[1213] Ein und achtzigstes Schreiben.

Nachrichten von der Stadt Wien.

Es hat vor kurzer Zeit Herr D. Joh. Basilius Küchelbecker eine weitläuftige Nachricht vom römischkaiserlichen Hofe nebst einer Beschreibung der Stadt Wien herausgegeben, und werde ich mich dannenhero wenig bey denenjenigen Dingen aufhalten, welche dieser gelehrte Autor schon ausgeführet hat, sondern mich begnügen, hie und da einige Zusätze und Anmerkungen zu machen. Rand rechts: Von des Hrn. D. Küchelbeckers Beschreibung des kaiserlichen Hofes. Was für Widerspruch itztgedachtes Buch in Wien gefunden, ist bekannt, und haben sonderlich die Jesuiten wegen etlicher ihnen verhaßten Wahrheiten, die sie darinnen gefunden, alle Mühe angewandt, um solches Werk gänzlich zu unterdrücken, welches ihnen jedoch nicht gelungen ist.

Die Stadt Wien an und vor sich selbst ist nicht gar groß, besteht nur aus zwölfhundert und drey und dreyßig Häusern, und kann man sie auf dem Glacis in einer starken Stunde umgehen. Rand rechts: Größe der Stadt Wien. Die Anzahl ihrer Einwohner, wie man sicher weis, beläuft sich auf funfzigtausend Seelen. Rand rechts: Anzahl ihrer Einwohner. Allein die Vorstädte, welche rings herum auf fünf bis sechshundert gemeine Schritte von den Befestigungswerken der Stadt entfernet sind, nehmen einen so weitläuftigen Platz ein, daß man vier Stunden braucht, wenn man im Pferdeschritt die gegen die ehemaligen ungarischen Malcontenten im Jahre 1704 angelegten Linien umreiten will, obgleich diese auf beyden Seiten nur bis in die Leopoldstadt sich erstrecken. Wenn man nun diese sämmtlichen Vorstädte mit unter dem Namen von Wien begreift, so steigt die Zahl der Einwohner auf dreymal hundert bis dreymal hundert und funfzigtausend, davon jährlich ohngefähr auf siebentausend zu Grabe getragen werden. Die Straßen in der Stadt sind sehr enge und krumm. Rand rechts: Kaiserliche Quartiersgerechtigkeit. Der kaiserliche Hof hat an eines jeden Bürgerhauses zweytem Stockwerke die Quartiersgerechtigkeit, und weil solches den Eigenthumsherren einen großen Abgang in der Vermiethung bringt, auch ohnedem der Raum gar geringe ist, so suchen sie sich durch die Höhe ihrer Gebäude wieder zu erholen, und findet man daher Häuser von sechs bis sieben Stockwerken. Rand rechts: Höhe der Gebäude. Ja eines von denen Gebäuden, die auf dem Platze, der Hof genannt, zu sehen sind, zählet auf einer Seite sieben und auf der andern acht Stockwerke.

Paris hat mehrere schöne Häuser als Wien, sie fallen aber wegen der Avant-Cours und öfters versperreten Thore nicht genug in die Augen. Rand rechts: Vergleichung der wienerischen und pariser Palläste. Die in der Stadt Wien gelegenen Palläste haben zwar den Fehler, daß sie meistens in engen Gassen gleichsam verstecket sind, allein an Pracht und Größe übertreffen sie die Pariser gar sehr, sonderlich wenn man die in den Vorstädten befindlichen herrlichen Gebäude betrachtet.[1213]

Wer von altem Adel und gutem Vermögen ist, dabey auch ein hohes Kartenspiel nicht scheuet, kann in Wien viel Vergnügen finden, und versichert seyn, daß er von keiner Gesellschaft ausgeschlossen wird. Rand links: Von den wienerischen Gesellschaften. Die gewöhnlichsten Fragen, welche sonderlich Damen wegen eines Fremden, der das erste mal von einem ihrer Bekannten in die Assemblées geführet wird, ergehen lassen, kommen auf die drey Hauptartikel an: 1) ob der Fremde von altem Adel? 2) ob er reich sey? und 3) ob er spiele? Können diese drey Fragen mit Ja beantwortet werden, so ist kein ferneres scharfes Examen zu befürchten. Zuweilen ersetzet das hohe Spiel allein dasjenige, was bey dem ersten Umstande mangeln möchte. Man hat aber eine genaue Rechnung vorher mit seinem Beutel zu machen, ehe man sich zu weit einläßt, weil das Spiel hier gar weit geht. Der österreichische und böhmische Adel hat wegen seiner großen Güter und einträglichen Bedienungen nicht nöthig, allzugenau darauf zu sehen; und konnte die Gräfinn von S – – leicht verschmerzen, daß sie in einem Winter zwanzigtausend Gulden verspielte; allein mit den meisten Fremden hat es eine ganz andere Bewandniß.

Außer den großen Assembleen sind noch vielerley andere Gesellschaften von solchen Personen, welche den Zutritt in die Versammlungen des hohen Adels nicht haben, und ist diesen letztern fast nicht zu verdenken, daß sie mit ihren Bekanntschaften etwas sparsam und rar sind, wenn man betrachtet, in was für einer Menge der neue Adel oder wenigstens solche Leute, die sich für Edelleute ausgeben, ob sie es gleich nicht sind, in Wien erscheinen. Rand links: Von der Menge des neuen Adels. Sobald man einiges Vermögen vor sich gebracht hat, ist man auf einen Adelsbrief bedacht, ja wenige saugen geringer, als mit dem Freyherrnstande an. Es ist bekannt, wie der vornehme kaiserliche Minister – – – einsmals bey einer Gasterey den neugebackenen Grafen von – – zum Nachbar bekommen, und um seinen dießfalls geschöpften Verdruß an den Tag zu legen, die Rede auf die Kleidung gebracht. Er klagte dabey, wie man itzt so schlecht von Schneidern bedienet würde, und sagte dem Grafen von – – öffentlich: Dieß muß ich ihrem Herrn Großvater noch in der Erde zu seinem Ruhme nachsagen, daß nur keiner mehr so gute Hosen gemacht, als er es gethan hat.

Ein sicherer Cavalier hat von der Stadt Wien folgende Verse verfertiget: Rand links: Satirische Gedanken über Wien.


Wien.


Ein Klumpen Häuser und Palläste,

Voll Ungeziefer, voller Gäste,

Ein Mischmasch aller Nationen,

Die im Ost-West-Süd-Norden wohnen,

Gestank und Koth in allen Gassen,

Viel Weiber, die den Ehstand hassen,

Viel Männer, die mit andern theilen,

Sehr wenig Jungfern, lauter Fräulen,

Betrug und List in allen Buden,

Beschnittne und getaufte Juden,

Viel Kirchen allzeit voller Sünder,

Viel Schenken und darinn viel Schinder,

Viel Klöster voller Pharisäer,

Viel Händel und viel Rechtsverdreher,

Viel Richter die das Recht verkaufen,

Viel Feste celebrirt mit Sausen,[1214]

Viel große Häuser voller Schulden,

Viel Praler die den Stock gedulden,

Viel Windverkäufer ohne Mittel,

Viel schlechte Tropfen voller Tittel,

Gestrenge Bauern, gnädge Bürger,

Viel Zöllner, viel lateinsche Würger,

Viel Hoffart, wenig Complimenten,

Viel Ignoranz und viel Studenten,

Viel Kupler, viele Kuplerinnen,

Viel die mit Huren Geld gewinnen,

Viel Spanier, Wälsche und Franzosen,

Der Letztern viel in deutschen Hosen,

Viel Stutzer und geborgte Kleider,

Viel Säufer, Spieler, Beutelschneider,

Lackeyen, Pagen, Pferde, Wagen,

Viel Reiten, Fahren, Gehen, Tragen,

Viel Drängen, Stoßen, Zerren, Ziehn,

Dieß ist das Quodlibet von Wien.


Diese satirische Gedanken sind nicht übel gerathen; es kann aber dabey erinnert werden, was man an des berühmten Boileau Klage über die Unruhen und den Tumult der Stadt Paris auszusetzen gefunden, nämlich daß die angezogenen vielen Beschwerlichkeiten nicht einer einzigen Stadt eigen, sondern allen großen und volkreichen Orten gemein sind.

