96. Mozarteum.

[135] Mannheim 28. Febr. 1778.

Ich hoffe daß ich künftigen Freitag oder Samstag die Arien bekommen werde, obwohl Sie in Ihrem Letzten keine Meldung mehr davon gemacht haben und ich mithin nicht weiß, ob Sie selbe gewiß den 22. mit dem Postwagen weggeschickt haben, – – ich wünsche es, denn ich möchte sie der Mademoiselle Weber hier noch vorspielen und vorsingen.

Gestern war ich beim Raaff und brachte ihm eine Arie die ich diese Tage für ihn geschrieben habe [Köchel Nr. 295]. Die Worte sind: Se al labro mio non credi, nemica mia. Ich glaube nicht daß der Text von Metastasio ist. Die Arie hat ihm überaus gefallen. Mit so einem Mann muß man ganz besonders umgehen. Ich habe mit Fleiß diesen Text gewählt, weil ich gewußt habe, daß er schon eine Arie auf diese Worte hat; mithin wird er sie leichter und lieber singen. Ich habe ihm gesagt er soll mir aufrichtig sagen, wenn sie ihm nicht taugt oder nicht gefällt, ich will ihm die Arie ändern wenn er will oder auch eine andere machen. Behüte Gott, hat er gesagt, die Arie muß bleiben, denn sie ist sehr schön, nur ein wenig bitte ich Sie, kürzen Sie sie mir ab, denn ich bin jetzt nimmer so im Stande zu souteniren. – Von Herzen gern, so viel Sie wollen, habe ich geantwortet, ich habe sie mit Fleiß etwas länger gemacht, denn wegschneiden kann man allzeit, aber dazusetzen nicht so leicht. – Nachdem er den andern Theil gesungen hat, so that er seine Brille herab, sah mich groß an und sagte: Schön, schön! Das ist eine schöne seconda parte! – und sang es dreimal. Als ich wegging, so bedankte er sich sehr höflich bei mir, und ich versicherte ihm Gegentheil, daß ich ihm die Arie so arrangiren werde, daß er sie gewiß gern singen wird. Denn ich liebe daß die Arie einem Sänger so accurat angemessen sei wie ein gutgemachtes Kleid.

Ich habe auch zu einer Übung die Arie Non sò d'onde viene, die so schön von Bach componirt ist, gemacht, aus der Ursache, weil ich die von Bach so gut kenne, weil sie mir gefällt und immer im Ohre ist; denn ich habe versuchen wollen, ob ich nicht ungeachtet diesem allen im Stande bin, eine[136] Arie zu machen, die derselben von Bach gar nicht gleicht? – – Sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich. Diese Arie habe ich anfangs dem Raaff zugedacht. Aber der Anfang gleich schien mir für den Raaff zu hoch und um ihn zu ändern, gefiel er mir zu sehr; und wegen Setzung der Instrumente schien er mir auch für einen Sopran besser. Mithin entschloß ich mich diese Arie für die Weberin zu machen. Ich legte sie beiseit und nahm die Worte Se al labro für den Raaff vor. Ja, da war es umsonst, ich hätte unmöglich schreiben können, die erste Arie kam mir immer in den Kopf. Mithin schrieb ich sie und nahm mir vor, sie accurat für die Weberin zu machen. Es ist Andante sostenuto (vorher ein kleines Recitativ), in der Mitte der andere Theil Nel seno destarmi, dann wieder das Sostenuto. Als ich sie fertig hatte, so sagte ich zur Mademoiselle Weber: Lernen Sie die Arie von sich selbst, singen Sie sie nach Ihrem Gusto, dann lassen Sie mir sie hören, und ich will Ihnen hernach aufrichtig sagen was mir gefällt und was mir nicht gefällt. – Nach zwei Tagen kam ich hin und da sang sie mir's und accompagnirte sich selbst. Da habe ich aber gestehen müssen, daß sie accurat so gesungen hat, wie ich es gewunschen habe und wie ich es ihr hab lernen wollen. Das ist nun ihre beste Arie, die sie hat; mit dieser macht sie sich gewiß überall Ehre, wo sie hinkommt.38

Gestern habe ich beim Wendling die Arie die ich ihr [Frau Wendling war eine bedeutende Sängerin] versprochen, skizzirt, mit einem kurzen Recitativ. Die Worte hat sie selbst verlangt, aus der Didone: Ah non lasciarmi nò. Sie und ihre Tochter ist ganz närrisch auf diese Arie. Der Tochter habe ich noch einige französische Arietten versprochen, wovon ich heut eine angefangen habe.

