113. Mozarteum.

[197] Paris 11. Sept. 1778.

Ich habe Ihre drey Briefe richtig erhalten. Nun will ich Ihnen nur auf den letzten antworten, weil dies das wichtigste ist. Als ich ihn durchlas (es war Mr. Heina, der sich Ihnen beyden empfehlt, bey mir) zitterte ich vor Freude, – denn ich sah mich schon in Ihren Armen. Es ist wahr, Sie werden es mir selbst gestehen, daß es kein großes Glück ist, was ich da mache; aber wenn ich mir vorstelle, daß ich Sie liebster Vater und meine liebe Schwester ganz von Herzen küsse, so kenne ich kein andres Glück nicht. Dies ist auch wirklich das Einzige, was mich bey den Leuten hier, die mir die Ohren voll anschreien, daß ich hier bleiben soll, entschuldiget, denn ich sage ihnen allzeit gleich: »Was wollen Sie denn? – ich bin zufrieden damit, – und da ist es gar; ich hab einen[197] Ort, wo ich sagen kann, ich bin zu Haus, lebe in Frieden und Ruhe mit meinem besten Vater und liebsten Schwester, kann thun was ich will, denn ich bin außer meinem Dienste mein Herr, hab ein ewiges Brod, kann weg wenn ich will, ann alle 2 Jahre eine Reise machen – was will ich mehr?« – Das Einzige, ich sage es Ihnen wie es mir ums Herz ist, was mich in Salzburg degoutirt, ist, daß man mit den Leuten keinen rechten Umgang haben kann und daß die Musik nicht besser angesehen ist und – daß der Erzbischof nicht gescheuten Leuten, die gereiset sind, glaubt. Denn, ich versichere Sie, ohne Reisen (wenigstens Leute von Künsten und Wissenschaften) ist man wohl ein armseliges Geschöpf! – und versichere Sie, daß, wenn der Erzbischof mir nicht erlaubt alle 2 Jahre eine Reise zu machen, ich das Engagement unmöglich annehmen kann. Ein Mensch von mittelmäßigem Talent bleibt immer mittelmäßig, er mag reisen oder nicht – aber ein Mensch von superieurem Talent (welches ich mir selbst, ohne gottlos zu sein, nicht absprechen kann) wird schlecht, wenn er immer in dem nemlichen Ort bleibt. Wenn sich der Erzbischof mir vertrauen wollte, so wollte ich ihm bald seine Musik berühmt machen; das ist gewiß wahr. Ich versichere Sie, daß mir diese Reise nicht unnützlich war – in der Composition versteht es sich; denn das Clavier – spiel ich so gut ich kann. Nur eins bitte ich mir zu Salzburg aus, und das ist: daß ich nicht bey der Violine bin, wie ich sonst war, – keinen Geiger gebe ich nicht mehr ab; beim Clavier will ich dirigiren, die Arien accompagniren. Es wäre halt doch gut gewesen, wenn ich hätte können eine schriftliche Versicherung bekommen auf die Capellmeisterstelle; denn sonst habe ich etwa die Ehre doppelte Dienste zu verrichten – für einen nur bezahlt zu seyn – und auf die letzt setzt er mir wieder einen Fremden vor. Allerliebster Vater! ich muß es Ihnen bekennen, wenn es nicht wäre um das Vergnügen zu haben Sie beyde wieder zu sehen, so könnte ich mich wahrhaftig nicht dazu entschließen, – und auch um von Paris weg zu kommen, das ich nicht leiden kann, – obwohl jetzt meine Sachen immer besser zu gehen anfingen und ich nicht zweifle, daß wenn ich mich entschließen könnte, etliche Jahre hier auszuhalten,[198] ich meine Sache ganz gewiß sehr gut machen würde. Denn ich bin jetzt so ziemlich bekannt, – die Leute mir nicht so, aber ich ihnen. Ich habe mir durch meine 2 Sinfonien sehr viele Ehre gemacht; ich hätte jetzt (weil ich gesagt habe, daß ich reise) wirklich eine Oper machen sollen – allein, ich habe zum Noverre gesagt: »Wenn Sie mir gutstehen daß sie producirt wird so bald sie fertig ist, und man mir gewiß sagt was ich dafür bekomme, so bleibe ich noch 3 Monate hier und schreibe sie.