Unter die Zahl derjenigen, die am angenehmsten zu Wien leben, gehören die Reichshofrathsagenten, deren etliche es jährlich über zehntausend Gulden bringen. Rand rechts: Von den Reichshofrathsagenten. Der geringste Bürger giebt einem solchen Agenten wegen seines Processes jährlich vier und zwanzig bis dreyßig Gulden, ein Edelmann sechs und dreyßig Gulden, alle Copeyen werden bogenweise mit einem halben Gulden, und jeder Bogen eines verfertigten Aufsatzes mit einem bis vier Gulden bezahlet. Vornehme Reichsstände geben überhaupt eine jährliche Besoldung von hundert bis dreyhundert Gulden, und kömmt es darauf an, daß ein Agent nur einmal erst in guten Ruff und Kundschaft gerathen. Es sind ihrer itzt dreyßig; und sagte einsmals der itzige Reichsvicekanzler mit Rechte: Diese Leute hätten am wenigsten zu klagen, und lebten auf des Heiligen Römischen Reiches Beutel los. Rand rechts: Von dem öffentlichen Gottesdienste der Protestanten. Die Protestanten haben ihren öffentlichen Gottesdienst in den Häusern der schwedischen, dänischen und holländischen Gesandten. Auf der Straße aber haben sie sich wohl vorzusehen, daß sie der Proceßion des Venerabilis nicht in Weg kommen, weil der unverständige Pöbel oftmals gar grob mit denenjenigen verfähret, die nicht ausweichen können, und sich dennoch ein Gewissen machen, demjenigen, welches sie für keinen Gott halten, durch Niederknieen göttliche Ehre zu erweisen. Rand rechts: Verdrüßlichkeiten wegen des Venerabilis. Noch vor wenigen Tagen ist es geschehen, daß man die Gemahlinn des preußischen Gesandten, Herrn von Brand, bey solcher Gelegenheit aus der Kutsche ziehen und zum Knieen zwingen wollen, wobey sie sich aber mit vielem Verstande und Herzhaftigkeit aufgeführet hat. Zu Prag waren sonst die Juden, wenn sie unvermuthet dem heil. Sacrament begegneten, vielen Verdrüßlichkeiten unterworfen; es ist ihnen aber zu Gefallen verordnet, daß der Priester es nun ohne viele Ceremonien und ohne Glocken unter dem Mantel zu den Kranken trägt. Man sollte fast glauben, die Protestanten verdienten wohl, daß man so viele Gefälligkeit für[1215] sie bezeugte, als man anderwärts für die Juden hat, zumal da die Sache nicht nur auswärtige Minister und Fremde betrifft, sondern auch das höchste Reichsgericht, worinnen protestantische Mitglieder sitzen, und bey welchem viele Protestanten Schutz und Gerechtigkeit allhier nothwendig suchen müssen, daher man nicht sagen kann, sie kämen freywillig hieher, und müßten sich also auch die Gewohnheiten des Landes gefallen lassen.

Ich vermeyne nicht zu viel zu sagen, wenn ich die Zahl derjenigen, die bey dem Reichshofrath bedienet sind, oder theils für sich selbst, theils für andere, bey diesem höchsten Gerichte etwas zu suchen und zu treiben haben, mit allen den Ihrigen und denen Bedienten, die sie bey sich haben, über zwanzigtausend Seelen rechne, worunter sich eine große Menge Protestanten befindet. Rand links: Was das Reichshofrathsgerichte für eine Menge Leute nach sich ziehe. Die Hoffnung, in Civil- und Kriegsdiensten zu steigen, Gnadengelder zu erhalten, oder auf andere Art seine Sachen zu verbessern, machet, daß allhier manche zu der römischkatholischen Religion übertreten, welche hernach äußerlich einen desto größern Eifer für ihre neue Glaubenssätze bezeugen, je weniger sie dafür wollen angesehen seyn, daß der Eigennutz die vornehmste Absicht bey ihrer Veränderung gewesen sey. Rand links: Was für Ursache, daß viele Protestanten zur römischen Kirche übertreten. Andere sehen den Unterschied der christlichen Secten überhaupt als eine Sache an, welche Gott so genau nicht nehme, in dem jede von denenselben ihre Wahrheiten und Mängel habe. Rand links: Von dem Unterschiede der christlichen Religionen. Daß ich an jeder Secte Mängel bemerke, daraus folget so wenig, daß sie mir alle gleichgültig seyn, oder ich die schlechte wählen dürfe, als wenig ein vernünftiger Mensch sagen wird: man habe ihm dreyerley Tuch zu einem Kleide gezeiget, davon aber das eine sehr leicht Flecken bekommen und verschießen würde, das andere weniger und das dritte am allerwenigsten; weil er aber sehe, daß alle diese drey Tücher flecken würden, so wolle er lieber dasjenige nehmen, welches dieser Gefahr am meisten unterworfen sey. Zu einer wichtigen Arbeit, welche scharfe Augen und ein helles Tageslicht erfodert, erwählet man aus vielen in einem etwas dunkeln Hause angewiesenen Zimmern, nicht gerade dasjenige, so am allerfinstersten ist.

Ich hatte noch vor wenigen Tagen eine Unterredung mit einem ehemaligen guten Freunde, von welchem ich wohl wußte, daß die Ueberzeugung der Wahrheit den wenigsten Theil an seiner Veränderung gehabt hatte. Es waren ihm vorher in einer von den protestantischen Kirchen, deren Mitglied er war, so viele Dinge als Misbräuche und Menschensatzungen vorgekommen, welchen sich seine Vernunft nicht unterwerfen wollte, daß ich leicht die Rechnung machen konnte, wie schlecht er im Grunde des Herzens gesinnet seyn müsse gegen eine andere Religion, die so einen viel größern blinden Gehorsam und Glauben in weit mehreren mit der Vernunft streitenden Lehren von ihren Anhängern erfodert. Weil er dieses mein Urtheil von dem Innersten seines Herzens leicht errathen konnte, so suchte er seine einzige Zuflucht in einem Gleichnisse, daß Gott auf den Unterschied der äußerlichen Kirchen nicht sehe, sondern gegen alle eine gleiche Liebe hege, wie ein König überhaupt gegen seine gute Armee gesinnet sey, obgleich diese nicht aus einerley Mannschaft, sondern aus Reutern, Fußvolk, Granadierern, Dragonern und Husaren bestehe. Ich konnte nicht umhin, das Gleichniß in etwas zu ändern und ihn zu fragen: was der König von einem Unterthanen urtheilen würde, der bey einem allgemeinen Aufbothe und in der höchsten Noth mit einem stumpfen Degen und anderm schlechten Gewehre erscheinen wollte, da ihn sein Herr vorher aus Gnaden mit der vollständigsten und besten Rüstung versehen hatte? Das kläglichste ist unterdessen, daß in diesem Stücke keine äußerliche Religion der andern vieles vorzuwerfen hat, und daß die wenigsten Menschen aus Ueberzeugung und Gewissens halber derjenigen Religion zugethan sind, zu welcher sie sich äußerlich bekennen.[1216]

Unter den wienerischen geistlichen Gebäuden ist die St. Stephanskirche das vornehmste. Rand rechts: St. Stephanskirche. Es ist solches von gothischer Baukunst, und mit künstlicher Arbeit von Bildnissen der Heiligen, Rosen, Thiere, Pyramiden und dergleichen gezieret. Das Dach besteht aus bunten und glasirten Ziegeln. Wie man den Thurm zu Straßburg für den künstlichsten, und den Landshuter für den höchsten in Europa ausgiebt: also wird der St. Stephansthurm für den stärksten gehalten. Das ganze Werk sammt der Kirche besteht aus großen Quadersteinen, die mit eisernen Klammern zusammen verbunden und befestiget sind. Unter den allhier befindlichen Heiligthümern werden sechs Zähne der heil. Apollonia, (welche als Beschützerinn der Zähne verehret wird) ein Stückchen Holz vom Kreuze Christi, ein Stück aus der Wiege des Heilandes, ein Stück von dem Tischtuche, dessen er sich bey seinem letzten Abendmahle bedienet, etwas von den Windeln, desgleichen ein großes Stück von den Schweißtüchern Christi, ein Stück von einem Nagel, womit er aus Kreuz geheftet, und etwas von dem Schwamme, womit er bey seinem Leiden getränket worden, ein Dorn aus der Krone Christi, Haare der heil. Maria, ein ganzes Kind aus dem bethlehemitischen Kindermorde, und ein Stück von der Seule, woran der Heiland gegeißelt worden. Rand rechts: Reliquien. Rand rechts: Wunderthätige Crucifixe. Von einem Crucifixe, das in einer Kapelle steht, wird gesagt, daß ihm die Haare wachsen. Absonderlich verehret man zwey wunderthätige hölzerne Bilder der heil. Maria, davon eines unser lieben Frauen Bild von Pötsch (welcher Ort in der ungarischen Grafschaft Zabolz liegt) genennt wird. Die Kirche ist sehr dunkel, und hat man bey hellem lichten Tage Mühe alles genau zu sehen. Das marmorne und prächtige Grabmaal des Kaiser Friedrichs des dritten soll vierzigtausend Ducaten gekostet haben. Rand rechts: Grabmaal des Kaiser Friedrichs des dritten. Erzherzogliche Gebeine in Ochsenhäuten. In der ehemaligen erzherzoglichen Begräbnißgruft sind vieler Erzherzoge Gebeine in Ochsenhäute eingenehet oder eingewickelt. Von denen in neuern Zeiten verstorbenen Personen aus dem kaiserlichen Hause, werden nur die Eingeweide allhier beygesetzet.

