Vierte Szene

[606] Garten des Herzogs von Gloster.


Grete Jordan, Hume, Southwell und Bolingbroke kommen.


HUME. Kommt, Leute: die Herzogin, sag' ich euch, erwartet die Erfüllung eurer Versprechungen.

BOLINGBROKE. Meister Hume, wir sind darauf geschickt. Will Ihro Gnaden unsre Beschwörungen ansehen und hören?

HUME. Ja wohl; was weiter? Seid wegen ihres Mutes nicht besorgt.

BOLINGBROKE. Ich habe sagen hören, sei sie eine Frau von unüberwindlichem Geist. Aber es wird dienlich sein. Meister Hume, daß Ihr droben bei ihr seid, derweil wir unten beschäftigt sind, und so bitte ich Euch, geht in Gottes Namen und verlaßt uns.


Hume ab.[606]


Mutter Jordan, streckt Euch nieder und kriecht an der Erde; – Johann Southwell, lest Ihr; und laßt uns an unsre Arbeit gehn.


Die Herzogin erscheint auf einem Balkon.

HERZOGIN. Das macht ihr gut, Leute, und seid alle willkommen. Ans Werk! Je eher, je lieber.

BOLINGBROKE.

Geduld nur: Zaubrer wissen ihre Zeit.

Die tiefe, finstre Nacht, das Grau'n der Nacht;

Die Zeit, da Troja ward in Brand gesteckt;

Die Zeit, wo Eulen schrein und Hunde heulen,

Wo Geister gehn, ihr Grab Gespenster sprengen:

Die ziemt sich für das Werk, womit wir umgehn.

Sitzt, gnäd'ge Frau, und bangt nicht: wen wir rufen.

Den binden wir in dem geweihten Kreis.


Hier verrichten sie die gehörigen Zeremonien und machen den Kreis; Bolingbroke oder Southwell liest: Conjuro te etc. Es donnert und blitzt entsetzlich dann steigt der Geist auf.


GEIST.

Adsum.

GRETE JORDAN.

Asmath,

Beim ew'gen Gott, des Namen und Gewalt

Du zitternd hörst, antworte, wie ich frage!

Denn bis du sprichst, sollst du von hinnen nicht.

GEIST.

Frag', wie du willst. – Hätt' ich doch erst gesprochen!

BOLINGBROKE liest von einem Zettel ab.

»Zuerst vom König. Was geschieht mit ihm?«

GEIST.

Der Herzog lebt, so Heinrich einst entsetzt.

Jedoch ihn überlebt und stirbt gewaltsam.


So wie der Geist spricht, schreibt Southwell die Antwort auf.


BOLINGBROKE.

»Welch ein Geschick erwartet Herzog Suffolk?«

GEIST.

Durch Seefahrt kommt er um und nimmt sein Ende.

BOLINGBROKE.

»Was wird dem Herzog Somerset begegnen?«

GEIST.

Er meide Burgen;

Viel sichrer wird er sein auf sand'ger Ebne.

Als wo Burgen stehn getürmt.

Mach' nun ein Ende: mehr ertrag' ich kaum.[607]

BOLINGBROKE.

Steig' nieder in die Nacht zum feur'gen Sumpf:

Verworfner, heb' dich weg!


Donner und Blitz. Der Geist versinkt.


York und Buckingham treten eilig mit Wachen und andern auf.


YORK.

Packt die Verräter fest und ihren Plunder!

Altmutter, Euch belau'rten wir aufs Haar! –

Wie, gnäd'ge Frau? Ihr dort? Der König und das Land

Sind Euch für dies Teil Mühe höchst verpflichtet.

Mylord Protektor wird, ich zweifle nicht,

Euch wohl belohnen für so gute Dienste.

HERZOGIN.

Nicht halb so schlimm wie deine für den König,

Verwegner Herzog, der ohn' Ursach' droht.

BUCKINGHAM.

Recht, gnäd'ge Frau, ohn' Ursach'. Kennt Ihr dies?


Er zeigt ihr die Papiere.


Fort mit dem Volk! Sperrt eng sie ein und haltet

Sie auseinander. – Ihr, gnäd'ge Frau, mit uns;

Stafford, nimm sie zu dir! –


Die Herzogin von oben ab.


Eu'r Spielzeug soll nun alles an den Tag. –

Mit allen fort!


Wachen ab mit Southwell, Bolingbroke u.s.w.


YORK.

Lord Buckingham, Ihr habt sie gut belauert.

Ein hübscher Anschlag, um darauf zu baun!

Nun, bitte, laßt des Teufels Handschrift sehn.

Was gibt es hier?

Liest.


»Der Herzog lebt, so Heinrich einst entsetzt,

Jedoch ihn überlebt und stirbt gewaltsam.«

Ja, das ist richtig:

Aio te, Aeacida, Romanos vincere posse.

Gut, weiter nun!

»Sag, welch Geschick erwartet Herzog Suffolk?

Durch Seefahrt kommt er um und nimmt sein Ende.

Was wird dem Herzog Somerset begegnen?

Er meide Burgen.[608]

Viel sichrer wird er sein auf sand'ger Ebne,

Als wo Burgen stehn getürmt.«

Kommt, kommt, ihr Herrn!

Zu den Orakeln kommt man mit Beschwer,

Und schwer versteht man sie.

Der König ist im Zug nun nach Sankt-Albans,

Mit ihm der Gatte dieser werten Dame.

Dahin geht dies nun, so schnell ein Pferd es tragen kann;

Ein traurig Frühstück für Mylord Protektor.

BUCKINGHAM.

Mylord von York, erlaubet mir, daß ich

Der Bote sei, in Hoffnung seines Lohns.

YORK.

Nach Eurem Belieben, bester Lord. – He, ist niemand da?


Ein Bedienter kommt.


Die Lords von Salisbury und Warwick ladet

Mit mir zu speisen morgen abend. – Fort!


Ab.[609]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 606-610.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon