigen hat erwiesen / damit wir aber gleichwol zum Anfange nur etwas weniges thun / so lasset durch alle meine Länder und Provincien den herrlichen Lobgesang des Königlichen Propheten außschreien / Danket dem HErren / denn er ist freundlich / und seine Güte währet ewiglich.

DEGENWEHRT. O der Gottseligen Gedanken / O der rühmlichen Andacht! O des heiligen Befehls! unmüglich ist es / allergnädigste Königin / daß der Geist GOttes E[uer] Maj[estät] Hertz und Sinn nicht solte regieren / und führen / dieses Opffer unserer Lippen / das auß einem bußfertigen / gläubigen und dankbaren Hertzen herrühret / wird GOtt tausendmal besser gefallen / als alle Scheinheiligkeit der doppelhertzigen Heuchler / welcher Hoffnung wie Wasser muß zerfliessen / ja wie die Spinnwäbe vernichtet und zu Schanden werden.[422]

WAHREMUND. Gar wol wird dieses geredet / mein Herr Degenwerth / aber noch viel besser wird es gethan seyn / wenn wir unsere Dankbarkeit wegen Verleihung des unschätzbaren Friedens mit einem neuen Wandel und Christlichem GOtt wolgefälligen Leben öffentlich erweisen und darthun.

DEGENWEHRT. WolEhrwürdiger Herr Wahremund / eben dahin ziele ich / ich habe durchauß kein anderes Absehen als dieses / und damit ich die Probe an mir selber leiste / so will nicht allein ich / für meine Person den unchristlichen Krieg von gantzem Hertzen verfluchen / sondern auch alle mir untergebene Obristen und Hauptleute mit höhestem Fleisse ermahnen und dahin halten / daß sie hinfüro ja nimmermehr gegen ihre eigene Brüder und Mitchristen / noch viel weniger gegen ihr liebes und werthes Vaterland (von welchem sie das Leben und den Namen haben) die Waffen sollen führen / es ist leider / leider mehr denn allzuviel Christenblutes vergossen / nunmehr ist es sehr hohe Zeit / daß / dafern wir ja unsere mannhaffte Gemühter / tapffere Hertzen und fertige Fäuste / wollen sehen lassen / wir uns gegen die Feinde des Namens JEsu wenden / dieselbe durch gnädige Hülffe und Beystand unseres gekreutzigten Heilandes ritterlich bekriegen und besiegen / und durch unvergleichliche Heldenthaten unsere Häupter mit Lorbeerkräntzen bezieren / ja solche Ehrensäulen erwerben und auffrichten / welche biß in die graue Ewigkeit währen und bestehen können.

TEUTSCHLAND. Mein Degenwerth / deine itztgeführte Rede lasse ich mir insonderheit wol gefallen / ich will zu GOtt[423] hoffen / meine Unterthanen werden nunmehr ein ander Leben zu führen mit inniglicher Begierde ihres Hertzen anfangen / auch sonderlich die jenige / welche bißhero den unrechtmässigen Kriegen gefolget / ja mich / ihre eigene Mutter / auff das allereusserste gemartert und geplaget haben / zu gantz anderen Gedanken kommen / sich künfftig als ehrliche Soldaten verhalten / und da sie ja ihren Heldenmuth wollen sehen lassen / ihre Waffen nicht an ihren Mitbrüdern den Christen / sondern an Türken / Tartaren und andern Feinden des Christlichen Namens probieren / sonderlich aber der hocherleuchteten Venetianischen Republic (welche zu ihren unsterblichen Ehren schon so viele Jahre hero / mit einer unglaublichen Tapfferkeit und standhafftem Gemühte / dem Türkischen Bluthunde den Kopff geboten /) ihre ritterliche Dienste nicht versagen werden.

