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[141] Aus: Mozarts Geist von J.F.K. Arnold1

(Erfurt 1803)


[S. 60.] Mozarts Geist entwickelte sich früh, sehr früh, und erreichte in den Jahren schon einen grossen Grad von Vollkommenheit, wo bei andern gewöhnlichen Menschen sich kaum der Funke des Talents zeigt. Er blühte früh, trug frühzeitig Früchte, und – welkte früh.

[S. 64.] Das beständige Sitzen, das Arbeiten in die späte Nacht, die Geistesanstrengung abgerechnet, mußte seinem Körper schon innerlich schaden, mußte Verhärtungen im Unterleibe, Verdickungen in den zusammengepreßten kleinen Gedärmen, Hypochondrie und Schwindsucht, ihre gewöhnliche Gefährtin, erzeugen.

Dabei war er Ehemann, zeugte vier [richtiger: sechs] Kinder, pflegte der Liebe treulich, und auch außer Ehe gab es manche Galanterie mit artigen Schauspielerinnen und sonstigen feinen Mädchen und Weibern, was ihm seine gute Frau gern übersah.2

Noch mehr: er sprang von einem Extrem ins andre. Er hatte keine fixe Besoldung und war, wie das bei Dichtern und Virtuosen der Fall ist, kein guter Wirt, wußte das Geld nicht auf Wochen und Monathe einzutheilen, kannte seinen Wert garnicht. Oft mußte er bei anhaltender Arbeit mit Frau und Kindern darben, war der Impertinenz mahnender Gläubiger ausgesetzt. Nun kamen einige Rollen Louisd'or. Schnell änderte sich die Szene. Jetzt giengs in Freuden. Mozart betrank sich in Champagner und Tokaier, lebte locker und war mit seinem Gelde in wenig Tagen so weit wie vorher.

Man weiß, wie er oft in seine Gesundheit stürmte, wie manchen Morgen er mit Schikaneder verchampagnerte, wie manche Nacht er verpunschte und nach Mitternacht gleich wieder an die Arbeit ging, ohne die mindeste Erholung seinem Körper zu gönnen.[142]

Ich frage hier jeden Arzt, was die Folge einer solchen Lebensart ist? Man braucht hier kein Gift, keinen geheimnisvollen Boten, keinen Staub im Briefe, kein Requiem; seine Kräfte waren aufgerieben, die organische Thätigkeit zerstört. Langsame Schwindsucht, (consumtio dorsalis) Vertrocknung, mußte erfolgen.

Fußnoten

1 Ignaz Ferdinand Karl Arnold (1774–1812), ein Erfurter Schriftsteller.


2 Sie nannte diese Seitensprünge »Stubenmädeleien«.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 143.
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