26. Auf den Hingang des Reichs-Cammer-Präsidenten, Graf Friedrich Carls zu Solms

[77] 1723.


Gehts fort, du grosser Solms! entbrichst du dich der Zeit,

Weil dich doch keine Zeit der Last entbrechen mögen?

Wohlan, so eile dann zur stolzen Ewigkeit,

Auf! folge diesem Ruf, zur Ruhe! geh im Segen.


Ja! trit der Bosheit Stolz nun unter deinen Fuß,

Die Ungerechtigkeit, die dir das Herz gebrochen:

Von dieser Tages-Last und stündlichem Verdruß

Ist dein befreyter Geist nun ewig gesprochen.


Ihr, die ihr eure Last nach Gottes weisem Rath,

Als ein bescheiden Theil noch eine Weile traget:

Ihr, deren Treue sich fürs Recht bemühet hat;

Kommt höret, was man ihm zum letzten Lob-Spruch saget.


Ich rufete hierzu die Feinde selber auf;

Denn seiner Tugend Preis bedarf wol keiner Freunde,

Die aus Ergebenheit ihm krönen seinen Lauf:

Allein, er saget uns: Er habe keine Feinde.
[77]

Ist, theurer Friedrich Ernst, kein widriger zur Hand,

Den deine Würdigkeit zum Augen-Zeugen habe?

Wie Ueberwundne sonst dem Sieger vorgespannt;

So weint ja alles Volk zugleich bey deinem Grabe.


Dir aber, dem es nie um Ruhm und Ehre galt,

Dir, dessen wahrer Preis in Niedrigkeit gegrünet,

Dir ist in deinem Sitz: Der Wonne Auffenthalt,

Mit einer Blumen-Streu aufs Grab, nicht viel gedienet.


Doch werden die ins Recht hinein verwikkelt steh'n,

Die in dem Jammerthal vor der Chicane Tischen,

Oft voll Verzweifelung um Trost und Hülfe fleh'n,

Dir wenigstens den Staub mit ihren Thränen mischen.


Herr! der du diesen Knecht der Welt geliehen hast,

Und gönnest Deinem Volk, Dich Freundlichen zu loben,

Sey für des Seligen nun abgelegte Last,

Für seine Tugenden und alles, hoch erhoben!


Gelobt sey Deine Kraft, die durch Benignä Hand

(Das arbeitsame Glied des Ausbunds aller Frauen,)

Den Grafen als ein Kind bereits dahin gewandt,

Sich einen Felsen-Bau, kein Karten-Haus, zu bauen.


Gelobt sey dein Befehl, der ihn zum Dienst ernennt,

Dort, wo Gerechtigkeit schon lange thronen können,

Wohin der helle Hauff bedrükter Menschen rennt,

Die ausgewichne Ruh durchs Rechten zu errennen.


Du selbst Gerechtigkeit! sey ewig benedeyt,

Daß Du gar frühe schon ihn damit angezogen,

Was so viel Tausende in ihrer Noth erfreut,

Und daß sein Richter-Stab sich seitwerts nie gebogen.


Monarche aller Welt, der Kinder Freuden-Klang

Ob deiner Herrlichkeit ist hoch empor gedrungen,

Die in dem Seligen der Tugend einen Rang,

Der ihr so selten ist, auch in der Welt erzwungen.
[78]

Der Kaiser lobet dich, des Scepter, Kron und Reich

Dein ausgerekter Arm mit Wohlthun unterstützet;

Der Kaiser, der dich kennt, bekennet diß zugleich,

Daß dieses Grafen Dienst ihm und dem Reich genützet.


Das Teutsche Kaiserthum, dem grosse Könige,

Als Fürsten pflichtbar sind, die Perl der Monarchien,

Schikt billig seinen Dank durch die gestirnte Höh,

Daß es in seinem Schooß, ihn mögen auferziehen.


Du ewiger Regent, Dich betet Laubach an,

Und preiset Deine Treu, für diesen seinen Grafen,

Ja, es erzehlet Dir, wie viel er Guts gethan,

Ihm schikts die Sehnsucht nach bis in den frohen Hafen.


