Klage

[40] Kein Cedernbaum von Libanon,

Kein Lorbeer aus Apollos Haine,

Kein Pindus und kein Helikon

Zum Göttersitze für die Neune –[40]


Kein Tempe blühet um mich her,

Kein Schäferland, der Zeiten Wunder;

Mein Himmel hängt von Donnern schwer,

Schwarz wie die Nacht, auf mich herunter.


Aus keinem dunklen Busche wallt

Für mich ein Lied der Philomele,

Aus Trümmern alter Schlösser schallt

Des Uhus Gram aus rauher Kehle.


Nie seh' ich, falscher Bacchus, dich

Aus der krystallnen Flasche winken,

Mit Fischen muß ich kümmerlich

Im Wasser meinen Durst vertrinken.


Statt weicher Rasen sitze ich

Auf zugespitzten harten Felsen,

Und seh' es, wie sich fürchterlich

Die Ströme in die Thäler wälzen.


Wenn giftgeschwollne Hydern mir

Die dreigespitzte Zunge weisen;

So flieh' ich, daß die Dornen mir

Das Fleisch von meinen Fersen reißen.


Ich trage – Schweiß im Angesicht!

Die Last herkulischer Geschäfte;

Nur Herkuls Keule hab' ich nicht,

Und seiner Schultern Riesenkräfte.


Doch mitten in dem Kummer braust

In meiner Brust olympisch Feuer,

Und stürmend schlägt die kühne Faust

Die Silbersaiten meiner Leier.


Oft tönt sie wie ein Wetter laut,

Um meine Furcht zu überschreien,

Wenn der erschrocknen Seele graut

Vor Stürmen, die ihr zürnend dräuen.[41]


Wenn zahlreich, wie ein Bienenschwarm,

Die Narren sich um mich verbreiten;

So zupft ein Satyr mich beim Arm

Und deutet komisch auf die Saiten.


Dann brummt der Baß zu ihrer Schmach

In Juvenalischen Gesängen:

Der Satyr geißelt hinten nach,

Und lehrt die fetten Thoren springen.


Doch schleicht die Elegie mir nach

Mit rothem Aug' und starren Füßen;

So lass' ich einen Thränenbach,

Wie Blut aus Abels Wunde, fließen.


Fällt einst mein Trost, die Leier, mir

Aus zitternden entnervten Händen;

So mag Apoll an Gräbern hier

Mein durchgeseufztes Leben enden.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 40-42.
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