4.

[273] Da standen wir auf den Hügeln, und

Romantisch ward mir zumute –

Politische Freunde müssen dies

Gefälligst mir halten zugute.
[273]

Und ich sang: »Was mag es bedeuten doch,

Daß ich o so traurig binne?

Ein Mädchen aus alten Zeiten, ach,

Das kommt mir nicht aus dem Sinne!«


Da fiel Herr Soherr mir eilig ins Wort:

»Nicht ein Mädchen – ein Märchen! sagt Heine!''

Und zusammenschrak ich, und mein Verstand

Kam wiederum auf die Beine.


»Der Stadtkommandant, Herr Engels, der hat

Die Macht jetzt, die materielle.

Doch Herr Joseph DuMont in Köln, der besitzt

Die intellektuelle.


Denn die Kölnische Zeitung ist einzig allein

Der Unterdrückung entgangen;

Die andern Blätter wurden verpönt,

Gebraten, gesotten, gehangen.


Die Kölnische Zeitung ward lang redigiert

Mit Rotstift und Schere, nicht ohne

Talent von der alten Frau DuMont, doch

Die starb, und Joseph, dem Sohne,


Überließ sie das hübsche Annoncengeschäft,

Und Joseph ist reich geworden

An den Gütern des Glücks und bekommt gewiß

Auch bald noch seinen Orden. –
[274]

Herr Joseph ist ein trefflicher Mann!

Bis zur Revolution noch schrieb ich

Unsterbliche Feuilletons für sein Blatt –

Und stets sein Verehrer blieb ich.


Doch wie sich manche Verbindung löst,

So ging auch unsre zu Ende,

Und das Feuilleton kam in Levy, des

Romantischen Schmules Hände.


Herr Levy schmult das Feuilleton;

Doch mit 'breitgeschnittener Feder'

Die Leitartikel Herr Brüggemann schreibt –

Die weiß zu schätzen ein jeder.


Herr Levy und Herr Brüggemann,

Die schreiben mit Anstand und Sitte –

Ein borstig, niedrigstirniger Kerl

Ist in dem Bunde der dritte.


Ein Pommer zwar von Geburt, überragt

Er doch noch Herrn Wolffers, ich finde,

Daß dieser ein Belgier ist – o Gott,

Vergib mir meine Sünde!


Ein Levy und ein Brüggemann,

Ein Flandre und ein Kalmücke:

Die sind's, so erleuchten die Rheinprovinz

Mit ungewöhnlichem Glücke!
[275]

O Joseph, wie preis ich glücklich dich,

Du hast, was die Erde bietet:

Du hast dir für dein gutes Geld

Die vier besten Kerle gemietet!


Ja, lieber Herr Soherr, glauben Sie dreist

An des Vaterlandes Genesung,

Solang noch die Kölnische Zeitung sprießt

Aus der allgemeinen Verwesung.


Verwesungsrüchig noch manches Jahr

Wird sie duften vom Pol zum Äquator,

Wenn längst verschwunden Sie und ich

Und Herr Engels, der köln'sche Diktator.


Der Brite Coleridge roch zu Köln

An die siebzig verschiedne Gerüche;

Darunter gewiß auch den Gestank

Aus Josephs politischer Küche.«

Quelle:
Georg Weerth: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Band 1, Berlin 1956/57, S. 273-276.
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