Auf dem Kirchhofe nahe bey dem Thore an des Küsters Wohnung sieht man an der Wand en bas-relief in einem röthlichen Steine einen Mann, der seine zween Finger an die Brust leget, nächst bey ihm ist ein Kind und eine Frau, welche gleichfalls die Hand an ihre Brust hält, jedoch also, daß die zween mittelsten Finger eingebogen sind, welches einige ohne sonderlichen Grund also erklären, daß sie dadurch habe anzeigen wollen, es sey das Kind nicht von ihrem Ehemanne, sondern sie habe ihm Hörner aufgesetzet. Zwischen diesen drey Brustbildern und der darunter stehenden Inscription zeigen sich zweene Hunde über einen Hasen, und ein anderer Hund, der einen Hafen verfolget. Rand rechts: Sonderbare Inscription. Die Unterschrift ist folgende:


P. TITIVS

FINITVS V. F.

SIB. ET

JVCVNDAE CIVIS

FIL. CON

AN. XL.


Die größte Glocke, so auf dem St. Stephansthurme hängt, hat der Kaiser Joseph aus vielen von den Türken bey verschiedenen Gelegenheiten eroberten Stücken gießen lassen, wie solches auch die daran befindliche und unter dem Bildnisse des h. Josephs zu lesende Inscription andeutet: Rand rechts: Außerordentlich grosse Glocke auf dem St. Stephansthurme.


Josephus Rom. Imp. semper Ang. æream hanc molem munificentiæ suæ magnitudine haud indignam, ut ob tot tantasq. victorias ad gratias numini secum agendas[1217] subjectos populos grandi sonitu excitaret, fieri Albertinæq. turris ad singulare decus istuc attolli jussit.


Albertina turris wird der St. Stephansthurm von Albert dem vierten, unter welchem er im Jahre 1400 vollendet worden, genennt. Auf die Meynung, daß der Schall der Glocken die Gewitter vertriebe, zielet die andere an solcher Josephinischen Glocke unter dem Bildnisse der Mutter Maria zu lesende Schrift:


Deiparæ sine originali labe conceptæ, Josephi Dei in terris, Nutritii, Leopoldi Divi Marchionis, Triadis Austriæ tutelaris, sanctissimis maximisq. nominibusvictricem temestatum fulminumque machinamsolenni ritu insignivit, sacravit Francisc. Ferdinand ex Baron. de Rumel S. R. L Princeps Episc. Viennens.


Diese Glocke ist nach D. Küchelbeckers Berichte über 10 Schuhe hoch, und hat im Umkreise 32 Schuh und 2 Zoll. Sie wiegt ohne Schwengel 354 Zentner, der Schwengel aber, der 111/2 Schuh lang, ist 13 Zentner und 28 Pfund schwer. Der Helm, an welchem sie hängt, hat am Gewichte 64 Zentner, das Eisenwerk, womit die Glocke befestiget worden, wiegt 82 Zentner, und solchergestalt erstrecket sich die ganze Last der Glocke, so von zwölf Männern gezogen werden muß, auf 514 Zentner1. Der St. Stephansthurm ist in allen 4471/2 österreichische Werkschuhe oder 74 Klaftern und 34 Schuhe hoch.

Seit zwey Jahren darf kein Frauenzimmer mehr mit einer Andrienne, Volante oder so genannten französischen Sacke weder in St. Stephans-noch eine andere große Kirche zu Wien kommen, wo sie nicht Gefahr laufen will, durch die verordneten Aufseher mit Schanden heraus gewiesen zu werden. Rand links: Andrienne in den Kirchen verbothen.

Manche Damen liefen gleich vom Bette aus, ungeschnüret und öfters nicht wenig bloß, wenn sie nur eine Volante über sich geworfen hatten, zur Kirche und Communion, welches zu itzterwähntem kaiserlichen Verbothe Anlaß gab. Die Geistlichen ließen in einigen Kirchen bey solcher Gelegenheit ihren Eifer mit gar besondern Ausdrückungen von der Kanzel hören. Rand links: Eifrige Predigten dawider. Einer von ihnen stellte mit vieler Heftigkeit vor: Das Frauenzimmer komme in Säcken zur Kirche, nicht um Buße zu thun, wie die alten Gläubigen pflegten, sondern um ihre Waaren und Fleischbänke desto besser auszulegen, und könne kein Geistlicher bey der Communion seine Augen mit gutem Gewissen aufthun. Ein anderer Prediger drohete: wenn er noch eine mit entblößtem Halse zu Gesichte bekommen würde, wollte er ihr von der Kanzel herab in den Busem speyen2. Kurz vorher, ehe der Gebrauch der Volanten in den Kirchen öffentlich untersaget worden, waren drey Damen mit etwas entblößtem Halse und in gedachter Kleidung bey der Communion erschienen, und knieeten unter andern Personen um den Altar; der Priester aber gieng sie mit dem Sacrament vorbey, gleichsam als sähe er sie gar nicht.

Die kaiserliche Hofkirche ist bey den Augustiner-Barfüßern, und geht man in dieselbe aus der kaiserlichen Burg durch eine Treppe. Rand links: Ferdinand des dritten Gelübde an die h. Apollonia wegen der Zähne. Ferdinand der dritte hat in derselben der heil. Apollonia eine Kapelle bauen lassen, und zwar vermöge eines Gelübdes, als sein Prinz Leopold bey den ersten Zähnen, die er kriegte, heftige Schmerzen erdulden mußte, ehe der Kaiser[1218] seine Zuflucht zu dieser Patroninn der Zähne genommen. Der allhier befindliche Zahn der heil Apollonia wird auch von dem gemeinen Volke als ein untrügliches Mittel wider das Zahnweh verehret und geküsset. Rand rechts: Begräbniß für die Herzen der kaiserlichen Familie. In dieser Kirche werden die Herzen der aus der kaiserlichen Familie verstorbenen Personen in silbernen Schachteln verwahret.

Die neuern Begräbnisse des erzherzoglichen Hauses sind in der Kapuzinerkirche, allwo unter den Reliquien, auch ein Stück von demjenigen Tische, woran Christus sein letztes Abendmahl gehalten (welcher auch in der Kirche von S. Johanne Lateranensi zu Rom ganz verwahret wird) einige Tropfen von der Milch der h. Jungfrau Maria, ein Stück von den Schweißtüchern oes Heilandes, ein Stück vom Stabe Mosis, ein ganzes Kind von denen zu Bethlehem unschuldig ermordeten, etwas von der Dornenkrone Christi, ein Stückchen Holz vom Kreuze Christi, und dergleichen Dinge mehr gezeiget werden. Rand rechts: Andere Begräbnißgruft in der Kapuzinerkirche. Reliquien.

In der Jesuiterkirche beym Collegio ist die Malerarbeit des berühmten Jesuiten Pozzo zu betrachten, von welchem auch die Cuppola der Dominicanerkirche verfertiget worden. Rand rechts: Jesuiterkirche.