WOLRAHT. Ja großmächtigste Königin / das wäre wol der allerbeste / ehrlichster und zuträglichster Rath / welchen man den gewesenen Kriegesleuten bey diesen neuangehenden Friedenszeiten geben könte / denn / was haben ihnen doch bißhero die Soldaten für einen Namen können machen / mit der grausamen Unsinnigkeit die Christen-Menschen umbzubringen / Dörffer zu plündern / Städte in Brand zu stekken / Weiber und Jungfrauen gewalthätiger weise zu schänden? Nichts anders haben sie damit außgerichtet / als daß ihrer viele den Namen eines Diebes in den Namen eines muhtigen Soldaten / und den Namen eines Raubers / in den Namen eines tapffern Capitains, haben verändert / es ist fürwar hohe Zeit / daß / wenn sie ihren / durch die Waffen erworbenen Ruhm wollen verewigen / und den[424] Ruhm Christlicher / tapfferer und lobwürdiger Obristen / Hauptleute und Soldaten erlangen / und davon tragen / sie auff eine viel andere Art und Weise ihre Kriege bestellen.

TEUTSCHLAND. Was ihr / meine liebe Getreue / dieses Falles habet vorgebracht / solches erkenne ich alles recht und wol geredet seyn / wir wollen das beste hoffen / und immittelst fleissig zu GOtt ruffen / daß er die Gerauhter dahin wolle lenken / daß sie vom Bösen ablassen / dem Guten nachjagen / und was ehrlich / löblich und Christlich ist / vollenbringen. Unterdessen hüpffet mein Hertz für Freuden / wenn ich an die Brüderliche Vereinigung gedenke / welche zwischen den dreyen mächtigen Monarchen und gewaltigsten Potentaten der Christenheit (die mich alle drey für ihre Mutter erkennen / ich sie auch für meine allerliebste Söhne und Töchter halte) in unserer Gegenwart mit so grosser Herrlichkeit ward getroffen und beschlossen / vnd saget mir doch meine liebe Getreue / hätte man auch in aller Welt etwas prächtigers / schöners und anmuhtigers können sehen / als den Großmächtigsten / Höchstverständigsten / ansehnlichsten Ferdinand den dritten / das zwar junge / aber sehr frische Heldenblut Ludowig den 13. und die fast übermenschliche und allertapfferste Heldinne Christina? Jn Ansehung dieser meiner großthätigen Kinder unvergleichlichen Vollenkommenheit könte ich für Freuden schier kein eintziges Wort reden.

WAHREMUND. Jch muß es bekennen / allergroßmächtigste Königin / daß / als ich diese Beschliessung des so lang begehrten / und mit so übergrosser Mühe und Kosten gesuchten Friedens unter diesen dreyen Häuptern habe angeschauet[425] / mir die Augen sind übergegangen. Auß der masse schön war es anzusehen / daß diese drey grosse Potentaten sich untereinander so freundlich an den Händen hatten gefasset / und so gar lieblich / ja recht Brüderlich und Schwesterlich anblikketen / Ach! / gedachte ich / wie fein und lieblich ist es / wenn so grosse Könige einträchtig beyeinander wohnen!

WOLRAHT. Noch viel schöner aber war es anzusehen / daß der alleredelste Friede hinter diesen gewaltigen Monarchen / mit einem rechtfreudigen Angesichte stehende / dieselbige so herrlich bekräntzte / und gleichsam öffentlich damit bezeugete / daß nicht der langgeführte Krieg / sondern der wolgetroffene Friede sie zu rechten Siegesprachtenden Uberwindern und unsterblichen theuren Helden mache.

DEGENWEHRT. Aber / am allerschönsten war dieses anzusehen / daß allerhöchstgedachten dreyen Potentaten der Becher einer ewigen Vergessenheit ward dargeboten / welchen sie auch mit einer solchen Auffrichtigkeit und Vertrauligkeit / (wie denn dasselbe auß ihren Geberden gar leicht war abzunehmen /) mit einander haben außgetrunken / daß man nicht weniger Ursache hatte / über diese neue Verknüpffung der Kaiserlichen und Königlichen Gerauhter sich zu verwundern / als über ihre rühmliche Vereinigung zu erfreuen.