« – Denn ich habe es nicht gleich grade verwerfen können, sonst hätte man geglaubt ich traue mir nicht. Das hat man mir aber nicht zuwege gebracht; und ich wußte es schon vorher, daß es nicht seyn kann, weil es hier der Gebrauch nicht ist. Hier ist es so, wie Sie es vielleicht schon wissen: wenn die Oper fertig ist, so probirt man sie – finden die dummen Franzosen sie nicht gut – so gibt man sie nicht – und der Componist hat umsonst geschriebenl; findet man sie gut, so setzt man sie in Scena; darnach sie im Beyfall wächst, darnach ist die Bezahlung; es ist nichts Sicheres. Ueberhaupt diese Sachen spare ich mir Ihnen mündlich zu sagen; übrigens sage ich Ihnen aufrichtig, daß meine Sachen gut zu gehen anfingen; es läßt sich nichts übereilen; chi va piano, và sano. Mit meiner Complaisance habe ich mir Freundschaft und Protection zuwege gebracht; wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, so würden mir die Finger wehe thun; dieses werde ich Ihnen alles mündlich sagen und klar vor die Augen stellen. Daß der Mr. Grimm im Stande ist Kindern zu helfen, aber nicht erwachsenen Leuten und – aber nein, ich will nichts schreiben, – doch ich muß. Bilden Sie sich nur nicht ein, daß dieser der nemliche ist, der er war; wenn nicht die Madame d'Epinay wäre, wäre ich nicht im Hause und auf diese That darf er nicht so stolz seyn, – denn ich hätte 4 Häuser, wo ich logiren könnte und die Tafel hätte. Der gute Mann hat halt nicht gewußt, daß wenn ich hier geblieben wäre, ich auf das künftige Monat ausgezogen wäre und in ein Haus gekommen wäre, wo es nicht so einfältig und dumm zugeht wie bey ihm – und wo man es nicht immer einem Menschen unter die Nase rupft, wenn man ihm eine Gefälligkeit[199] erweist. Auf diese Art könnte ich wirklich eine Gefälligkeit vergessen. Ich will aber generöser seyn als er. – Mir ist nur leid, daß ich nicht hier bleibe, um ihm zu zeigen, daß ich ihn nicht brauche und daß ich soviel kann als sein Piccini, – obwohl ich nur ein Deutscher bin. Die größte Gutthat, die er mir erwiesen, besteht aus 15 Louisd'or, die er mir bröcklweise, beim Leben und Tod meiner seligen Mutter geliehen hat. Ist ihm etwa für diese bang? Wenn er da einen Zweifel hat, so verdient er wahrhaftig einen Fuß – –, denn er setzt ein Mißtrauen in meine Ehrlichkeit (welches das einzige ist, was mich in Wuth zu bringen im Stande ist) und auch in mein Talent. Doch das letzte ist mir schon bekannt, denn er sagte einmal selbst zu mir, daß er nicht glaube, daß ich im Stande sey eine französische Oper zu schreiben. Die 15 Louisd'or werde ich ihm beim Abschied, mit etlichen sehr höflichen Worten begleitet, mit Dank zurückstellen. Meine Mutter seliger hat oft zu mir gesagt: Ich weiß nicht, der – kommt mir ganz anderst vor. – Ich habe aber allzeit seine Partie genommen, obwohl ich heimlich auch davon überzeugt war. Er hat mit keinem Menschen von mir geredet – und hat er es gethan, so war es allzeit dumm und ungeschickt – niederträchtig. Er hat wollen, ich soll immer zum Piccini laufen und auch zum Caribaldi – denn man hat jetzt eine miserable Opera buffa hier – und ich habe allzeit gesagt: »Nein, da gehe ich keinen Schritt hin« etc. Mit einem Wort, er ist von der welschen Partie – ist falsch – und sucht mich selbst zu unterdrücken. Das ist unglaublich, nicht wahr? – es ist aber doch so. Hier ist der Beweis; ich habe ihm, als meinem wahren Freund, mein ganzes Herz eröffnet – und er hat guten Gebrauch davon gemacht; er hat mir allzeit schlecht gerathen, weil er wußte, daß ich ihm folgen werde; – das ist ihm aber nur 2 oder 3 Mal gelungen, denn hernach habe ich ihn um nichts mehr befragt, und wenn er mir etwas gerathen, nicht gethan; aber allzeit ja gesagt, damit ich nicht mehr Grobheiten noch bekommen habe.