Die P. P. S. Francisci Minorum conventualium besitzen unter ihren Heiligthümern ein kleines Stück von der Ruthe Aarons, etwas von der Lanze, womit des Heilandes Seite eröffnet worden, und einen Theil von seiner Dornenkrone. Rand rechts: Heiligthümer der Franciscaner. Calvarienberg. Der Calvarienberg liegt im Dorfe Herrnals an den Linien der Stadt Wien, und stellet in vielen besondern Kapellen, welche in der Fastenzeit aus allerley Absichten fleißig besuchet werden, die Martern Christi und die darüber empfundenen Schmerzen seiner Mutter vor. In der gewölbten Kirche unter dem Berge ist eine Scala Santa angeleget, und giebt man vor, daß von einem gewissen Altare der St. Stephanskirche bis an den Calvarienberg, gerade ein so weiter Weg sey, als der Heiland zu seinem Leiden habe gehen müssen.

In der Vorstadt, die Wieden genannt wird, worinnen auch die kaiserliche Favorita liegt, lassen itztregierende Kaiserliche Majestät nach einem währender letztern Pest gethanen Gelübde, dem heil. Carolo Borromäo zu Ehren eine kostbare Kirche bauen, die aber noch kaum in etlichen Jahren zu Staude kommen wird. Rand rechts: Kirche St. Caroli Borromäi. Die große Cuppola oder der Dom, die in den vier Ecken stehende kleine Thürme, und überaus große und hohe vor derFacciata befindliche zwo runde Seulen geben ihr ein treffliches Ansehen. Ueber dem Portal liest man die Worte des 22 Psalms:


Vota mea reddam Domino in conspectu timentium eum.


Die verwittwete römische Kaiserinn, Wilhelmine Amalia, hat außerhalb der Stadt auf dem Rennwege ein ganz neues Salesianer-Frauenkloster nebst der dazu gehörigen prächtigen Kirche gestiftet. Rand rechts: Das von der verwittweten Kaiserinn Amalia gestiftete Salzsianer-Frauenkloster. Ihre ordentliche Residenz ist zwar in der kaiserlichen Burg, und erscheint sie daselbst an Galatägen, und wenn Audienzen zu geben sind, übrigens aber bringt sie ihre meiste Zeit in diesem Kloster zu, allwo sie von allen weltlichen Händeln abgesondert ihre Andacht abwartet. Eine ihrer vornehmsten Verrichtungen ist die Lesung geistreicher Schriften, und müssen auch die bey ihr sich aufhaltende Damen an gewissen Tagen erzählen und in ihrer Versammlung referiren, was sie besonders und nützliches in ihrer Lectur beobachtet, und machet die Kaiserinn selbst die Vertheilung der Bücher, so sie zu lesen haben.[1219]

Diese Klosterfrauen leben nach den Regeln des heil. Francisci de Sales, und haben auch diesesvotum, daß sie das adeliche junge Frauenzimmer unterrichten und erziehen. Die Gegenwart einer so großen Beschützerinn und Aufseherinn, als die Kaiserinn Amalia ist, machet, daß es als eine große Gnade angesehen wird, wenn junge Damen auf etliche Jahre eingenommen werden. Die Cuppola der Kirche ist vom Pelegrini gemalet, und kostet achttausend Reichsthaler.

Auf dem großen Platze, der Hof genannt, dem Profeßhause der Jesuiter gegenüber, wurde im Jahre 1647 unter Ferdinand dem dritten eine marmorne Seule zum Gedächtnisse der unbefleckten Empfängniß Maria, der Mutter Christi, aufgerichtet, welche der Kaiser Leopold im Jahre 1667 in ein viel prächtigers metallenes Denkmaal verwandelte. Rand links: Seule der unbefleckten Empfängniß Mariä. Das Bildniß der heil. Maria ist am besten gerathen, und die Verguldung des Monuments, ungeachtet es allem Winde, Regen und Ungewitter frey steht, gar dauerhaft. Die Beschreibung und Abzeichnung dieser Seule giebt D. Rink, in dem Leben des Kaiser Leopolds a. d. 617 u. f. Seite weitläuftig, und führeich hier nur diejenige Inscription an, welche obgedachter Monarch selbst verfasset und auf einer kupfernen Tafel mit goldenen Buchstaben ausdrucken lassen: Rand links: Vom Kaiser Leopold verfertigte Inscription.


Leopoldus Rom. Imperator,

Semper Augustus,

Statuam hanc honori Virginis

Sine labe conceptæ

ab

Augusto Parente suo erectam

Pretio auxit & immortalitate donavit,

Nam

Quam lapideam invenit

Æream fecit & æternam

Ut

Cujus beneficiis

Coronas, victorias, pacem & successiones

accepit

ei

Hæc omnia & se ipsum debere


Testetur-

Anno MDCLXVIII. die VIII. Decembr.


Eben dieser Kaiser Leopold hat bey dreymal hundert tausend Gulden an eine Seule gewendet, die der heil. Dreyfaltigkeit zu Ehren auf dem so genannten Graben aufgerichtet, und im Jahre 1693 vollendet worden. Rand links: Dreyfaltigekeitsseule. Es ist solche sehr künstlich aus Stein gehauen, und sechs und sechszig Schuhe hoch. Die Hauptinscription ist gleichfalls aus der Feder des Stifters und zwar in lateinischer Sprache geflossen. Mehrere Nachricht davon hat schon D. Kink, im angeführten schönen Werke auf der 1185 u. folg. Seite, gegeben.

Ehemals setzte man sich des Abends um diese itztgedachte Monumente und Seulen, da es denn so leer nicht abgieng, daß nicht manche Kurzweil dabey getrieben wurde. Anitzt[1220] aber ist solches verbothen, nachdem eine Gesellschaft, worunter die Gräfinn – – war, so weit gegangen, daß sie einen Soldaten, der die Wache bey der Marienseule hielt, (wie solches beständig geschieht) mit starkem Getränke so voll gemacht, daß daraus allerley Unordnungen entstanden. Rand rechts: Warum man sich nicht mehr bey diesen Monumenten setzen darf. Itzt knieet man nur um die Seule, wobey ich jedoch bemerket, daß solches oftmals des Abends, nicht sowohl aus Andacht geschieht, als um die verliebten Rendes-Vous bequemer zu geben und abzuwarten.

Leopold würde noch mit der dritten Seule seine Andacht an den Tag geleget haben, wenn ihn der Tod nicht daran verhindert hätte. Rand rechts: Josephsseule. Es sollte solche dem heil. Joseph zu Ehren gereichen, wegen des Gelübdes, so der Kaiser diesem Heiligen im Jahre 1702 gethan hatte, wenn sein Sohn, der damalige römische König Joseph, von Landau wieder gesund und glücklich zurück kommen würde. Seine itztregierende Kaiserliche Majestät sind im Begriffe, dieses schöne Denkmaal aus Marmor in Stand zu setzen, nachdem das hölzerne Modell davon durch Wind und Regen fast gänzlich zu Grunde gegangen. Das Hauptwerk wird einen Tempel mit sechs korinthischen Seulen vorstellen, in welchem Joseph und Maria vom Hohenpriester vermählet werden. Rand rechts: Oesterreichische Schutzheilige. Der Kaiser Leopold hat im Jahre 1675 dem h. Joseph aufs neue seine Länder mit vielen Ceremonien gewidmet und zum Schutze übergeben. Außer diesen rühmet sich Oesterreich vor andern noch dreyer Heiligen, von welchen der bekannte geistliche Possenreißer Pater Abraham von Sancta Clara einsmals in einer Predigt sagte: Oesterreich habe dem Ansehen nach drey wunderliche Heilige, von welchen der erste geschossen, der andere angebrannt, und der dritte nicht weit her wäre. Rand rechts: Des P. Abraham von St. Clara kurzweilige Beschreibung derselben. Er zielete damit auf Sebastianum, Laurentium und Leopoldum, deren der erste mit Pfeilen durchschossen, der andere auf dem Roste gebraten worden, und der dritte nicht weit her, nämlich vom Kloster Neuburg, und also aus dem Lande selbst gebürtig war3.

Die wienerische Universität ist von Friedrich dem zweyten gestiftet, und im Jahre 1622 unter Ferdinand dem zweyten dergestalt mit dem Collegio der Jesuiten vereiniget worden, daß diese eigentlich die völlige Aufsicht und Direction darüber haben. Rand rechts: Wienerische Universität. Der Rector Magnificus hat bey öffentlichen Proceßionen gleichen Rang mit den Rittern des güldenen Vließes, und den Vorzug über alle andere vornehme Herren des kaiserlichen Hofes.