Ich freue mich auf nichts als auf das Concert spirituel zu Paris, denn da werde ich vermuthlich etwas componiren müssen. Das Orchester sei so gut und stark; und meine Haupt-Favoritcomposition kann man dort gut ausführen, nämlich Chöre,[137] und da bin ich recht froh, daß die Franzosen viel darauf halten. Das ist auch das Einzige was man in Piccini [Gluck's bekanntem Gegner] seiner neuen Oper »Roland« ausgestellt hat, daß nämlich die Chöre zu nackend und schwach seien und überhaupt die Musik ein wenig zu einförmig. Sonst hat sie aber allen Beifall gefunden. Zu Paris war man jetzt halt die Chöre von Gluck gewöhnt. Verlassen Sie sich nur auf mich, ich werde mich nach allen Kräften bemühen dem Namen Mozart Ehre zu machen. Ich hab auch gar nicht Sorg darauf.

Aus den vorigen Briefen werden Sie alles ersehen haben, wie es ist und wie es gemeint war. Ich bitte Sie, lassen Sie sich nicht öfter den Gedanken in den Kopf kommen, daß ich auf Sie vergessen werde! – Denn ich kann ihn nicht ertragen. Meine Hauptabsicht war, ist und wird immer sein mich zu bestreben, daß wir bald zusammen kommen, und glücklich. – – Aber da heißt es Geduld. Sie wissen selbst besser als ich, wie die Sachen oft quer gehen, – doch wird es schon noch gerade gehen. Nur Geduld. Hoffen wir auf Gott, der wird uns nicht verlassen. An mir wird es nicht fehlen, wie können Sie doch an mir zweifeln? – – Liegt denn mir nicht selbst daran, daß ich nach allen Kräften arbeite, damit ich je eher je lieber das Glück und Vergnügen habe, meinen besten und liebsten Vater von ganzem Herzen zu umarmen? – – Da sehen Sie! – es ist doch nichts auf der Welt ohne Interesse! – Wenn der Krieg etwa in Baiern werden soll, so kommen Sie doch gleich nach, ich bitte Sie. Ich habe auf 3 Freunde mein Vertrauen und das sind starke und unüberwindliche Freunde, nämlich auf Gott, auf Ihren Kopf und auf meinem Kopf. Unsere Köpfe sind freilich unterschieden, doch jeder in seinem Fach sehr gut, brauchbar und nützlich, und mit der Zeit hoffe ich wird mein Kopf dem Ihrigen in dem Fach, wo er jetzt den meinigen überwieget, doch auch nach und nach beikommen. Nun leben Sie wohl. Sein Sie lustig und aufgeräumt. Denken Sie, daß Sie einen Sohn haben, der seine kindliche Pflicht gegen Sie wissentlich gewiß nie vergessen hat und der sich bemühen wird, eines so guten Vaters immer würdiger zu werden.[138]

Nach diesen ausführlichen Bekenntnissen, von denen er wußte, daß sie ihn mit dem Vater wieder in das alte gute Einvernehmen setzen würden, fühlte sich das grundgute Gemüth Mozarts so versöhnt und erleichtert, daß das natürliche Gleichgewicht seines Innern, das seit vielen Wochen völlig gestört war, sich rasch wiederherstellte, und damit trat dann auch der angeborne frische Humor wieder in sein Recht. Ja es kommt wieder die alte Lust an schlechten Reimereien und allerhand dummen Späßen, die denn diesmals auch so recht wieder gebüßt wird in einem Brief an das Bäsle, der ohne Zweifel unmittelbar nach dem vorigen geschrieben ist.

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Die wunderschöne Arie ist als Anhang in meinem »Mozart« (Stuttgart, Bruckmann, 1863) mitgetheilt. Köchel Nr. 294.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 135-139.
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