Nun genug von diesem – mündlich werden wir mehr reden. Die Mad. d'Epinay aber hat ein besseres Herz; das Zimmer gehört ihr, wo ich bin, nicht ihm; das ist das Krankenzimmer;[200] wenn jemand im Hause krank ist, so thut man ihn da herauf; es ist nichts Schönes daran als die Aussicht; es ist pur Mauer; kein Kasten und nichts da. Nun sehen Sie, ob ich es da länger hätte aushalten können; ich hätte Ihnen dieses längst geschrieben, habe aber gefürchtet, Sie möchten mir nicht glauben. Aber jetzt kann ich nicht mehr schweigen, Sie mögen mir glauben oder nicht, – aber Sie glauben mir, ich weiß es gewiß, ich habe doch noch so viel Credit bei Ihnen, daß Sie überzeugt sind, daß ich die Wahrheit sage. Das Essen habe ich auch bei der Mad. d'Epinay. Sie dürfen nicht glauben, daß er ihr etwas zahlt, denn ich koste ihr nicht naglgroß. Sie haben die nemliche Tafel ob ich da bin oder nicht, – denn sie wissen niemals wenn ich zum Essen komme, mithin können sie auf mich nicht antragen; und auf die Nacht esse ich Früchte und trinke ein Glas Wein. Weil ich im Hause bin, welches jetzt über 2 Monate ist, habe ich nicht öfters als höchstens 14 Mal da gespeist; also, außer den 15 Louisd'or, die ich mit Dank zurückgeben werde, hat er keine andere Ausgabe für mich, als die Kerzen, und da schämte ich mich in der That anstatt seiner, wenn ich ihm die Proposition machen sollte, daß ich sie mir schaffen will; – ich traute es mir wahrhaftig nicht zu sagen – bey meiner Ehre, ich bin schon einmal so ein Mensch; ich habe mir neulich, wo er ziemlich hart, einfältig und dumm mit mir gesprochen, nicht zu sagen getrauet, daß er wegen den 15 Louisd'or nicht bang seyn sollte, weil ich gefürchtet habe, ich möchte ihn damit beleidigen, ich hab nichts als ausgehalten und gefragt, ob er fertig ist? – und dann, gehorsamster Diener. Er hat prätendirt ich soll in 8 Tagen abreisen; so eilt er. Ich habe gesagt, es kann nicht seyn – und die Ursachen. »Ja, da nutzt nichts, das ist einmal der Wille Ihres Vaters.« »Bitte um Verzeihung, er hat mir geschrieben, im nächsten Brief werde ich erst sehen, wann ich abreisen soll.« »Halten Sie sich nur reisefertig.« – Ich kann aber, dies sage ich zu Ihnen, vor Anfang des kommenden Monats unmöglich abreisen – oder aufs früheste zu Ende dieses, denn ich habe noch 6 Trios zu machen, die mir gut bezahlt werden, – muß erst von Le Gros und Duc de Guines bezahlt werden, – und[201] dann, weil der Hof mit Ende dieses Monats nach München geht, möchte ich ihn gern dort antreffen, damit ich der Churfürstin meine Sonaten selbst präsentiren kann, welches mir vielleicht ein Präsent zuwege bringen könnte. Ich werde 3 Concerte, das für die Ienomy, Litzau und das aus dem B, dem Stecher der mir die Sonaten gestochen hat, um baares Geld geben, – und so werde ich es auch mit meinen 6 schweren Sonaten wenns möglich ist machen; wenns auch nicht viel ist, ist doch besser als nichts. Auf der Reise braucht man Geld. Wegen den Sinfonien sind die meisten nicht nach dem hiesigen Geschmack, wenn ich Zeit habe, so arrangire ich etliche Violin-Concerte nach, – mache sie kürzer, – denn bey uns in Deutschland ist der lange Geschmack; in der That ist es aber besser kurz und gut. Wegen