Von der kaiserlichen und des Prinzen Eugens Bibliothek werde ich anderwärts mehrere Meldung thun. Nahe bey dem Dominicanerkloster in einem besondern Hause steht die Bibliothek, welche der Graf Joachim Windhag, kaiserlicher Kammerrath, der vom armen und geringen Stande es hochgebracht, zum öffentlichen Gebrauche in seinem Testamente vermachet hat. Rand rechts: Windhagische Bibliothek. Die Oberaufsicht darüber hat das löbliche Niederösterreichische Landmarschallgericht, welches solche durch zwene Superintendenten, deren einer aus dem Herren- und der andere aus dem Ritterstande ist, verwaltet. Zur Bedienung der Bibliothek ist ein Pater Dominicaner und ein weltlicher Bibliothekarius verordnet. Fast gleiche Bewandniß hat es mit der in eben diesem Gebäude auf der andern Seite befindlichen Bibliothek, welche der kaiserliche geheime Hof- und Kriegesrath, wie auch Feldmarschall und Oberster über ein Regiment zu Fuße, Johann Martin Gschwindt Freyherr von Pöckstein, im Jahre 1721 hinterlassen hat. Unter den Privatpersonen ist der kaiserliche Leibmedicus Garellie mit einem schönen Vorrathe auserlesener Bücher versehen4.[1221]

Der Medicus D. Marcella besitzt eine schöne Sammlung von Petrefactis, welche er für sechshundert Gulden zu verkaufen gesinnet ist. Rand links: Petrefacta beym D. Marcella. Sie ist eigentlich diejenige, welche ehemals dem berühmten schweizerischen Medico Langio zuständig gewesen, und von ihm in Kupferstichen vorgestellet worden. Der Graf von Trautmannsdorf, kaiserlicher Envoye in der Schweiz und nachmaliger Bothschafter in der Türkey hatte sie von Langio erhandelt, und aus dessen Verlassenschaft oder Auction ist sie an Marcella gerathen.

Das prächtigste unter allen wienerischen Gebäuden, ist des Prinzen Eugens von Sa voyen Pallast in der Vorstadt. Rand links: Prinzen Eugens Gebäude. Es folgen in selbigem eilf Zimmer (die Thürmchen, so an den Ecken stehen, mit gerechnet) in einer Linie, und in allen achtzehn en suite oder auf beyden Seiten. In dem Zimmer bey des Prinzen Schlafgemache sind viele kostbare kleine Gemälde zu sehen, und in der nächsten Kammer ein sehr kostbarer Leuchter vonCristall de Roche, der über zwanzigtausend Gulden werth ist. Rand links: Gemälde. Ein allhier befindliches holländisches Stück, so dreyzehntausend Gulden gekostet hat, stellet sehr natürlich eine sterbende alte Frau vor, vor welcher ihre Tochter auf den Knieen liegt, um Abschied zu nehmen, da indessen eine Magd Arzney in einem Löffel einreibt, und der Arzt den Urin besieht. In der Kapelle ist die Auferstehung Christi wohl gemalet. Im Spiegelzimmer sind vier kleine Tische von schwarzem Marmor mit bräunlichen Adern zu sehen, und in jedem der andern Gemächer stehen zwo gleiche marmorne Tafeln, so von Rom hieher gebracht worden. Der große Saal ist länglich und achteckigt, der Plafond à fresco schön gemalet, und die Aussicht über den Garten nach der Stadt sehr angenehm. Unter denen trefflichen Gemälden, welche in den übrigen Zimmern anzutreffen sind, soll Adam und Eva in Lebensgröße funfzigtausend Gulden gekostet haben; ein Frauenzimmer, das einen Jüngling im Bade umhalset, dreyßigtausend Gulden, und der Jäger Endymion mit der Diana zwölftausend Gulden. Eine Copey von den drey Gratien des Rubens wird auch sehr hoch gehalten. Den Kupferstich von diesem Pallaste findet man in des D. Küchelbeckers angeführter Beschreibung der Stadt Wien. Der Garten liegt abwärts, und ist daher zu vielerley artigen Wasserquellen sehr bequem. In der kleinen Abtheilung, die linker Hand liegt und das Paradiesgärtlein genennet wird, ist ein weitläuftiges Vogelhaus von schöner Eisenarbeit verfertiget. Die bedeckten Gänge und obenher verguldeten Kabinete geben diesem Platze eine sonderbare Annehmlichkeit. Die Orangerie ist schön, und bleibt ein Theil derselben auch zu Winterszeiten in der freyen Erde nur mit einem Dache bedecket; unter andern habe ich einen Orangenbaum, der unten am Stamme die Dicke eines starken Mannes übertraf, bemerket. Man zählet hier über zweytausend rare Gewächse, worunter die Drachen-Caffee-Dattel- und Bisanbäume gehören. Letzterer hat Blätter von der Länge eines Mannes. Es ist Schade, daß das von der Kaiserinn Amalia angelegte Salesianer-Frauenklosterdiesen Garten dergestalt gleichsam commandiret, daß niemand darinnen herum gehen kann, ohne aus den Fenstern des Klosters gesehen zu werden. So unangenehm dem Besitzer dergleichen Zwang seyn mag, so manchen Versuchungen können bey verschiedenen Gelegenheiten die keuschen Nonnen durch diese Nachbarschaft unterworfen und dargestellet seyn.

Von der einen Seite des Pallastes sieht der Prinz aus seinem Zimmer in acht kleine Höfe, die mit Fontainen und Alleen von Kastanienbäumen gezieret sind. Rand links: Menagerie. Diese dienen zum Aufenthalte etlicher fremden und raren Thiere, worunter dießmals ein Casuarius, dessen Federn fast als Borsten anzusehen sind, anzutreffen war. Itztgedachter sehr großer Vogel kömmt aus der asiatischen Insel Lontor oder Banda, und hat eine Art von niedrigen Horn auf seinem Kopfe. Ferner befindet sich itzt allhier ein Bock mit vier neben einander stehenden[1222] Hörnern; 3) ein indianisches Reh mit schönen weißen Flecken, dergleichen bey uns die ganz jungen Hirschkälber haben; 4) etliche weiße indianische Dannhirsche; 5) eine afrikanische Kuh; 6) ein siebenbürgischer Ochs mit einem Barte; 7) ein moscowitischer Fuchs; 8) etliche Steinböcke, davon nur die Männchen Hörner tragen; 9) ein Luchs; 10) ein ansehnlicher tripolitanischer Schafbock von weißer und schwarzer Farbe; 11) etliche wallachische Schafe mit großen breiten Schwänzen; 12) tirolische Schneehasen, so des Winters ihre Farbe verändern und weiß werden; 13) vier indianische Schafe; 14) ein Gems; 15) ein Auerochs mit einem großen Barte; 16) ein indianischer Wolf mit langen Haaren auf dem Rücken, welche er in die Höhe richten kann; 17) etliche Straußen. In den übrigen Eintheilungen dieser Menagerie sind 18) etliche Trappen, die sich häufig in Ungarn aufhalten, also daß man bisweilen vier bis fünfhundert beysammen antrifft; 19) weiße Rebhüner; 20) weiße Raiger; 21) Perlen- oder Pharaonshühner, so auch Poules Pintades genennet werden; 22) indianische Sperlinge, Schwalben, Kraniche, Raben, Wiedehopfe und andere schöne Vögel; 23) eine Bisemente; 24) ein Pelikan, der fast alle drey bis vier Monate selbst seine Brust aufhacket, und auf diese Art sich gleichsam Ader läßt, woraus die Alten ihre Fabeln von Ernährung seiner Jungen genommen haben. Rand rechts: Pelikan. Er hat einen rothen und violetten Kopf, auch hängt ihm über den Schnabel etwas, so einer gelben Perle nicht unähnlich sieht. Ferner habe ich hier etliche Stachelschweine und einen Hund, der ohne Vorderfüße auf die Welt gekommen, gefunden; desgleichen den Vogel Vielfraß oder Nimmersatt, so aus Ungarn und der Türkey kömmt. Die hier gewesene Bisemkatze ist vor kurzer Zeit gestorben. Rand rechts: Bisemkatze. Der Zibeth wächst in einer Blase inter penem & testiculos dieses Thieres, wie der Bibergeil im Castor, und werden die Bisemkatzen wegen des Zibeths monatlich geschnitten, welcher Umstand ihnen wenig Neider erwecken wird. Es ist übrigens ein böses Thier, welches nicht ohne viele Kosten aus Ostindien nach Europa gebracht wird, weil es in einer besondern Kammer, worinnen es gleich fest gemacht, herum gehen kann, seyn muß. Jedes kömmt auf diese Art über tausend Gulden zu stehen. Man füttert es mit Hamel- und anderm starken Fleische. In Holland ziehen etliche Kaufleute guten Vortheil von diesen Thieren, weil die Unze Zibeth für vier und zwanzig bis acht und zwanzig rheinische Gulden verkaufet wird, Die Bisemkatzen pflanzen in Europa ihr Geschlecht nicht fort.

