112. Mozarteum.

[195] St. Germain 27. Aug. 1778.

In größter Eile schreibe ich Ihnen – Sie sehen, daß ich nicht in Paris bin. – Hr. Bach von London [Johann Christian] ist schon 14 Tage hier, er wird eine französische[195] Oper schreiben – er ist nur hier die Sänger zu hören, dann geht er nach London, schreibt sie und kommt, sie in Scene zu setzen. Seine Freude und meine Freude als wir uns wieder sahen, können Sie sich leicht vorstellen, vielleicht ist seine Freude nicht so wahrhaft, doch muß man ihm dieses lassen, daß er ein ehrlicher Mann ist und den Leuten Gerechtigkeit widerfahren läßt; ich liebe ihn (wie Sie wohl wissen) von ganzem Herzen und habe Hochachtung für ihn, und er – das ist einmal gewiß, daß er mich so wohl zu mir selbst, als bey andern Leuten – nicht übertrieben wie einige, sondern ernsthaft – wahrhaft gelobt hat. – Tenducci ist auch hier – der ist der Herzensfreund von Bach – der hat die größte Freude gehabt mich wieder zu sehen. – Nun will ich sagen wie ich nach St. Germain gekommen; hier ist, wie Sie vielleicht schon wissen (denn man sagt, ich sey vor 15 Jahren auch hier gewesen, ich weiß aber nichts davon), der Marschall de Noailles – da ist Tenducci sehr beliebt, – und weil er mich sehr liebt, so hat er mir wollen diese Bekanntschaft zuwege bringen. Gewinnen werde ich nichts hier, – vielleicht ein kleines Präsent, – verlieren thue ich aber nichts, dann es kostet mich nichts; und wenn ich auch nichts bekomme – so habe ich doch eine sehr nützliche Bekanntschaft. – Eilen muß ich – weil ich für Tenducci eine Scene schreibe auf Sonntag – auf Pianoforte, Oboe, Horn und Fagott, lauter Leute vom Marschall, Deutsche, die sehr gut spielen. – Ich hätte Ihnen schon längst gerne geschrieben, allein der Brief war angefangen (liegt noch zu Paris), da fuhr ich aber nach St. Germain, in der Meynung den nemlichen Tag wieder zurück zu kommen – heute ist aber 8 Tage, daß ich hier bin, – nun werde aber so bald möglich nach Paris – obwohl ich nicht viel zu verlieren habe – denn ich habe nur eine Scolarin, die andern sind in der Campagne. Von hier aus habe ich Ihnen nicht schreiben können, weil man mit Schmerzen auf eine Gelegenheit warten muß, einen Brief nach Paris zu schicken. Ich bin Gott Lob und Dank gesund – ich hoffe Sie werden es beyde auch seyn. Haben Sie Geduld – es geht alles sehr langsam – man muß sich Freunde machen – Frankreich ist auch wie Deutschland –[196] man speist die Leute mit Lobeserhebungen ab – und allein es ist doch Hoffnung, daß man dadurch sein Glück machen kann. Das beste ist, daß mir Logement und Kost nichts kostet – wenn Sie diesem schreiben wo ich bin [bei Mr. Grimm], so bedanken Sie sich nicht zu demüthig, – es hat seine Ursachen, die ich ein ander Mal schreiben werde. – Die Krankheitsgeschichte wird nächstens folgen. – Sie wollen aufrichtig das Portrait von Rothfischer haben? – Er ist ein aufmerksamer fleißiger Director – hat nicht viel Geist, – ich bin aber sehr mit ihm zufrieden gewesen – und was das beste ist, ist – daß er der beste Mann ist – mit dem man alles machen kann, doch mit guter Manier versteht sich. Zu Dirigiren ist er besser als Brunetti – aber Solo zu spielen nicht; er hat mehr Execution – spielt auch auf seine Art (ein wenig noch auf die alte Tartinische Art) gut – aber der Gusto von Brunetti ist angenehmer. Seine Concerte, die er sich selbst schreibt, sind hübsch, – dann und wann zu spielen, kann man ihn immer gern hören – und wer weiß, ob er nicht gefällt? – er spielt ja doch 100000000 mal besser als Spitzeger, und wie ich sage, zum Dirigiren ist er sehr gut und fleißig in seinem Dienst – ich recommandire ihn von ganzem Herzen, denn er ist der beste Mann. – Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 195-197.
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