J. Reinhart gehet auff / und treibet Mars nebenst Wühterich an Ketten gantz fest geschlossen vor sich her.


TEUTSCHLAND. Gar fein habet ihr mich alles dessen erinnert / ihr meine liebe getreue Diener / was bey Beschliessung des[426] hochverlangten Friedens dazumal zwischen den dreyen Monarchen / meinen lieben Kindern ist vorgangen. Aber was wird uns da für eine Gesellschafft zugeführet?

DEGENWEHRT. Großmächtigste Königin / es ist Junker Reinhart / der bringet den Bluthund Mars / nebenst desselbigen grausamen Diener Wühterich / in Ketten gar fest gebunden und geschlossen.

TEUTSCHLAND. Wol mir / und allen den meinigen / daß wir den Tag haben erlebet / an welchem wir diese Werkzeuge des leidigen Satans / die uns so manches liebes Jahr dermassen greulich haben zermartert und geplaget / daß keines Redners Zunge so fertig / die es könte außsprechen / noch keines Dichters Griffel so wol gespitzet / der es könte beschreiben / endlich in Fesseln und Ketten sehen / nunmehr wil ich meine Lust an meinen Feinden haben / und mit Verwunderung schauen / wie es denselben auff ihren Kopff wird vergolten / O GOtt du bist ein gerechter Richter!

JUNKER REINHART machet eine gar tieffe Reverentz. Allerdurchleuchtigste / großmächtigste Königin / allergnädigste Frau / es läst der nunmehr bestätigter und herannahender Friede / euerer Majestät ihre unterthänigste gehorsamste Dienste / durch mich ihren allergeringsten Auffwarter / anmelden / und übersendet deroselben diese beyde eurer Majestät abgesagte Feinde / nemlich den blutdurstigen Mars nebenst dessen gewesenen Stadthalter Wühterich / und zwar überschikt sie diese Unmenschen zu dem Ende / daß E[ure] Majestät dieselbe mag annehmen / tractiren und abstraffen / wie es E[uer][427] Majestät gefällig auch dieser beyden Gesellen zeit währenden Krieges begangene schöne Thaten erfodern.

TEUTSCHLAND. Deine Ankunfft ist uns sehr lieb / Junker Reinhart / sonderlich / dieweil du uns diese verzweiffelte Buben anhero bringest / wir halten uns dieser und vieler anderer empfangenen unschätzbaren Gutthaten halber dem Frieden dermassen hoch verpflichtet / daß wir auch kaum absehen mögen / welcher gestalt wir uns dieser Schuld können entledigen.

MARS. Ja leider / daß mich dieses grosse Unglük getroffen / denn nunmehr großmächtigste Königin / erkenne ich mich für deinen Gefangenen.

TEUTSCHLAND. Ja du grausamer Menschenplager / ist Teutschland nun deine großmächtigste Königin / die du zuvorn viel schnöder und jämmerlicher / als die elendeste Sclavin hast gehalten? Ja Mars du grausames Unthier / bu bist es / der du nebenst deinem verfluchten Wühterich mich hast beraubet / verwundet / geschlagen / und dermassen zugerichtet / daß es der Teuffel auß der Hölle nicht hätte ärger machen können.


Mars und Wühterich fallen für Boßheit zur Erden /wüten und toben / schreien und brüllen grausamlich / drauff spricht.


TEUTSCHLAND. Was schreyet und brüllet ihr ungeheure Bestien noch viel? Wir befehlen dir ernstlich / Reinhart / daß / so bald sich diese beyde Höllenhunde nur im geringsten etwas regen / ja auch nur ruffen / schreien oder brüllen / du ihnen alsobald mit Füssen auff die Hälse tretest / und nicht[428] besser noch höfflicher mit ihnen ümmegehest / als man mit einem rasenden Hunde zu thun pfleget / ich für meine Person werde sie hinfüro der Würdigkeit nicht achten / daß ich diesen blutdürstigen Tyrannen (welche ich ernstlich abzustraffen bedacht bin) auch das geringste Wörtlein auff ihr Vorbringen antworte.

JUNKER REINHART. Allergnädigste Königin / Eurer Majestät ernstlichem Befehl soll mit höhestem Fleisse in schuldigster Unterthänigkeit von mir nachgelebet werden.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 421-429.
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