Außer diesem itztbeschriebenen Pallaste hat der Prinz Eugen von Savoyen noch ein treffliches Gebäude in der Stadt Wien zu seiner Winterwohnung erbauen lassen. Es liegt solches in der Himmelpfortgasse, und besteht aus vier Stockwerken, davon das dritte das vornehmste ist. Schade ist es, daß wegen der gegenüber stehenden Häuser sowohl die Zimmer als Treppen etwas dunkel sind. Die Facciata hat drey Thore mit balcons, und in jedem Stockwerke siebenzehn Fenster. Das Dach ist auf italienische Art platt gebauet, und mit achtzehn großen steinernen Statuen gezieret. In einem Vorzimmer sind die Bataillen von Zenta und Höchstädt nebst vier andern, welche diesem Prinzen sonderlichen Ruhm erworben haben, gemalet; das ansehnlichste und größte von diesen Gemälden stellet den Entsatz der Stadt Turin vor. Unter den schönen Tapeten dieses Pallastes ist diejenige vor vielen andern sehenswürdig, welche einen Schiffbruch, woraus etliche Leute gerettet werden, abbildet. Etliche Zimmer sind mit rothem Sammet meubliret, sonderlich dasjenige, worinnen der Prinz unter einem Baldachin und auf einem Sessel mit Aermen, dem türkischen Bothschafter vor etlichen Jahren Audienz ertheilet hat. In diesem Gemache ist der Ofen von Metall, und stellet den Herkules vor, wie er die Hydra erleget. In einem andern Zimmer steht ein Schreibkabinet, so ganz von Schildkröten verfertiget ist. Das Spiegelzimmer ist sehr schön,[1223] auch sonst allenthalben an kostbaren Gemälden, Spiegeln und Kaminen nichts gesparet, wie denn einer von den letztern aus grauem Marmor zwanzigtausend Gulden gekostet but; ein krystallener Kronenleuchter ist mit zehntausend Gulden bezahlet worden. Die allhier befindliche Bibliothek ist sehr kostbar. Es ist bekannt, was für große Summen Geldes der Prinz auf rare Bücher gewandt, und wie öfters kleine Duodezschriften von ihm mit dreyßig, vierzig und mehr Ducaten sind bezahlet worden, die vermuthlich nebst andern Curiositäten, welche dieser Herr von langen Jahren her sammlet, in einem besondern Orte aufgehoben werden. Die meisten Bücher, woraus die itztgedachte Staatsbibliothek besteht, sind Folianten, und zählet man in der ganzen Sammlung vierzehntausend Volumina, die mit ihren roth-sasian- oder französischen Bänden gut in die Augen fallen. Eine sonderbare Zierde giebt ihr die Sammlung von solchen Kupferstichen, welche Portraite berühmter Kriegeshelden, Potentaten, Damen, Gelehrten etc. vorstellen, und in portefeuilles oder Kästchen, die als große;in rothem Safian gebundene Folianten mit verguldeten Rücken und Titeln anzusehen sind, verwahret liegen. Ihre Anzahl nimmt täglich zu, und sind wirklich schon von Frankreich acht und vierzig, von Deutschland ein und sechszig, von vereinigten Niederlanden zehne, von spanischen Niederlanden neune, von Lothringen zwey, von Großbritannien dreyzehn etc. und insbesondere von geistlichen Orden dreyzehn Volumina vorhanden.

In dem Saale dieser Bibliothek sieht man auch die künstliche Maschine, mit welcher der geschickte englische Mechanicus und Mathematicus Roley das Systema Copernicanum in seiner völligen Bewegung vorgestellet hat. Die Verdienste dieses Mannes sind mir bekannt genug; indessen aber wäre es doch unbillig, wenn man ihm dasjenige allein zuschreiben wollte, was er einigermaßen mit andern zu theilen hat. Denn vermuthlich würde Roley dieses Werk nicht zu solcher Vollkommenheit gebracht haben, wo er in Leyden des TRASIISphæram Armillarem nicht gesehen und zu Rath gezogen hätte. Rand rechts: Verglichen mit des Trasii Sphæra Armillari. Was jedem nun unter diesen zween Männern als eigen zuzuschreiben sey, kann die Gegeneinanderhaltung beyder Werke am deutlichsten lehren. Die Aufsicht über die leydensche Sphæram hatte Adrian Vroesius, dem Nicolas Stamploen hat man die Ausrechnungen zu danken, und dem Trasius die Ausarbeitung. Nachdem sie in Unordnung gerathen, hat sie Bernard Cloesius wieder in gehörigen Stand gesetzt, und seit dem Jahre 1711 ist sie in der Universitätsbibliothek zu Leyden, als ein Geschenk der Wittwe und der Erben des rotterdammischen Rathsherrn Sebastian Schepers zu sehen.

Da übrigens der Prinz Eugenius keine ehelichen Leibeserben hat: so ist nicht zu verwundern, daß er sowohl in Wien als aufder zwischen hier und Presburg an der Donau gelegenen Herrschaft Hof, welche ihm der Kaiser, als der Prinz vor sechs Jahren freywillig das Gouvernement von den spanischen Niederlanden abtrat, schenkte5, vieles auf Gebäude und Bücher wendet. Er liest gern: und als im Jahre 1719 die spanische Partey am kaiserlichen Hofe die Oberhand gewann, auch verschiedene Dinge vorfielen, die dem Prinzen so empfindlich waren, daß er auf eine Niederlegung aller seiner Bedienungen bedacht war, sagte er unter andern zu einem auswärtigen Minister, dem er sich in diesem Stücke vertrauete: Ich kann mit zehn tausend Gulden jährlicher Einkünfte ruhig und ohne Verdruß leben; ich bin auch mit einem solchen Vorrathe von Büchern versehen, daß mir die Zeit nicht lang werden kann. Seine Bedienungen bringen ihm jährlich ungefähr dreymal hundert tausend rheinische Gulden ein, worunter diejenigen hundert und vierzig tausend Gulden mit gerechnet sind, die er unter dem Titel von Vicario Ge[1224] nerali des Kaisers in seinen italienischen Staaten, in der That aber zur Schadloshaltung wegen der abgetretenen Statthalterschaft von den spanischen Niederlanden zieht. Die jährlichen Einkünfte seines eigenen Vermögens werden auf hundert tausend Gulden geschätzet.

Unter den dreyen fürstlichen Lichtensteinischen Pallästen, die in der Stadt Wien zu sehen sind, ist derjenige, so in der Herrengasse liegt, der prächtigste. Es hat solchen der Fürst Adam von Lichtenstein erbauet und nebst andern einträglichen Gütern durch Vermächtniß der einzigen itzt noch übrigen josephischen Linie zugewendet. Er ist nach italienischer Art mit vieler Marmorarbeit, Gemälden und Antiquitäten meubliret, und kann ich nicht leugnen, daß die innere Auszierung desselben mir unter allen wienerischen Pallästen am besten gefallen habe. Unter den vielen kostbaren Gemälden befinden sich nicht wenige vom Rubens, dessen sechs große Stücke aus der Historie Alexanders des großen vier und zwanzig tausend Thaler gekostet haben. Die Herodias mit Johannis des Täufers Haupte ist vom Raphael Urbino, der Bau des babylonischen Thurms so auf Pergamen vorgestellet ist, und die auf Marmor gemalte Geschichte, wie Pharao mit seinem Heere im rothen Meere ersäuft, verdienen wohl betrachtet zu werden. Der Saal ist hell und hoch und die Decke vom Belluci gemalet, von welchem auch die Plafonds auf Leinwand in dem ersten und andern Stockwerke sind. In den Zimmern stehen hin und wieder kleine Modelle von römischen Alterthümern aus Marmor und Metall, z. E. Hercules Farnesius, il Foro Farnese etc. Man findet auch allhier viele Gefäße von Achat, Porphyr und kostbarem Marmor, Gemälde von eingelegter florentinischer Marmorarbeit, nebst einem dergleichen Tische, welcher mit vierzehn tausend Gulden bezahlet worden. Ein anderes Tafelblatt von gelbem und weißem Marmor kömmt aus einem Marmorbruche der fürstlich Lichtensteinischen in Mähren gelegenen Güter. Die Treppen dieses Pallastes sind schön, die Facciata ist mit trefflichen Seulen und steinernen Statuen gezieret, und die eiserne Balustrade beym Eingange wiegt drey tausend zwey hundert und sechszig Pfunde.

