120. Mozarteum.

[218] Kaisersheim 18. Dez. 1778.

Sonntags den 13. bin ich Gott Lob und Dank glücklich mit der schönsten Gelegenheit von der Welt, hier angelangt und habe gleich das unbeschreibliche Vergnügen gehabt einen Brief von Ihnen zu finden. Warum ich Ihnen nicht gleich geantwortet, ist die Ursache, weil ich Ihnen die sicherste und gewisseste Nachricht meiner Abreise von hier melden wollte, und ich es aber selbst noch nicht wußte, mich aber endlich entschlossen, weil der Herr Prälat den 26. oder 27. dieses nach München reist, ihm wieder Gesellschaft zu leisten. Doch muß ich Ihnen melden, daß er nicht über Augsburg geht; ich verliere nichts dabei, doch wenn Sie etwas vielleicht zu bestellen oder zu betreiben haben, wo meine Gegenwart etwa[218] nothwendig sein sollte, so kann ich, wenn Sie befehlen, allzeit von München, weil es sehr nahe, eine kleine Spazierfahrt hin machen. Meine Reise von Mannheim bis hierher war für einen Mann, der mit leichtem Herzen von einer Stadt wegreiset, gewiß eine der angenehmsten. Der Herr Prälat und sein Herr Kanzler, ein recht ehrlicher braver und liebenswürdiger Mann, fuhren allein in einer Chaise, der Herr Kellermeister P. Daniel, Bruder Anton, Hr. Secretair und ich fuhren allzeit eine halbe, bisweilen auch eine Stunde voraus. Allein für mich, dem niemals etwas schmerzlicher gefallen ist, als diese Abreise, war folglich diese Reise nur halb angenehm, sie wäre mir gar nicht angenehm, ja gar ennuyant gewesen, wenn ich nicht von Jugend auf schon so sehr gewohnt wäre, Leute, Länder und Städte zu verlassen und nicht große Hoffnung hätte, diese meine zurückgelassenen guten Freunde wieder und bald wieder zu sehen. Unterdessen kann ich nicht läugnen, sondern muß Ihnen aufrichtig gestehen, daß nicht nur allein ich, sondern alle meine guten Freunde, besonders aber das Cannabichische Haus, die letzten Tage, da nun endlich der Tag meiner Abreise bestimmt war, in den bedauerungswürdigsten Umständen war. Wir glaubten, es sei nicht möglich, daß wir scheiden sollten. Ich ging erst morgens um 1/29 Uhr ab und Mad. Cannabich stand doch nicht auf, sie wollte und konnte nicht Abschied nehmen, ich wollte ihr auch das Herz nicht schwer machen, reiste also ab, ohne mich bei ihr sehen zu lassen. Allerliebster Vater, ich versichere Sie, daß dies vielleicht eine meiner besten und wahren Freundinnen ist, denn ich nenne nur Freund und Freundin eine Person, die es in allen Situationen ist, die Tag und Nacht auf nichts sinnt, als das Beste ihres Freundes zu besorgen, alle vermögende Freunde anspannt, selbst arbeitet, ihn glücklich zu machen. Sehen Sie, dies ist das wahre Portrait der Mad. Cannabich. Es ist freilich Interesse auch dabei, allein wo geschieht etwas, ja wie kann man etwas thun auf dieser Welt ohne Interesse? Und was mir bei der Mad. Cannabich gar wohl gefällt, ist daß sie es auch gar nicht läugnet, ich will es Ihnen schon mündlich sagen, auf was für Art sie es mir gesagt hat, denn wenn wir allein beisammen sind, welches[219] sich leider sehr selten ereignet, so werden wir ganz vertraut. Von allen guten Freunden, die ihr Haus frequentiren, bin ich der einzige, der ihr ganzes Vertrauen hat, der all ihre Haus-, Familien-Verdruß, Anliegen, Geheimnisse und Umstände weiß. Ich versichere Sie (wir haben es auch zu uns selbst gesagt), daß wir uns das erstemal nicht so gut gekannt haben, wir haben uns nicht recht verstanden, aber wenn man im Haus wohnt, so hat man mehr Gelegenheit einander kennen zu lernen, und schon in Paris sing ich an, die wahre Freundschaft vom Cannabichischen Haus recht einzusehen, indem ich von guten Händen wußte, wie er und sie sich um mich annahmen. Ich spare mir viele Sachen mündlich Ihnen zu sagen und zu entdecken, denn seit meiner Zurückkunft von Paris hat sich die Scene um ein Merkliches verändert, aber noch nicht ganz.

