Die mördersgruben zu Rom

[305] In der froschweis Frauenlobs.


27. april 1553.


1.

Vor alters war in Rom der stat

ein große pfistrei, darin hat

man brot bachen frü unde spat

für die ganzen gemeine.

Necher dem bachhaus war ein mül,

trieb ein arm von der Tiber kül,

mit vil gengen, die tiefen hül

sun noch mon nie bescheine.

Das wert vil jar aufrichtig zwar

gemeinem nutz zu steuer;

entlich kam dar ein mülner, war

ein mörder ungeheuer;

der ließ tafernen machen um

gemeltes bachhaus umundum,

darein gemeine weiber num.

hört wunder abenteuer!


2.

Wer zu den metzen kam hinein,

wan der beladen wur mit wein,

fürtens den in ein kemerlein,[305]

da wart gerüst ein fallen,

Dardurch fiel er nab mit betrug

int mül, da in das gsind erschlug,

geld und kleider man im abzug,

also ging es in allen,

Wer drein tet gan. also manch man

ward in der stat verloren.

das bachhaus schon, das ist darvon

ein mördersgruben woren.

und das weret so lang zu Rom,

bis Theodosius mit nom,

der groß keiser, auch dahin kom

mit seim her auserkoren.


3.

Seiner diener einer mit graus

ward auch gesprengt durch das bachhaus,

doch schlug er sich von in heraus,

zeigt das dem keiser ane.

Der nam ein dis bachhaus zuhant,

vil toter körper darin fant,

mit feuer es zu grunt verbrant

fing darin weib und mane.

Becken, mülknecht er all radbrecht

und die huren ertrenket.

Sokrates, secht! durch strenges recht

diser geschicht gedenket.

hie merk die weltlich obrikeit,

was sie zu gmeinem nutz bereit

kumt in ein misbrauch mit der zeit

durch eigennutz gekrenket.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 305-306.
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