97. O. Jahn.

[139] Mannheim 28. Febr. 1778.

Mademoiselle, ma très chère Cousine!

Sie werden vielleicht glauben oder meinen, ich sey gestorben! – – Doch nein, meinen Sie es nicht, ich bitte Sie – wie könnte ich denn so schön schreiben, wenn ich todt wäre? wie wäre das wohl möglich? – Wegen meinem langen Stillschweigen will ich mich gar nicht entschuldigen, denn Sie würden mir so nichts glauben, doch was wahr ist bleibt wahr, ich habe so viel zu thun gehabt, daß ich wohl Zeit hatte an das Bäsle zu denken, aber nicht zu schreiben, mithin habe ich es müssen lassen bleiben. Nun aber habe ich die Ehre Sie zu fragen, wie Sie sich befinden und sich tragen? ob Sie mich noch können ein bischen leiden? ob Sie öfters schreiben mit einer Kreiden? ob Sie noch dann und wann an mich gedenken? ob Sie nicht zuweilen Lust haben sich aufzuhenken? ob Sie etwa gar böse waren auf mich armen Narren? ob Sie nicht gutwillig wollen Fried machen? – doch, Sie lachen – Victoria! Ich dachte wohl daß Sie mir nicht länger widerstehen könnten, ja, ja, ich bin meiner Sache gewiß, obwohl ich in 14 Tagen gehe nach Paris. Wenn Sie mir also wollen antworten aus der Stadt Augsburg dorten, so schreiben Sie mir balde damit ich den Brief erhalte, sonst wenn ich etwa schon bin weg, erhalte ich statt einen Brief einen Dreck. – Nu, um auf etwas Anderes zu kommen, haben Sie sich[139] diese Fastnacht schon brav lustig gemacht? in Augsburg kann man sich dermalen lustiger machen als hier; ich wollte wünschen ich wäre bei Ihnen, damit ich mit Ihnen recht herumspringen könnte. Meine Mama und ich, wir empfehlen uns beide dem Hrn. Vater und der Frau Mutter nebst dem Bäsle und hoffen, daß sie alle drey recht wohl auf sein mögen. Desto besser, besser desto! Apropos, wie steht es mit der französischen Sprache? darf ich bald einen ganz französischen Brief schreiben? von Paris aus, nicht wahr?

Nun muß ich Ihnen doch bevor ich schließe, denn ich muß bald endigen, weil ich Eile habe, denn ich habe jetzt just gar nichts zu thun, und dann auch weil ich keinen Platz habe, wie Sie sehen, das Papier ist schon bald gar, und müd bin ich auch schon, die Finger brennen mich ganz vor lauter Schreiben, und endlich auch wüßte ich nicht, wenn auch wirklich noch Platz wäre, was ich noch schreiben sollte als die Historie die ich Ihnen zu erzählen im Sinn habe. Hören Sie also, es ist noch nicht lange daß es sich zugetragen hat, es ist hier im Lande geschehen, es hat auch hier viel Aufsehens gemacht, denn es scheint unmöglich; man weiß auch unter uns gesagt den Ausgang von der Sache noch nicht. Also kurz zu sagen, es war etwa vier Stunden von hier, das Ort weiß ich nicht mehr, es war halt ein Dorf oder so etwas – nu, das ist wirklich ein Ding, ob es Triebstrill oder Burmsquiek war – es war halt ein Ort. Da war ein Hirt oder Schäfer, der schon ziemlich alt war, aber doch noch robust und kräftig dabey aussah; der war ledig und gut bemittelt und lebte recht vergnügt – ja, das muß ich Ihnen noch vorher sagen, ehe ich die Geschichte auserzähle, er hatte einen erschrecklichen Ton, wenn er sprach; man mußte sich allzeit furchten, wenn er sprach. Nu, um kurz von der Sache zu reden so müssen Sie wissen er hatte auch einen Hund, den er Bellot nannte, einen sehr schönen großen Hund, weiß mit schwarzen Flecken. Nu, eines Tages ging er mit seinen Schafen daher, deren er elftausend unter sich hatte, da hatte er einen Stock in der Hand mit einem schönen rosenfarbnen Stockband, denn er ging niemalen ohne Stock – das war schon so sein Gebrauch. Nun weiter! Da er so eine gute Stunde ging, so war er müde und[140] setzte sich bei einem Fluß nieder. Endlich schlief er ein; da träumt ihm, er habe seine Schaf verloren – und in diesem Schrecken erwacht er, und sahe aber zu seiner größten Freude alle seine Schafe wieder. Endlich stund er auf und ging wieder weiter, aber nicht lang, denn es wird kaum eine halbe Stunde vorbey gegangen sein, so kam er zu einer Brücke, die sehr lang war, aber von beiden Seiten geschützt war, damit man nicht hinabfallen könne. Nun, da betrachtete er seine Heerde, und weil er dann hinüber mußte, so fing er an seine elftausend Schafe hinüberzutreiben. Nun haben Sie nur die Gewogenheit und warten bis die elftausend Schaf drüben sind, dann will ich Ihnen die ganze Historie erzählen. Ich habe Ihnen vorher schon gesagt daß man den Ausgang noch nicht weiß, ich hoffe aber daß bis ich Ihnen schreibe sie gewiß drüben sind – wo nicht, so liegt mir auch nichts daran, wegen meiner hätten sie herüber bleiben können. Sie müssen sich unterdessen schon so weit begnügen; was ich davon gewußt habe, das habe ich geschrieben und es ist besser daß ich aufgehört habe, als wenn ich etwa dazu gelogen hätte; da hätten Sie mir etwa die ganze Historie nicht geglaubt, aber so glauben Sie mir doch – die halbe nicht.

Nun muß ich schließen, ob es mich schon thut verdrießen, wer anfängt muß auch aufhören, sonst thut man die Leute stören. An alle meine Freunde mein Compliment, und wers nicht glaubt der soll mich küssen ohn End, von nun an bis in Ewigkeit, bis ich einmal werd wieder gescheit; da hat er gewiß zu küssen lang, mir wird dabei schier selbsten bang. Adieu, Bäsle! Ich bin, ich war, ich wäre, ich bin gewesen, ich war gewesen, ich wäre gewesen, o wenn ich wäre, o daß ich wäre, wollte Gott ich wäre; ich werde seyn, ich würde seyn, wenn ich seyn würde, o daß ich sein würde, ich würde gewesen sein, ich wäre gewesen, o wenn ich gewesen wäre, o daß ich gewesen wäre, wollte Gott ich wäre gewesen – was? – ein Stockfisch! Adieu, ma chère Cousine! wohin? – ich bin der nämliche wahre Vetter

W.A.M.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 139-141.
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