Nun etwas von meinem Klosterleben. Das Kloster an sich selbst hat keinen großen Eindruck auf mich gemacht, denn wenn man einmal Kremsmünster gesehen hat, so – ich rede vom äußerlichen und von dem was man hier Hof heißt, das kostbarste muß ich erst sehen. Was mir am lächerlichsten vorkommt, ist das grausame Militair. Möchte doch wissen, zu was? Nachts höre ich allzeit schreien: »Wer da?« Gebe aber allzeit fleißig Antwort: »Schmecks!« Daß der Herr Prälat ein recht liebenswürdiger Mann ist, wissen Sie; daß ich mich aber unter die Klasse seiner Favoriten zählen darf, wissen Sie nicht; es wird mich aber weder in Unglück noch in Glück bringen, glaube ich, doch ist es immer gut einen Freund mehr in der Welt zu haben.

Was die Monodrama oder Duodrama betrifft, so ist eine Stimme zum Singen gar nicht nothwendig, indem keine Note darin gesungen wird, es wird nur geredet; mit Einem Wort es ist ein Recitativ mit Instrumenten, nur daß der Acteur seine Worte spricht und nicht singt. Wenn Sie es nur einmal am Clavier hören werden, so wird es Ihnen schon gefallen; hören Sie es aber einmal in der Execution, so werden Sie ganz hingerissen, da stehe ich Ihnen gut dafür; allein einen guten Acteur oder gute Actrice erfordert es.

Nun schäme ich mich in der That, wenn ich nach München komme ohne meine Sonaten. Ich begreife es nicht, das war[220] wohl ein dummer Streich von Grimm, ich habe es ihm auch geschrieben, daß er nun einsehen wird, daß es eine kleine Uebereilung von ihm war. Mich hat noch nichts so sehr geärgert, als dieses; überlegen Sie es, ich weiß, daß meine Sonaten heraus sind seit anfangs November, und ich als Autor habe sie nicht und kann sie der Churfürstin, der sie dedicirt sind, nicht überreichen. Ich habe unterdessen Anstalten gemacht, daß sie mir nicht fehlen können. Ich hoffe, daß sie meine Baase in Augsburg nun erhalten hat oder daß sie bei Josef Killian allda liegen, und hab schon geschrieben, daß sie mir sie gleich schicken soll. Nun, bis ich selbst komme, empfehle ich Ihnen bestens einen Organisten, zugleich auch guten Clavieristen, Hrn. Demmler in Augsburg. Ich dachte gar nicht mehr an ihn und war sehr froh, als man hier von ihm sprach, das ist ein sehr gutes Genie; die salzburgerischen Dienste könnten ihm zu seinem ferneren Glücke sehr nützlich sein, denn es fehlt ihm nichts als ein guter Wegweiser in der Musik, und da wüßte ich ihm keinen bessern Conducteur als Sie, mein liebster Vater, und es wäre wahrlich Schade, wenn er auf Abwege gerathen sollte [vgl. S. 76].

Nun wird zu München die traurige »Alceste« vom Schweitzer aufgeführt! – Das Beste (nebst einigen Anfängen, Mittelpassagen und Schlüssen einiger Arien) ist der Anfang des Recitativs »O Jugendzeit!« – und dies hat erst der Raaff gut gemacht; er hat es dem Hartig (der die Rolle des Admet spielt) punctirt und dadurch die wahre Expression hineingebracht. Das schlechteste aber (nebst dem stärksten Theil der Oper) ist gewiß die Ouverture.

Wegen den Kleinigkeiten, die im Koffer abgegangen, ist es ganz natürlich, daß bei dergleichen Umständen leicht etwas verloren, ja auch gestohlen wird. Das kleine amethistene Ringl habe ich der Garde geben müssen, die bei meiner Mutter sel. gewacht hat, weil sie sonst den Brautring behalten hätte. [Ein Dintenfleck.] Das Dintenfaß ist zu voll und ich bin zu hitzig im Eintunken, das sehen Sie ganz klar. Wegen der Uhr haben Sie es errathen, die hat studirt; habe aber nicht mehr als 5 Louisd'or dafür bekommen können und das in Ansehung des Werks, welches gut war, denn die[221] Façon wissen Sie von selbst, daß sie alt war und jetzt gar ganz aus der Mode. Weil wir just von Uhren reden, so will ich Ihnen sagen, daß ich nun eine Uhr mitbringe, eine wahre Pariserin. Sie wissen was an meiner Steinerluhr war? wie schlecht die Steinerl waren, wie plump und ungeschickt die Façon, – doch das würde ich alles noch nicht achten, wenn ich nur nicht so viel unnützes Geld für Repariren und Richten hätte ausgeben müssen, und doch ging die Uhr einen Tag eine Stunde auch zwei zu frühe, den andern Tag so viel zu spät. Die vom Churfürst machte es just auch so und war aber noch dabei so schlecht und gebrechlich gearbeitet, daß ich es Ihnen nicht sagen kann. Diese meine zwei Uhren habe ich mit sammt den Ketten für eine Pariserin von 20 Louisd'or hergegeben. Nun weiß ich doch einmal, wie viel Uhr daß es ist? so weit habe ich es mit meinen 5 Uhren nicht gebracht. Nun habe ich unter vier doch eine, wo ich mich darauf verlassen kann. –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 218-222.
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