[145] In allen Gassen

Und am gleichen Tage ward Hans Dampf zum Konsul der Republik erkoren und ausgerufen. Er beschwor den ganzen Rat mit Tränen, diese Wahl zurückzunehmen und einen Würdigeren auszulesen. Allein darauf achtete keiner; denn jedermann wußte, daß diese Tränen und dieses demutsvolle Sträuben zum altertümlichen Zeremoniell der Gewählten gehörten.

Nun erst begann die glänzendste Epoche im Leben des großen Hans Dampf oder vielmehr, wie ihn schon die Zeitgenossen zu nennen beliebten, Hans Dampf in allen Gassen. Denn er ward die Seele von ganz Lalenburg, steckte überall, kam überall in die Quere, verzettelte und entzettelte alles links und rechts, ohne es zu wissen oder zu wollen. Wo man liebte, war Hans Dampf, wo man zankte, war Hans Dampf, wo etwas schief ging, war Hans Dampf, wo ein Geheimnis zu aller Welt Wissen kam, war Hans Dampf der erste Helfer.

Gleich den Tag nach der Wahl ward er an fünfundzwanzig Orten zu seinem Viertelhundert Bräuten zu Gaste geladen, ward er – doch der Geschichtsschreiber erschrickt nun selbst vor dem riesenhaften Unternehmen, der Plutarch dieses Helden zu sein. Der Leser erlaube dem Plutarch wenigstens einmal frischen Atem zu schöpfen, um nachher desto kräftiger fortfahren zu können.

(1814)

Quelle:
Heinrich Zschokke: Hans Dampf in allen Gassen. Frankfurt a.M. 11980, S. 145.
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