[40] In der silberweis Hans Sachsen.
1520.
1.
Einmal ging ich spaziren,
mit freudenreich begiren
im grünen walt refiren,
mein herz gar frölich was;
Fein die waltvögel sungen
in gar mancherlei zungen,
auf den esten sich schwungen;
freutreich ging ich fürbas[40]
Ein enge ungetribne pfat
im walde ab gen tal
an ein wunderseltsame stat,
da tet ich einen fal
tief unter sich in ein wolfsgrub;
mein herz ser zu trauren anhub.
fünf wölf funt ich daniden,
mein herz vor ang war biden,
doch ließens mich zufriden
weil ich geschmucket saß.
2.
Oft die wölf um mich gingen,
ser zu heulen anfingen;
als ich sie höret singen
mit ir wölfischen stim,
Hoft ich, hult zu erlange,
und sang, das es erklange,
gut scharf meistergesange;
erst wurden die wölf grim:
Da ich nit heulen wolt als sie,
da bleckten sie die zen
und wolten aus mich sprengen ie,
mein har gen berg wurt sten.
vor angst ließ ich ein lauten schal,
das es im wilden walt erhal;
in dem da kam der jeger,
diser wolfsgrub ein pfleger,
fant mich in dem geleger,
zog mich hinauf zu im.
3.
Der kunt mich baß besprachen,
da ich erzelt all sachen,
fieng er mein an zu lachen,
sprach: »hastu nie gehert:[41]
Wer mit wölfen wil geulen,
der muß auch mit in heulen,
sunst tun sie sich balt meulen
und ist bei in unwert.«
Darum ist ein wölfischer wolf
ein unverstanden tir,
weil gut gesang an in nit holf,
heulen liebt in darfir.
darum den wölfen nimmer trau,
gib in darfür ein feiste sau,
das sie haben ein schlampe,
der freut sie alda sampe.
sie singen nur lamp lampe
geleich heuer als fert.
Buchempfehlung
Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro