Scena I.

[164] Perseus, Didas.


PERSEUS kompt herauß gelauffen mit blossem Schwert / reisset die Kleider auff / ist über alle massen grimmig vnd böß / fehet über laut an also zuschreien. O Jhr vnsterbliche Götter / O Jhr hellische Furien, die jhr die Missethaten der sterblichen Menschen zu rechen allezeit bereit seyd / ach kommet doch mir zu hülffe in diesem meinem grimmigen Furor / daß ich durch ewre Rach meinem leichtfertigen Bruder Demetrio, das grosse Vnrecht / so er mir an diesem heutigen Tage hat erwiesen / auff seinen Kopff möge vergelten! Ach weh mir Ellenden / wie ist mirs müglich in dieser grossen Schmach lenger zu leben? Ach wie kans doch mein ritterliches Hertz vnd Gemühte erleiden / daß man sagt: Perseus der berühmbte Printz ist in der Heerschawunge vnd Scharmützel des Macedonischen Kriegesvolckes von seinem Jüngeren dem Demetrio überwunden worden? Ach wie kan ichs immermehr erdulden das man sagt; Des Königes Philippi jüngster Sohn Demetrius ist dem vortrefflichen Printzen Perseo, an Verstandt / Erfahrenheit / Mannheit vnd Tapfferkeit weit überlegen? Nimmermehr sollen meine Ohren anhören eine solche verweißliche Rede mißgönstiger Leute / dehme will ich mit meinem Todt zuvor kommen / ja mit dieser meiner Faust will ich allhie meinem vnglückseligen Leben seine Endtschafft geben / hie will ich wie ein tapfferer Heldt von hinnen scheiden / mit vnaußsprechlicher Künheit will ich diese Thatt vollbringen / mit ewigwehrendem Ruhm will ich meine ritterliche Seele hin zu den allerberühmbtesten Kriegeshelden in die Elisæische[164] Felder schicken / ja mit frewdigem Hertzen will ich mein Blüht vergiessen; Doch wolte ich tausendtmahl frölicher / vnd friedlicher sterben / wenn ich mich erst an meinem verrähterischen Bruder möchte gerochen / vnnd meine Fauste in seinem Blühte gewaschen haben; Alldieweil ich aber leider / leider / an solcher süssen Rach durch Mißgunst der zeit gehindert werde / ey so wil ich meinem nunmehr beschlossenen Raht vnd Vorsatze nach / meinem trawrigen Leben seinen Beschluß geben / Darumb du meine Martialische Seele erschrick nicht / mein Hertz sey frisch vnd wolgemuth / mache dich geschickt vnd bereit den letzten Stich des Todes von meinen Händen zuempfahen.

DIDAS springt eilends hervör. Hilff Mars du grosser Krieges-Gott / was höre ich doch allhie vor ein erbärmliches Lamentieren des vortrefflichen Printzen Persei, Er leufft eilende zu jhm. Ach Durchleuchtigster Printz / aller gnedigster Herr / was zeihen sich E[wer] Durchleuchtigkeit / was gedencken sie / zu was Ende stehen sie allhie mit blossem Gewehr / was soll doch das lamentieren vnnd Klagen?

PERSEUS sicht sich ümme. Ach Dida mein getrewester Freundt / solte ich nicht klagen / solte ich nicht seufftzen / solte ich nicht trawrig vnd vnmuhtig seyn? Ja billich mag ich mich für den allerunglückseligsten Menschen auff Erden schetzen; Wahrs nicht genug / daß mein leichtfertiger Bruder Demetrius die Favor vnnd Gunst fast aller Macedonier zu sich gerissen? Muste er mich noch dazu in einen solchen Schimpff / Spott vnd Hohn für den Augen jedermennigliches bringen vnd setzen? O Vnglückseliges Scharmützel / O Verfluchete Heerschawunge / O vermaledeites Ritterspiel! Kein lebendiger Mensche sol forthin den Perseum verspotten / dieser heutiger Tag soll auch der letzte meines Lebens seyn / mit diesem kalten Eisen will ich mir augenblicklich davon helffen.[165]

DIDAS. Durchleuchtigster Fürst / gnedigster Herr / ist noch jennige Gnade vnd alte affection gegen meiner Weinigkeit in E[wer] Durchleuchtigkeit Hertzen vorhanden / so bitte ich gantz demühtig vnd vnterthänigst / sie wolle mir / alß deroselben getrewsten Diener / der ich auch bey E[wer] Gnaden Leib vnd Leben / Guht / Ehr vnd Blüht auffzusetzen mich erbiehte / allergnedigst audientz ertheilen.