Es verdienet aber auch der Lichtensteinische Pallast und Garten in der Vorstadt Rossau besehen zu werden. Rand rechts: Item in der Vorstadt Rossau. Die Haupttreppe im Pallaste vertheilet sich in zween Gänge, und jede Stuffe derselben besteht aus einem einzigen Stücke rothen Marmor, welches sieben gemeiner Schritte lang ist und sechszig Gulden gekostet hat. Dieser Tritte sind hundert und acht. Die italienischen prächtigen Gebäude haben in Ansehung ihrer hellen und schönen Treppen vor andern vieles voraus; allein man wird in ganz Italien wenige finden, welche dieser lichtensteinischen Treppe gleich kommen. Der kostbare große Saal ist vom Pozzo gemalet, die vier schönen darinnen befindlichen Statuen sind von Stein und mit Gips so wohl marmoriret, daß sie von Alabaster zu seyn scheinen. Zwo Kammern sind vom Francischini di Bologna gemalet, und fehlet es auch sonst allhier nicht an Stücken von berühmten Malern. Der Garten ist mit schönen Alleen, Parterres, Wasserkünsten und Statuen gezieret. Man findet darinnen vielerley rare Gewächse und an seinem Ende eine vortreffliche Aussicht.

Nächst an des Prinzen Eugens Garten in der Vorstadt liegt der fürstliche Schwarzenbergische Pallast und schöne Garten, so von dem verstorbenen Fürsten von Fondi und Grafen von Mansfeld angeleget worden. Dieser Herr, welcher übrigens vielen Verstand hatte und sich nurals Kriegespräsident besser hätte aufführen sollen, machte durch diesen kostbaren Bau, der die nahe gelegene kaiserliche Favorita gleichsam beschämete, sich viele Neider und seinen Feinden Gelegenheit, die Sache dem Kaiser, der sich jedoch von ihnen nicht einnehmen[1225] ließ, verhaßt abzumalen. Mansfeld steckte über dreymal hundert tausend Thaler in dieses kostbare Werk, ohne es in Stand zu bringen; Seine Erben verkauften es für funfzig tausend Gulden an den itzigen Oberstallmeister den Fürsten von Schwarzenberg6, welcher auch wohl noch drey hundert tausend Thaler darein verwandt hat. Die darinnen befindlichen schönen Säle, Treppen, marmorne Tische, Spiegel, Porzellane, Schildereyen, Betten und andere kostbare Geräthe machen es zu einem der vornehmsten Palläste in und um Wien. Die im Garten befindliche zahlreiche und starke Orangerie steht nicht in Kästen oder Gefässen, sondern in freyer Erde und wird des Winters mit besonders dazu verfertigten Häusern, so geheizet werden können, eingefasset und bedecket. Die Alleen, bosquets und Wasserkünste sind sehr angenehm. Letztere werden durch eine hydraulische Maschine, die bloß durch Feuer getrieben wird, mit Wasser versehen. Es kostet solche bey zwanzig tausend Gulden, und vermittelst anderthalb Klaftern Holzes werden innerhalb vier und zwanzig Stunden eilf tausend acht hundert und achtzig Eimer Wasser in das oberste und größte Reservatoir gebracht. Nachdem das Wasser durch die Fontainen des Gartens gelaufen, sammlet es sich wieder unter der gemeldten hydraulischen Maschine und bleibt also beständig in der Circulation. Joseph Emanuel Fischer von Erlach, kaiserlicher Baumeister, hat dieses Werk im Jahre 1722 angelegt, die Erfindung aber ist nicht von ihm, sondern man hat sie der englischen Nation zu danken. Die ersten Proben davon im Kleinen habe ich im Jahre 1718 vor der englischen Societät der Wissenschaften zu London machen sehen, und gebraucht man sich dieser Bequemlichkeit nicht nur in etlichen schottländischen Steinkohlen-Minen und verschiedenen enlischen Gärten, sondern auch in der Themse zu London um das ganze erhabene Quartier, so Yorck-buildings genennet wird, mit Wasser zu versehen.

Das hydraulische Werk in dem fürstlichen Schwarzenbergischen Garten ist nur von mittelmäßiger Größe. Der kupferne Kessel hält sechs Schuhe im Diameter. Der Cylinder ist neun Schuhe hoch, tausend zwey hundert Pfund schwer, eines starken Fingers dick, hält im Diameter zween Schuhe, ist von Metall gegossen, inwendig ausgebohret, und wohl poliret. Der Hebebaum hat vier und zwanzig Schuhe in der Länge, zween Schuhe in der Breite und achtzehn Zoll in der Dicke. Eine einzige Person ist zulänglich alle Arbeit und Aufsicht bey dieser Maschine, wenn sie erst einmal im Gange ist, abzuwarten, und wird das Wasser, wenn man nach der Perpendicularlinie rechnet, fünf und siebenzig Schuhe hoch getrieben.

Außer den schon angeführten Pallästen verdienen gesehen zu werden: Rand links: Andere kostbare Gebäude. die königlich-böhmische Kanzley in der Wipplinger Straße; der Trautsonische Pallast; des mayländischen Gouverneurs Grafen von Daun Pallast am Schottenplatze; das Breunerische Haus vor dem Schottenthore in der Warningergasse; des Marquis de Rofrano, Prinzen von Copece Pallast vor dem Burgthore an der Josephstadt; das gräflich Harrachische Haus; dus Caprarische in der Wallerstraße; das gräflich Stratmannische in der Schenkstraße; das Questenbergische in der Johannisgasse; des Grafen Thomas Gundacker von Stahremberg Pallast und Garten unweit der kaiserlichen Favorita; die so genannte Mehlgrube in der Stadt; des Grafen Joh. Wenzel von Gallas Gebäude; des Grafen Adam von Ba. thyan und des Grafen Gundacker von Althan Palläste; des Erzbischofs von Valenza Gartenhaus; das Stadt- oder Rathhaus, und viele andere prächtige Gebäude.[1226]

Der kaiserliche Thiergarten, Prater genannt, so eine in der Donau gelegene Insel ist, dienet des Frühlings nebst dem so benannten Stadtgute zur Spazierlust. Rand rechts: Der Prater. In letzteres aber werden keine Carossen und Pferde gelassen. Der Au-Garten steht zu aller Jahreszeit offen, und ist wegen seiner angenehmen Gänge, Hecken und lustigen Wäldlein niemals ohne vornehme Leute. An seiner einen Seite liegt die alte kaiserliche Burg, welche im Jahre 1683 von den Türken in die Asche gelegt und gar wenig wiederhergestellet ist. Rand rechts: Die alte kaiserliche Burg. Der Wall ist nicht so angenehm, als man sich solchen von einer mit so schönen Vorstädten umgebenen Stadt vermuthen sollte, weil er schmal und seine Aussicht an vielen Orten verbauet ist. Rand rechts: Der Wall.

Außer derkaiserlichen Reitbahne, sind die fürstliche Schwarzenbergische, Lichtensteinische, Dietrichsteinische und die gräfliche Stahrembergische berühmt und sehenswürdig; vor allen aber ist die gräflich Paarische in der Alstergasse auch wegen ihres wohlangelegten Platzes nicht vorbey zu gehen. Rand rechts: Reitschulen.

An dem rothen Thurme, unter welchem auch die Speckseite (wiewohl itzt nur von Holze) hängt, so nach der gemeinen Fabel einem jeden, der sich der Herrschaft über seine Frau rühmen kann, zu Theile wird, liest man folgende Inscription: Rand rechts: Inscription.


Quam felix Urbs est, quæ pacis tempore bellum

Ante oculos ponit, et sua quæque notat

Incassum vigilat, qui custodire putabit,

Urbem armis, si non arma Dei affuerint.

Sed Deus & virtus tutantur Maximiliani,

Cæsaris hæc Urbis mœnia cum populo.