Das hohe Haus von Solms, daraus er hergestammt,

Erkennt den grossen Werth des theuren Diamanten,

Der nun beym Todten-Licht recht in die Augen flammt

Auch denen, welche ihn am Tage so nicht kanten.


Wer unter ihrer Zahl, wer eiferte dann nicht,

Dem Hochbeseligten an Tugenden zu gleichen?

Zu leuchten in der Welt, als so ein reines Licht,

Und dann der Sterblichkeit, so funkelnd zu entweichen?


Laß, Liebe! jeglichen, den dieser Name ziert,

Auch einen solchen Glanz der Tugend rükwerts strahlen.

Dich aber, ohne den uns lauter Irrlicht führt,

Mußt Du zu diesem Zwek vor aller Augen mahlen.


Die hinterlaßne Frau, die laß im Segen blühn,

Beliebe ihr nunmehr viel Weisheit zu ertheilen,

Des treflichen Graf Carls und Ysenburgs Bemühn,

Laß den verwäysten Staat an seinen Wunden heilen.


Die Kinder, welche noch in dieser Hütte sind,

(Und von der Wiege an in Fährnis bis zum Grabe,)

Die pfropfe gar in Dich, und zeitige geschwind,

Daß ihre gute Frucht uns alle künftig labe.
[79]

Dein Segen breite sich in Laubach weiter aus;

Die Dir geweyhte Schaar wirds wol von Dir erhalten,

Und baue deiner Ruh daselbst ein bleibend Haus;

So wird Gerechtigkeit und Friede drinnen walten.


Ihr aber, Sterbliche! die ihr in dieser Welt

So einen Namen habt, der etwas soll bedeuten,

Und den man insgemein für Standes-Würde hält,

Lernt, wie der Selige, um wahre Würde streiten.


Ihr wißt: Graf Friedrich Ernst ward Landes-Herr genennt.

Er war ein wirklicher geheimbder Rath von Kaisern,

Im hohen Reichs-Gericht der erste Präsident,

Die Burg von Solms prangt so mit Majestätschen Häusern.


Allein Er wußte es, daß diese Ehre nicht

Das Wesen selber war, wie etwa viele meynen:

Das von der Gottheit selbst in Ihm entflammte Licht

Begont in seinen Geist viel heller einzuscheinen.


Und als Er itzo nun vor seinen Herren trat,

Vom anvertrauten Pfund die Rechnung abzulegen;

Da eben zeigte sich, gleich als auf frischer That,

Des Adels aus der Höh durch Blut erkämpfter Segen.


Welch irdisch hoher Stand trotzt jener Ewigkeit,

Allein, welch armer Christ kan ihre Furcht nicht jagen?

Drum sucht ein Weiser nur die Schätze in der Zeit,

Die ihre Gültigkeit in ihnen selber tragen.


Horaz und Juvenal verleiden uns die Pracht,

Wenn Menschen mit dem Schmuk geborgter Federn prangen,

Weil sie im Augenblick nur Schimpf und Blöse macht,

Wenn die, dies hergeliehn, ihr Gut zurük verlangen;


Wir Christen stimmen gern zu dieser Meynung ein;

Wir gläuben: Weil die Welt, was sie uns aufgehenket,[80]

Auch gerne wieder nimt; das sey erborgter Schein,

Der Seele aber sey ihr Adel-Stand geschenket.


Ist dieses ausgemacht; so lernt ihr Sterbliche,

Ihr seyd so groß ihr wollt, und noch so hochgeboren,

Lernt, wie Graf Friedrich Ernst, daß alles Ding vergeh,

Nur Jesus nicht, und der, den Jesus auserkoren.


Wollt ihr, daß euer Ruhm einst auf Papier gedrükt

Mit dem bestaubten Blat in Jahr und Tag veralte;

So sehet zu, wenn ihr auf hohe Staffeln rükt,

Daß sich die Ehre ja, solang ihr lebt, erhalte.


Wünscht ihr im Gegentheil euch lieber da genennt,

Wo der getreue Zeug' und Hohe-Priester Amen,

Die Streiter ewiglich vors Vaters Stuhl bekennt;

So folgt Demselben nach, ihr tragt ja Seinen Namen.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 77-81.
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