Erste Szene

[366] Glostershire. Ein Zimmer in Schaals Hause.


Schaal, Falstaff, Bardolph und Page treten auf.


SCHAAL. Der Tausend noch einmal! Herr, Ihr sollt heute nacht nicht weg! – He, David, sag' ich!

FALSTAFF. Ihr müßt mich entschuldigen, Herr Robert Schaal.

SCHAAL. Ich will Euch nicht entschuldigen; Ihr sollt nicht entschuldigt sein; Entschuldigungen sollen nicht zugelassen werden; keine Entschuldigung soll was gelten; Ihr sollt nicht entschuldigt sein. – Nun, David!


David kommt.


DAVID. Hier, Herr.

SCHAAL. David, David, David, – laß mich sehn, David, laß mich sehn, – ja, wahrhaftig: Wilhelm der Koch, den heiß' mir herkommen! – Sir John, Ihr sollt nicht entschuldigt sein.

DAVID. Ja, Herr, das war's: Die Verhaftsbefehle hier sind nicht anzubringen; und dann, Herr: – sollen wir das Querland mit Weizen besäen?

SCHAAL. Mit rotem Weizen, David. Aber wegen Wilhelm dem Koch, – sind keine jungen Tauben da?

DAVID. Ja, Herr. – Hier ist nun des Schmieds Rechnung fürs Beschlagen und die Pflugeisen.

SCHAAL. Zieh' die Summe und bezahl' es! – Sir John, Ihr sollt nicht entschuldigt sein.

DAVID. Ferner, Herr, wir müssen durchaus eine neue Kette an dem Eimer haben; – und, Herr, denkt Ihr dem Wilhelm[366] was von seinem Lohne zurückzuhalten wegen des Sacks, den er letzthin auf dem Markte zu Hinkley verloren hat?

SCHAAL. Er muß ihn ersetzen. – Einige Tauben, David, ein paar kurzbeinige Hennen, eine Schöpskeule und sonst ein allerliebstes kleines Allerlei: sag das Wilhelm dem Koch!

DAVID. Bleibt der Kriegsmann den ganzen Abend hier, Herr?

SCHAAL. Ja, David, ich will ihm gut begegnen: ein Freund am Hofe ist besser als ein Pfennig im Beutel. Begegne seinen Leuten gut, David, denn es sind ausgemachte Schelme und schwärzen einen hinter dem Rücken an.

DAVID. Nicht ärger, als sie selbst hinter dem Rücken angeschwärzt sind, Herr, denn sie haben erschrecklich schmutzige Wäsche an.

SCHAAL. Ein schöner Einfall, David! An deine Arbeit, David!

DAVID. Ich bitte Euch, Herr, Wilhelm Visor von Woncot gegen Clemens Perkes vom Berge zu unterstützen.

SCHAAL. Gegen den Visor kommen viele Klagen ein, David; der Visor ist ein ausgemachter Schelm, soviel ich weiß.

DAVID. Ich gestehe Euer Edlen zu, daß er ein Schelm ist, Herr; aber da sei Gott vor, Herr, daß ein Schelm nicht auf die Fürsprache eines Freundes einige Unterstützung finden sollte. Ein ehrlicher Mann, Herr, kann für sich selbst sprechen, wenn ein Schelm es nicht kann. Ich habe Euer Edlen treulich seit acht Jahren gedient, Herr; und wenn ich nicht ein oder ein paar Mal in einem Vierteljahr einem Schelm gegen einen ehrlichen Mann durchhelfen kann, so habe ich auch gar zu wenig Kredit bei Euer Edlen. Der Schelm ist mein ehrlicher Freund, Herr, darum bitte ich Euer Edlen, laßt ihm Unterstützung angedeihen!

SCHAAL. Gib dich zufrieden, ich sage, ihm soll nichts geschehen. Sieh nach allem!


David ab.


Wo seid Ihr, Sir John? Kommt, die Stiefeln abgelegt! Gebt mir die Hand, Meister Bardolph!

BARDOLPH. Ich freue mich, Euer Edlen zu sehn.[367]

SCHAAL. Ich danke dir von ganzem Herzen, mein lieber Meister Bardolph; – Zu dem Pagen. und willkommen, mein starker Mann! Kommt, Sir John! Schaal ab.

FALSTAFF. Ich komme nach, lieber Herr Robert Schaal. Bardolph, sieh nach unsern Pferden!


Bardolph und Page ab.


Wenn ich in Portionen gesägt würde, so könnte man vier Dutzend solcher bärtigen Klausnerstöcke aus mir machen, wie Meister Schaal. Es ist ein wunderliches Ding, den gegenseitigen Zusammenhang zwischen dem Geist seiner Leute und dem seinigen zu sehn: sie, indem sie ihn beobachten, betragen sich wie alberne Friedensrichter; er wird durch den Umgang mit ihnen in einen friedensrichterlichen Bedienten verwandelt; ihr Wesen ist durch den geselligen Verkehr so miteinander vermählt, daß sie sich immer einträchtig zusammenhalten wie ein Haufen wilder Gänse. Hätte ich ein Gesuch bei Meister Schaal, so wollte ich seine Leute damit guter Laune machen, daß ich ihnen Ähnlichkeit mit ihrem Herrn zuschriebe; bei seinen Leuten, so wollte ich Meister Schaal damit kitzeln, daß niemand seinen Bedienten besser zu befehlen wisse. Es ist gewiß, sowohl weises Betragen als einfältige Aufführung nimmt einer vom andern an, wie Krankheiten anstecken: deswegen mag sich jeder mit seiner Gesellschaft vorsehen. Ich will aus diesem Schaal Stoff genug ziehn, um Prinz Heinrich in beständigem Gelächter zu erhalten, sechs neue Moden hindurch, was so lange dauert als vier Gerichtstermine, oder zwei Schuldklagen, und er soll ohne Intervallum lachen. Oh, es ist viel, daß eine Lüge mit einem leichten Schwur und ein Spaß mit einer gerunzelten Stirn bei einem Burschen, der niemals Schulternweh gefühlt hat, ihrer Sachen gewiß sind! Oh, ihr sollt ihn lachen sehn, bis sein Gesicht aussieht wie ein nasser, schlecht zusammengefalteter Mantel.

SCHAAL draußen. Sir John!

FALSTAFF. Ich komme, Herr Schaal! Ich komme, Herr Schaal!


Ab.[368]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 366-369.
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