PERSEUS. Dida mein Freundt / ob wol mein Hertz mit einer so hefftigen Schwermütigkeit ist ümbgeben / daß mirs auch anitzo ohnmüglich anderen Discoursen lange zuzuhören / jedoch die hertzliche Liebe vnd Zuneigunge so ich gegen euch jederzeit getragen / angesehen / wil ich euch vor dißmahl ewrer Bitte gewehren.

DIDAS. Durchleuchtigster Fürst / gnedigster Herr / mit höchster Verwunderunge vnnd fast vngläublicher Entsetzung vernehme ich / daß E[wer] Durchleuchtigkeit sich so höchlich wegen des gestrigen abgegangenen Scharmützels bekümmert / auch dergestalt / daß sie jhr selbsten deßwegen arges zuzufügen bedacht ist / welches doch die heilige Götter jhrer vnermeßlichen Barmhertzigkeit nach allergnedigst abwenden wollen. Jch zwahr alles fleissig erwegend / lasse mir gentzlich bedüncken / daß diese E[wer] G[naden] Melancholey vnd Trawrigkeit gantz vnd gahr vnnütze vnd vorgeblich ist / in betrachtunge daß jenige / was in dieser Heerschawunge passieret / E[wer] G[naden] ja gantz vnnd gahr zu keinem Nachteil / Schimpff / Spott noch Schaden / mag gereichen; Denn / wer weiß nicht daß E[wer] G[naden] vor den Mannhafftesten / tapffersten vnnd vortrefflichsten Ritter vnd Kriegesheldt des Macedonischen Reichs / ja wol so der gantzen Welt gehalten vnd außgeruffen werden / wenn nu schon deroselben vntergebene Soldatesca nicht also vnd dergestalt sich verhalten hette / wie jhr billig gebühren wollen / lieber wer wolte deroselbe Forchtsamkeit vnd verzagtes Fechten E[wer] Durchleuchtigkeit (deren hochrühmliche[166] qualiteten auch der Himmel selbst rühmen vnd erhöhen muß) imputieren vnnd zumessen / der muste ja warlich über alle massen vnverstendig / grob vnnd indiscret seyn: Dannenhero sehen E[wer] F[ürstliche] G[naden] wie dieselbe so gahr sich nicht zu bekümmeren haben / vielmehr aber sollen sie eintzig vnd allein dahin bedacht seyn / wie sie den Hochmuth jhres Bruders Demetrij brechen / jhn selber auß dem Weg reumen / auff daß eusserste verfolgen / vnd sich also grausahmlich an jhme vindiciren vnd rechen mögen / hiedurch wird nicht allein E[wer] Durchl[euchtigkeit] bey gegenwerdigem Stande eines friedlichen / vnd frölichen Lebens gesichert seyn / besonderen sie wird auch bey künfftiger Zeit das Königreich Macedonia alß ein eintziger vnd gewaltiger Monarch glücklich vnd wol regieren vnd gubernieren können.

PERSEUS. Warlich Dida mein getrewster Freundt / ewer wollgemeinter Raht vnd vntertheniges Erbiehten / haben mir mein Gemühte Sinne vnd Gedancken sehr alterieret, so / daß ich auch mein Vornehmen diesesmahl zu enderen gentzlich bedacht bin / derowegen ich nun hiemit an Eydes-Stadt allen Himlischen Götteren verspreche vnd angelobe / Tag vnd nacht dahin eintzig vnnd allein zu trachten / wie ich mich an meinem leichtfertig[gen] vnnd verrähterischen Bruder auff das grausahmlichste rechen möge! will mich derowegen / der vergangenen Dinge halber / die im passirten Scharmützel sich zugetragen / nicht mehr so hefftig bekümmern / angesehen kein eintziger Mensche so kühn / der mir die Träg- vnd hinlessigkeit meiner vndergebenen Soldaten vorwerffen noch spöttlich verweisen dörffte. Eines aber ist noch übrig / welches mein Hertz über die massen beschweret / daß nemblich diesem vnglückseligen Scharmützel / das gantze Königliche / Fürstliche vnd Adeliche[167] Frawenzimmer beygewohnet / vnd vnter denselben die auch allerschönste / ja auch göttlichste Junckfraw Eudocia des Statthalters Poridis eintziges Töchterlein / deren mehr alß Menschliche Schönheit / löbliche Zucht / Adeliche Gebehrden vnd übermessige Tugenden mich zwingen / sie über alle Schätze der Welt zu lieben / bin aber biß anhero dermassen vnglückselig gewesen daß sie meiner hertzlichen Liebe weiniger denn nichtes geachtet / so / daß ich auch weder durch bitten noch flehen / weder durch Geschencke noch freundtliche Worte jhre Gnade erlangen mögen / vnd zwahr es möchte dieser schimpflicher Handel nicht weinig dazu helffen / daß ich auch nimmermehr jhre Hulde vnd Freundtschafft erlangete.