Die Handlung der Stadt ist nicht so groß, als sie wohl nach der bequemen Lage und Größe des Ortes seyn könnte, woran die vielen Zölle einigermaßen mit Schuld sind, womit sonderlich die aus Ungarn kommende Weine, Ochsen und andere Lebensmittel beleget werden. Die orientalische Compagnie giebt dreypro Cent für die Einfuhr, steigert aber hernach die Waaren, ohne sie in der Güte zu verbessern, wie man sonderlich an dem Cattun sehen kann, von welchem sonst mit dreyßig bis acht und dreyßig Kreuzern ist bezahlet worden, was itzt ein und funfzig Kreuzer kostet. Von jeder wienerischen Elle auswärtigen Tuches nimmt der kaiserliche Zoll einen Gulden, die eigenen Landsmanufacturen aber sind noch nicht im Stande, daß man das seine fremde Lacken missen könnte. In England, welches Königreich in der Handlung anitzt am meisten blühet, sind zwar auch Imposten auf fremde einkommende Waaren geleget, allein es werden solche erstattet, wenn die Waare wieder aus dem Lande geht, man suchet die Künstler von verschiedenen Manufacturen mit gesetzten Belohnungen aufzumuntern und die Ausfuhr der inländischen Güter zu erleichtern, daher es kömmt, daß man in etlichen auswärtigen Orten das seine englische Tuch, so auf dem Lande verfertiget worden, für eben den Preis haben kann, für welchen es in der Stadt London, woselbst die Auflagen groß, und die Lebensmittel nebst den Häusern und Buden theuer sind, bezahlet werden muß.

Das Erdreich um Wien ist fruchtbar, und die Viehzucht gut. Rand rechts: Viehzucht. Auf den adelichen Gütern fängt man hie und da an, Kühe aus der Schweiz kommen zu lassen, welche aber dennoch wegen der schlechtern Weyde mit der Zeit ausarten, an statt daß man in recht fettem Lande aus schlechterm Viehe bessere Art ziehen kann. Der Unterschied, so sich in Ansehung der Menge und Güte der Milch nach verschiedener Beschaffenheit der Weyde eräuget, ist kaum zu glauben, indessen aber auch daraus abzunehmen, daß in den vier Landen bey[1227] Hamburg eine Kuh des Tages bis achtzehn Quartiere oder zwölf starke Maaße Milch giebt, und des Sommers über für drey und dreyßig Thaler genutzet werden kann.

Von dem Calenberge hat man eine treffliche Aussicht über die Stadt Wien und ihre ganze Gegend.

Die benachbarte Stadt Baden wird aus Wien so wohl wegen der warmen Bäder und Gesellschaften, als wegen anderer Ergötzlichkeiten fleißig besuchet. Rand links: Bäder zu Baden. Es badet beyderley Geschlecht ohne Unterschied zu gleicher Zeit und an einem Orte, weil man besondere Badkleidung hat, die alles bedeckt. Rand links: Wie beyderley Geschlechte zugleich baden. Das Frauenzimmer ist wohl coissiret und hat die Röcke unten her mit Bley eingefasset, damit die Schwere sie niederhalte. Rings um die Bäder sind Plätze, um im Wasser zu sitzen. Man geht im Wasser, welches man nach Gefallen hoch und niedriger anlaufen lassen kann, paarweise spazieren, discuriret, und tractiret auch bisweilen mit Confect. Aus dem Bade gehen besondere Thüren und Treppen in die unterschiedenen Stuben, worinnen sich jedes Geschlecht besonders an- und auskleidet. Viele Leute baden aus Luft; zur ordentlichen Cur aber erfodern die Aerzte, daß man sechszig mal, und jederzeit drey Stunden lang, des Bades sich gebrauche. Für einmal zu baden giebt man sechs Kreuzer und für den Gebrauch eines Badehembdes fünf Kreuzer. Die Bäder sind sowohl außer als in der Stadt; etliche haben ganz helles Wasser und machet die refractio radiorum, daß die im Wasser gehende Personen denen obenherum stehenden Zusehern nicht anders als ungestalte Zwärge vorkommen. Das sogenannte Frauenbad ist das vornehmste, und nach solchem das Herzogs- und Antoniusbad. Die Bettler und Armen haben ihr eigenes Bad. Rand links: Anlaufen der Metalle. Von dem Schwefeldampfe laufen gleich alle Metalle an, Gold allein ausgenommen, und wenn man das Wasser etliche Tage aus silbernen Bechern trinket, sind diese hernach als verguldet anzusehen. Es ist solche Wirkung allen Schwefelbädern gemein; woher es aber komme, daß die Materie, welche aus einem geöffneten absces oder Geschwüre der Lunge und Brust fließt, die Instrumente der Wundärzte gleichsam vergülde, überlasse ich anderer Untersuchung. Unten im Bade ist der Schwefelgeruch nicht so stark, als er denen oben herumstehenden vorkömmt.

Man brauchet die hiesige Badecur wider die Lähmung, Gicht, Gliederschmerzen und dergleichen Beschwerlichkeiten. Die unfruchtbaren Frauen finden gleichfalls öfters Trost allhier; ob solches aber von der Kraft des Wassers oder von der Gelegenheit der Gesellschaften, welche auch andere Bäder, was diesen Punct anlangt, in gute renommée setzet, herrühre, lasse ich dahin gestellet seyn.

Baden liegt drey Meilen von Wien. Vor der Hauptkirche steht ein schönes Monument, welches der h. Dreyfaltigkeit gewidmet ist. Rand links: Dreyfaltigkeitseule. Dergleichen Seulen geben den Städten eine gute Zierde, und so wenig man sie in andern römischkatholischen Orten antrifft, so häufig finden sie sich in den deutschen österreichischen Landen. In der Kirche beym Frauenbade habe ich folgendes Epitaphium bemerket: Rand links: Epitaphium Franc. Ant. à Guariend.


D. O. M. S.

Quid habet amplius homo

Pro Labore suo Eccles. III cap.

Ecce hic jacet[1228]

Franc. Anton. nobIL. DoMInVs a GVarIenD

et RaaL

Quem evexit doctrina et prudentia

In S. C. M. Regiminis Inferioris Austriæ

Consiliarium, Archigrammateum,

Referendarium intimum et tandem

Provinciæ Promareschallum

Probavere Integritatem

Tres Augusti

Iurisprudentiam Respublica

Conciliavit pietas coeli favorem

Liberalitas

Pauperum pia vota

Agens annum LIX. ipse Legum vivas Codex

Solutus Lege Naturæ

Ann. MDCCXIII. die VII. Aprilis

Quiescit

Nam Justorum animæ in manu Dei sunt

Et non tanget illos tormentum mortis

Visi sunt in oculis insipientium mori

Illi autem sunt

In Pace


Wien,

den 1 Aug. 1730.

Fußnoten

1 Da ehemals die Erfurtische Glocke für die größeste in Deutschland gehalten wurde, so wird sie nunmehro von der Wienerischen an der Größe übertroffen. Den Vorzug vor allen bisher bekannten Glocken scheinen diejenigen zu behaupten, welche zum Behuf der neuen Kirche in Lissabon vor einiger Zeit in Frankreich gegossen worden. Sie kommen der großen Glocke zu Pecking in China gleich, welche hundert und zwanzig tausend Pfund wiegt, da die in Erfurt nur fünf und zwanzig tausend vier hundert Pfund schwer ist. Man lese Ath. KIRCHER. Chin. monum. illustr. p. 223.


2 Dieser Zelote scheint ein ächter Nachfolger des eifrigen P. Abraham von St. Klara gewesen zu seyn, welcher sich durch seine freymüthige Bestrafung der Laster vielleicht mehr Ruhm würde erworben haben, wenn er seine Gedanken in bequemere Redensarten einzukleiden gewußt hätte.


3 RINCKl. c. p. 737.


4 Unter den wienerischen Büchersammlungen verdienet diejenige einen ansehnlichen Rang, welche der gelehrte Reichshofrath, Freyherr von Roth, mit großen Kosten und noch größerer Sorgfalt gesammlet hat. Sie enthält nicht nur einen auserlesenen Schatz der selteuslen und heften Schriften, sondern man findet auch bey derselben sehr kostbare email-Stücke und andere Merkwürdigkeiten, welche den Glanz dieser Sammlung erhöhen.


5 Diese Herrschaft war damals dreymal hundert tausend Gulden werth.


6 Dieser Herr kam Jahre 1732 auf einer kaiserlichen Jagd in Böhmen unglücklicher Weise uns Leben.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1229.
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