der Reise werde ich ohne Zweifel im nächsten Brief einige Erläuterungen finden, ich wollte nur wünschen, daß Sie mir selbe allein geschrieben hätten, denn ich mag mit ihm nichts mehr zu thun haben. Ich hoffe es – und es wäre auch besser, – denn in der Hauptsache kann ein Geschwendtner und Heina so Sachen besser anstellen, als ein so neubackner Baron. In der That habe ich dem Heina mehr Obligation als ihm; betrachten Sie es recht bey einem Stümpl Licht. – Nu, ich erwarte halt von Ihnen eine baldige Antwort auf diesen Brief, eher gehe ich nicht. – Denn ich habe ja nichts zu eilen und hier bin ich nicht umsonst oder fruchtlos, weil ich mich einsperre und arbeite um so viel möglich Geld zusammen zu bringen. – – Noch etwas habe ich zu bitten und welches ich hoffe, daß Sie es mir nicht abschlagen werden, nemlich, daß, ich setze den Fall, obwohl ich wünsche und auch glaube daß es nicht dem also seyn wird, die Weberischen nicht nach München wären, sondern zu Mannheim geblieben wären, ich mir das Vergnügen machen darf, durch zu reisen und sie zu besuchen? – Ich gehe freylich um, aber nicht viel; aufs wenigste kommt es halt mir nicht viel vor. Ich glaube aber nicht daß es nöthig seyn wird, – ich werde sie in München antreffen, – morgen hoffe ich dessen durch einen Brief versichert zu werden. Widrigenfalls aber bin ich schon von Ihrer Güte voraus überzeugt, daß Sie mir diese Freude nicht abschlagen werden. Bester[202] Vater! wenn der Erzbischof eine neue Sängerin haben will, so weiß ich ihm bei Gott keine bessere; dann keine Teyberin und de Amicis bekommt er nicht, und die übrigen sind gewiß schlechter. Mir ist nur leid, daß wenn etwa diese Fastnacht Leute von Salzburg hinauf kommen und die »Rosamunde« gespielt wird, die arme Weberin glaublicherweise nicht gefallen wird, wenigstens die Leute halt nicht so davon judiciren werden, wie sie es verdient, – dann sie hat eine miserable Rolle, fast eine Persona muta, – zwischen den Chören einige Strophen zu singen. Eine Aria hat sie, wo man aus dem Ritornell was gutes schließen könnte; die Singstimme ist aber alla Schweitzer, als wenn die Hunde bellen wollten; eine einzige Art von einem Rondo hat sie, im 2. Act, wo sie ein wenig ihre Stimme souteniren und folglich zeigen kann. Ja, unglücklich der Sänger oder Sängerin, die in die Hände des Schweitzers fällt; denn der wird sein Lebetag das singbare Schreiben nicht lernen! Wenn ich in Salzburg sein werde, werde ich gewiß nicht ermangeln mit allem Eifer für meine liebe Freundin zu reden, – unterdessen bitte ich Sie und ermangeln Sie auch nicht Ihr Möglichstes zu thun, Sie können Ihrem Sohne keine größere Freude machen. Nun denke ich auf nichts anderes als auf das Vergnügen, Sie bald zu umarmen – ich bitte Sie, machen Sie daß Sie von allem gewiß versichert sind, was der Erzbischof versprochen – und um was ich Sie gebeten, daß mein Platz das Clavier ist. Meine Empfehlung an alle gute Freunde und Freundinen, absonderlich an Hrn. Bullinger. O wie wollen wir zusammen lustig seyn! – Ich habe dieses alles schon in meinen Gedanken – habe alles schon vor Augen. Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 197-203.
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