DIDAS. Durchleuchtigster Fürst / gnedigster Herr / ich bitte vnterthenigst / es wollen sich E[wer] G[naden] dieser Vrsachen halber gantz vnd gahr nicht betrüben noch irre machen lassen / denn / ob schon die Jungkfraw Eudocia sich noch zur zeit etwas wegert / E[wer] Fürstliche Gn[aden] begehren zu willfahren / so zweiffele ich doch nicht / die Zeit vnnd das Glück / werde solches bald enderen; Zu dem Ende verobligiere ich mich hiemit E[wer] G[naden] festiglich / das ich mich höchstes fleisses bemühen will / solche Mittel zu erfinden / durch welche nicht allein E[wer] G[naden] an jhrem verrähterischen Bruder sich rechen könne / besonderen auch die allerschönste Eudocia deroselben in kurtzem möge zu theile werden.

PERSEUS. O Dida mein getreuster Freundt / wie höchlich werde ich durch solches dein vnterthäniges Erbiehten erfrewet / ich will warlich solche grosse Trewe Zeit meines Lebens so gnedigst zuerkennen / vnnd solche rühmliche Dienste mit Fürstlicher Liberalitet anzusehen vnd compensieren wissen /[168] aber laß vns hinein eilen / damit jetzgedachte vnsere Anschläge auff das fürderlichste ins Werck gerichtet werden.

DIDAS. Gnedigster Herr / wie es Ewer Gnaden gefelt Nun sicht er des Knapkäsen verlauffene Trommel vnd Mußqueten auff dem Platze liegen. Aber sich da / woher kommen die Mußqueten / vnnd dort sehe ich auch eine Trommel. Hilff Jupiter, auff der Trummel ist mein Wapen / wo mir recht / ist es deren eine / die ich zu behueff meines Regiments machen lassen / von welchen ich dem wunderlichen Narren Hans Knapkäsen eine habe geben lassen.

PERSEUS. Herr Obrister / wer ist der Knapkäse?

DIDAS. Gnediger Herre / es ist gahr ein abenttheurlicher Mensche / von seltzahmen qualiteten / hat stets bey mir angehalten / ich möchte jhme eine charge geben / nach dehme ich nun endlich dem Narren kurtzweils halber befohlen / daß er eine Compagnie richten soll / so höre ich / daß er jetzo / Krumme / Lahme vnd Blinde annimbt / vnd hat doch in der geraumen Zeit nicht mehr alß drey Mann geworben.

PERSEUS. Daß mag ich warlich wol lachen / der muß ein seltzamer Haan seyn / hat er sich etwa sonsten in Kriegen versuchet.

DIDAS. Durchauß nichtes gnedigster Herr / er ist nicht allerdings Klug von Sinnen / ich halte nicht daß er sein lebtag eine Pistole gelöset / ja er weiß keinen Degen recht außzuziehen / so bald er ein bloß Gewehr sicht / laufft er davon / alß wehre der Teuffel hinter jhm her. Mann kan so Zeit vertreib vnd Kurtzweil mit jhm haben.

PERSEUS. Jst mir recht / so hab ich von dem Kerl gehört / er sol gahr ein seltzahmer Phantast seyn.[169]

DIDAS. Ja warlich gnedigster Herr / wegen seiner lächerlichen Auffzöge vnd Possen habe ich jhn gemeinlich gerne bey mir / er hat mich mannichmal lustig gemachet.

PERSEUS. Wollan Dida, wir wollen hinein gehen / vnd den Knol zu vns holen lassen / was gilts er soll mir die Melancoley vertreiben. Gehen beyde ab.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 164-170.
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