Der kastilische Ritter

[154] 1.

»Bester Ritter von Kastilien!

Wann die fernen Berge tosen,

Mein ich deinen Kampf zu hören:

Doch es ist des Donners Rollen.

Wann es hinter jenen Höhen

Rot und golden glüht am Morgen,

Mein ich, daß du wollst erscheinen:

Doch es kommt herauf die Sonne.«


2.

»Darum ward ein Weg betreten

Längst von Pilgern, Sängern, Wappnern,

Darum ward ein Schloß erbauet,

Herrlich, an des Weges Rande,

Darum schaute von den Zinnen

Bis auf mich wohl manche Dame:

Weil der schönste, kühnste Ritter

Sollte hier vorüberfahren.

Wehe nun! es ist erfüllt,

Was so lange ward erharret.

Weh! die Augen werden brechen,

Die so hohen Adel sahen.

Weh! die Mauern werden sinken,

Drin des Rosses Tritt verhallet.

Weh! der Pfad, den er verließ,

Wird vergehn in hohem Grase.«


3.

Nimmer mochten ihn verwunden

Liebesblicke süßer Schönen,

Nimmer mochten ihn bezwingen

Schwerterschläge, Lanzenstöße.

Als er einsam ritt auf Bergen,

Fuhr ein Blitz aus dem Gewölke;

Und so ist er unterlegen

Nur dem Strahl von Himmelshöhen.
[154]

4.

Schwarze Wolken ziehn hinunter,

Golden strahlt die Sonne wieder,

Fern verhallen schon die Donner,

Und die Vögelchöre singen;

Blumen heben sich und Bäume,

Sind erfrischet vom Gewitter,

Wanderer, die sich geborgen,

Schreiten wieder rasch von hinnen:

Nur des Waldes höchste Eiche

Hebt nicht mehr die stolzen Wipfel,

Nur Kastiliens bester Streiter

Bleibt am Fuß der Eiche liegen.


5.

Alle Damen schmachten, hoffen,

Ihn, den Schönsten, zu empfahen;

Alle Mohren zagen, zittern

Vor des kühnsten Streiters Nahen.

Damen! würdet nicht mehr hoffen,

Mohren! würdet nicht mehr zagen,

Wüßtet ihr, daß im Gebirge

Längst Gewitter ihn erschlagen.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 154-155.
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